Rhein-Neckar, 02. Januar 2017. (red/pro) In Köln wurden rund 650 Männer „nordafrikanischen“ Aussehens am Hauptbahnhof gezielt gesammelt und gekesselt. Rund 300 Männer wurden zusätzlich bereits bei der Anfahrt gehindert, in die Stadt zu kommen. Auch in Dortmund gab es eine Ansammlung von rund 1.000 Menschen „arabischer“ Herkunft – im Unterschied zu Köln aber nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder. Die gezielte Auswahl für Kontrollen hat der Polizei den Vorwurf eingebracht, „racial profiling“ zu betreiben und rassistisch zu handeln. Das Problem ist komplexer.
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Von Hardy Prothmann
Wenn die Polizei abstreitet, nach „ethnischen Profilen“ vorgegangen zu sein, dann ist das Quatsch. Selbstverständlich wurde vom Aussehen auf eine mögliche Gefährdergruppe geschlossen. Schwarze Haare, eher dunkler Hauttyp, eher jung, männlich – fertig ist das Profil, nach der die Polizei im Kölner Hauptbahnhof Personen sortierte.
Nur zwei von fünf Ausgängen waren offen: rechts konnten die den Bahnhof verlassen, die nicht „verdächtig“ wirkten, links war für die, die die Polizei kontrollieren wollte. Diese Personengruppe bezeichnete die Polizei in Tweets als „Nafris“, was für „Nordafrikaner“ oder für „nordafrikanische Intensivtäter“ steht. Die einen sagen Abkürzung, die anderen Diskriminierung.
Wer darin sofort und unbedingt einen strukturellen Rassismus erkennen will, behauptet auch Quatsch. Bei vielen Fußballspielen werden die Fans nach Schals sortiert, die einen hier lang, die anderen dort lang. Und auch bei Demos, insbesondere, wenn es links gegen rechts oder umgekehrt geht, werden Personen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „sortiert“. Die Grauhaarigen am Stock, ob Altnazi oder Radikalkommunist fallen garantiert durchs Raster.
#PolizeiNRW #Silvester2016 #SicherInKöln: Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen. https://t.co/VYMQuT6B7u pic.twitter.com/cCVVdRwr9D
— Polizei NRW K (@polizei_nrw_k) 31. Dezember 2016
Gestern schrieb ich auf Facebook:
Um das mal klar zu stellen: Besser Rassismus-Vorwürfe als hunderte Frauen, die sexuelle Übergriffe über sich ergehen lassen müssen.
Ein Freund mit arabischen Wurzeln reagierte darauf unwirsch, weil er womöglich auch ins Raster geraten wäre, obwohl er nicht mal arabisch spricht. Er ist Deutscher, seriöser Unternehmer, Arbeitgeber, Steuerzahler und hat Familie. Aber er hat einen dunkleren „Hauttyp“:
Um das klar zu stellen: Da dreht es sich nicht um „Rassismus-Vorwürfe“, sondern das war eindeutiger Rassismus. Und ich hoffe, wir fangen jetzt nicht an Unrecht gegeneinander abzuwägen. Ich kann mich demnach in Köln an Silvester nicht mehr aufhalten. Mit welcher Berechtigung?
Das ist eine gute und nicht einfach zu beantwortende Frage. Grundsätzlich gilt: Selbstverständlich kann sich jeder, egal welcher Herkunft im öffentlichen Raum aufhalten. Auch an Silvester. Auch in Köln. Nordafrikanisch Männer in Begleitung einer Frau, womöglich Händchen haltend, konnten rechts durch die Tür. Nordafrikanisch aussehende Frauen ebenso – denn nur die Männer gelten als mögliche Gewalttäter. Und das mit gutem Grund nach den massiven Übergriffen in der Silvesternacht 2015/2016.
Besonders NRW hat ein „Maghreb-Problem“
Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen. Bis Anfang 2016 wurden Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten überwiegen dem größten Bundesland zugewiesen – wogegen sich das Land dann sträubte. Seit Frühjahr 2016 werden beispielsweise nach einer Vereinbarung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Marokkaner mehr zugewiesen, denn in vielen Städten haben sich massive arabische Milieus gebildet und „No-go-Areas“.
Hier ein Video von Vice Deutschland über die „Feiern“ in Berlin-Neukölln – das erinnert an Kriegsgebiete.
