Mannheim/Rhein-Neckar/Stuttgart/Berlin, 14. April 2018. (red/pro) Das Polizeipräsidium Mannheim hat seit Jahresbeginn 53 Personenfeststellungsverfahren (PFV) bei tatverdächtigen und vermeintlich unbegleiteten minderjährigen Ausländern aus den Maghrebstaaten eingeleitet. 18 Verfahren sind beendet. Das Ergebnis: 17 Mal wurde beim Alter teils massiv gelogen, nur ein Heranwachsender war ehrlich.
Von Hardy Prothmann
Ein Personenfeststellungsverfahren PFV) ist relativ genau geregelt: Sofern jemand einer Straftat verdächtigt wird und erkennungsdienstliche Daten (Fingerabdrücke, Lichtbild, sonstige Daten) vorliegen, kann die Polizei solche Verfahren einleiten und wird dann vom jeweiligen Landeskriminalamt und dem Bundeskriminalamt unterstützt.
Wir machen das schon immer, aber aktuell läuft es sehr viel besser,
sagt David Faulhaber, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, auf Anfrage.
Überraschend schnelle Ergebnisse
Übersetzt: Während man in der Vergangenheit mitunter Jahre warten musste, zeigen sich seit kurzem die Maghreb-Staaten (Algerieren, Marokko, Tunesien) und hier insbesondere die marokkanischen Behörden sehr hilfsbereit. So konnten von 53 PFV bereits 18 innerhalb weniger Wochen mit Ergebnis beendet werden: 17 Tatverdächtige haben bei der Altersangabe gelogen, einer hat sich um zwölf Jahre jünger gemacht und ist nicht 16, sondern 28 Jahre alt, ein anderer machte sich neun Jahre jünger. „Zwei Betroffene, die behaupteten, 11 und 13 Jahre zu sein, sind bereits 18 und 20 Jahre alt“, berichteten die Stuttgarter Nachrichten am Donnerstag zu den aktuellen Informationen.
Es bleibt abzuwarten, wie schnell die anderen PFV beendet werden können, aber der erste Schwung zeigt, wie massiv gelogen worden ist, um als „Jugendlicher“ oder gar „Kind“ unter die Fittiche des deutschen Staates zu flüchten – unter 14 Jahre alt sogar strafunmündig, sprich, mit der Lizenz, kriminell zu sein, ohne Strafverfolgung und Strafvollzug fürchten zu müssen.
Unklare Informationen
Was wir am Freitag nicht exakt recherchieren konnten, ist erstens, ob die Verfahren insgesamt Tatverdächtige seit Anfang des Jahres betreffen, zweitens, ob auch PFV zu früheren Taten durchgeführt werden und drittens, ab welcher „Fallhöhe“ die Polizei die aktuellen PFV eingeleitet hat – sprich: Theoretisch kann das schon bei Verstößen gegen das Ausländerrecht möglich sein, womit es in allen Fällen möglich sein würde, weil jeder Ausländer ohne Aufenthaltsrecht automatisch gegen das Ausländerrecht verstößt. Weiter ist unklar, ob schon ein einfacher Ladendiebstahl oder Schwarzfahren zum PFV führt oder eher schwere Straftaten oder auch sehr viele Straftaten, wie zum Beispiel Diebstahl aus Fahrradkörben. Wir bemühen uns, exakte Informationen zu erhalten.
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Die PFB aktuell haben ergeben, dass alle Personen mindestens 18 Jahre alt sind, teils sind sie über 21 Jahre alt und fallen damit weder unter das Jugendstrafrecht, noch hatten sie Anspruch auf bevorzugte Jugendhilfe, die pro Person den Steuerzahler zwischen 3.-5.000 Euro kostet – pro Monat. Einige der Personen haben teils bis zu sechs Identitäten, das heißt, sie betrügen umfangreich vorsätzlich.
PFV nur bei Tatverdächtigen
Fest steht auch: Wer noch nie erwischt wurde oder wer tatsächlich keine Straftaten begeht, über den hält der Staat weiterhin seine schützende Hand und glaubt den Altersangaben sowie der „Inaugenscheinnahme“ durch die Jugendämter. Die sich daraus ergebenden Fragen lesen Sie in unserem Kommentar zur Sache.
Im Zusammenhang mit der erheblichen Zahl der PFV, die aktuell eingeleitet sind und den ersten Ergebnissen wird deutlich, wie krass das Missverhältnis zwischen angeblichem und wirklichem Alter ist. Immerhin: Einer hat sein echtes Alter angegeben. Nach dem Zufallsprinzip könnte es sein, dass dies auch für alle anderen gilt und man eben 17 gleich zu Beginn bei massiven Lügen erwischt hat. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.
Kriminelle UMAs, die als Intensivtäter aufgefallen waren, hatten die Stadt an den Rand der Handlungsunfähigkeit gedrängt. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) schrieb deshalb Ende Oktober 2017 an den Innenminister Thomas Strobl (CDU). Daraus ergab sich zunächst ein scharfer Wortwechsel, bei dem Herr Strobl der Stadt vorwarf, die solle erstmal ihre „Hausaufgaben machen“. Tatsächlich stellt sich nun heraus, dass Herr Strobl falsche Vorwürfe geäußert hat – denn PFV können ausschließlich durch die Polizei erfolgen und die ist dem Innenminister unterstellt.
Maßnahmen
Schließlich kam es am 26. Januar nach gemeinsamen Gesprächen zwischen Stadt Mannheim sowie Ministerien für Soziales, Innen- und Justizministerium, Kommunalverband für Jugend und Soziales, Polizeipräsidium Mannheim und Staatsanwaltschaft Mannheim zu einem „Maßnahmenpaket“. Danach wurden nicht nach Mannheim „gehörende“ UMAs in die Kommunen „verbracht“, denen sie zugewiesen waren, was bei insgesamt 19 „UMAs“ der Fall war, zwölf davon galten als Intensivtäter und haben ein Aufenthaltsverbot erhalten. Einige kamen trotzdem wieder. Seit dem 24. März, so die Stadtsprecherin Beate Klehr-Merkl (Dezernat III, Bürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb), habe es keine Diebstähle aus Fahrradkörben mehr gegeben. Seit Mitte März, so die Bürgermeisterin Dr. Freundlieb, habe man keine „Rückkehrer“ mehr verzeichnen können, was auch die Polizei bestätigt.
Dieses vereinbarte konsequente Vorgehen wurde seitdem in enger Zusammenarbeit zwischen dem Mannheimer Jugendamt, dem Fachbereich Sicherheit und Ordnung, der Polizei, der Staatsanwaltschaft sowie den für die UMA zuständigen Jugendämtern mit einem hohen personellen und zeitlichen Ressourceneinsatz umgesetzt,
teilt die Stadt Mannheim über das Dezernat III mit.
Wir freuen uns, dass die Personenfeststellungsverfahren nun durchgeführt werden konnten und die Ergebnisse vorliegen. Dies bringt uns auch Klarheit in Hinblick auf die Strafmündigkeit,
teilte Bürgermeisterin Dr. Freundlieb per Zumeldung mit. Denn wenn die Jugendlichen volljährig seien, könnten sie nach Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. Zudem fielen sie dann nicht mehr in die Zuständigkeit des Jugendamtes.
Getrübte Freude?
Die Freude dürfte getrübt werden, denn die hohe Zahl von 53 PFV verdeutlicht, dass es keineswegs, wie bis heute von der Stadt behauptet, nur um eine „überschaubare“ Gruppe von „8-12“ angeblichen Jugendlichen geht. 53 PFV sind 53 Personen und nicht „höchstens ein Dutzend“. Nach unseren Recherchen sind es allein in Mannheim seit 2015 weit über 100 Personen, die als hochkriminell auffielen, aber angeblich Jugendliche oder sogar Kinder sein sollten.
Weder durch die qualifizierte Inaugenscheinnahme, noch eine medizinische Altersfeststellung kann letztlich das exakte Alter eines Menschen festgestellt werden,
teilte Bürgermeisterin Dr. Freundlieb mit. Auch die medizinische Altersfeststellung habe in den Fällen, in denen sie durchgeführt worden sei, bei weitem nicht die entsprechende Klarheit wie sie jetzt über die derzeit funktionierende Kooperation mit den Heimatländern erzielt werde, erbracht. Die bisherigen Verfahren zur Altersfeststellung würden daher Fragen aufwerfen, die jetzt zu diskutieren seien.
Nach unseren Informationen wurden drei medizinische Altersfeststellungen gemacht – auch dazu kann man Fragen stellen, beispielsweise, warum es so weniger waren:
Die medizinische Altersfeststellung für Zweifelsfälle ergibt in der Regel ein Ergebnis mit einer Spanne von zwei Jahren oder mehr Jahren. In mehreren Einzelfällen wurde in Zusammenarbeit mit dem Haus des Jugendrechts eine rechtsmedizinische Altersfeststellung angeordnet, die die Einschätzungen der „qualifizierten Inaugenscheinnahme“ durch das Jugendamt bestätigt haben,
teilte die Stadt Mannheim aktuell mit. Drei sind eindeutig „mehrere“, also mehr als eine Altersfeststellung.
Abweichende Angaben
Aktuell seien laut Stadt Mannheim sechs angebliche UMAs in der vorläufigen Inobhutnahme (VION) in der Columbusstraße auf Franklin untergebracht. Obwohl sich Stadt und Polizei nach unseren Informationen abstimmen, erhalten wir unterschiedliche Informationen. Laut Stadt seien derzeit „drei Jugendliche in der VION untergebracht“. Für die sei das Jugendamt Mannheim selbst zuständig. Derzeit würden Gespräche mit intensivpädagogischen Einrichtungen im Bundesgebiet geführt, mit dem Ziel, diese dort unterzubringen. Ein Jugendlicher sei bereits in eine solche Einrichtung gebracht worden. Die anderen sollten ebenfalls sukzessive mit Hilfe der Polizei in eine solche Einrichtung gebracht werden. Zwei UMA befänden sich derzeit in Untersuchungshaft, zwei weitere in Strafhaft, „was das konsequente Vorgehen der Strafbehörden unterstreicht“, so Freundlieb.
Die Polizei teilt auch sechs Personen mit (Anm. d. Red.: Stand: 9. April), aber dass sich aktuell dort nur zwei Personen aufhalten, eine sei nicht straffällig (Anm. d. Red. Oder eben nicht als Tatverdächtiger bekannt.), zwei seien „abgängig“ (Anm. d. Red.: Aufenthalt unbekannt.), zwei seien in andere Kommunen verbracht.
Das beschriebene Vorgehen ist als fortlaufender Prozess zu sehen, dessen erste Erfolge sich nun deutlich zeigen,
teilt Bürgermeisterin Dr. Freundlieb per Zumeldung mit.
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Angesichts der nun vorliegenden Informationen von „Erfolgen“ zu sprechen, dafür braucht es eine gehörige Portion Chuzpe. Lesen Sie dazu unseren Kommentar (wird verlinkt, sobald veröffentlicht.)