Zutreffend ist, dass insbesondere Asylbewerber aus Magreb-Staaten im Vergleich zu anderen Herkunftsländern als besonders kriminell auffallen. Der Anteil der jungen Männer ist hier besonders hoch. Viele kommen als UMAs – unbegleitete, minderjährige Ausländer.
Der Attentäter von Berlin kam als 17-jähriger nach Italien, wurde straffällig, saß mehrere Jahre im Gefängnis, setzte sich nach Deutschland ab und brachte am 19. Dezember elf Menschen mit einem Lkw um und erschoss den Lkw-Fahrer. 48 Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Der Tunesier Anis Amri galt als Gefährder. Wie sich nach und nach herausstellt, hatten Polizei und Staatsschutz den Mann umfangreich aufgeklärt. Er hatte mindestens sechs Identitäten und sollte abgeschoben werden, war Ende August sogar zwei Tage in Haft, bevor man ihn wieder auf freien Fuß ließ. Er tauchte unter und führte dreieinhalb Monate später den bislang schwersten Terroranschlag in Deutschland durch.
Vorurteile gab und gibt es immer – weltweit
Immer dann, wenn eine deutlich wahrnehmbare „Gruppe“ oder „Menge“ mit „gemeinsamen Merkmalen“ als gewalttätig und kriminell erkennbar wird, kommt es zu Vorurteilen. Weltweit.
Als ich (1966 geboren), als junger Mann das Ausland zu bereisen begann, musste ich mich immer Fragen zu „Nazi-Deutschland“ stellen und wurde teils auch als Nazi beschimpft. Teils wurde mir auch mitgeteilt, dass der Hitler leider keinen Erfolg mit der Judenvernichtung hatte – ziemlich widerlich. Dass ich 21 Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur geboren worden bin, spielte keine Rolle für die erste „Wahrnehmung“ als Deutscher.
Ich habe mit Hitler-Deutschland genau gar nichts zu tun. Und habe auch eine Phase durchgemacht, in der ich von der ständigen Nazi-Aufarbeitung einfach nur genervt war. Ich empfand es als Zumutung. Ich bin nicht schuld, wie jeder, der zur Nazi-Zeit einfach zu jung war oder danach geboren worden ist.
Aber selbstverständlich gibt es die historische Schuld Deutschlands als Erbe dieses Massenmörder-Systems. Damit sind alle Deutschen in der Verantwortung – ob sie das intellektuell verstehen wollen oder nicht.
Alle in Deutschland oder in anderen Ländern lebende Menschen sind für ihre öffentliche Wahrnehmung verantwortlich. Sobald sie als wahrnehmbare Gruppe agieren, misst man sie an ihrem Handeln. Die Gefahr, dass sich daraus Vorurteile bilden, ist immer von neuem gegeben.
Wer ist gut, wer schlecht?
Am frühen Samstagabend beobachtete ich am Tattersall in Mannheim, wie ein alter Mann die Straße überqueren wollte. Er stolperte und schlug der Länge nach hin aufs Gesicht und blieb mitten auf der Straße auf den Schienen liegen. Drei teure Limousinen kamen angefahren, bis ich bei dem Mann war, bremsten ab, wichen aus und fuhren weiter. Sind nun alle Fahrer von teuren Autos unbarmherzige Menschen?
Ein paar junge Leute Anfang 20 halfen mir, den Mann von der Straße zu holen. Er blutete und war verwirrt, wohl auch alkoholisiert. Ich verständigte den Rettungswagen, der, wie ich von einer Anwohnerin erfuhr, 90-Jährige wurde ins Krankenhaus gebracht. Sind jetzt alle jungen Leute gute Menschen?
In der Region gibt es massive Probleme mit Drogendealern. Die Szene wird nach polizeilichen Erkenntnissen überwiegend durch Gambier beherrscht – auch aus diesem Land kommen vor allem junge Männer. Die Bettlerszene wird von Frauen und Kindern beherrscht – häufig aus Rumänien und Bulgarien.
Problemgruppe Mann
Sexuelle Übergriffe werden zu fast 100 Prozent durch Männer begangen. Überhaupt ist der Begriff „Gewalttat“ überwiegend männlich definiert. Ist das jetzt Sexismus? Wohl kaum.
Tatsache ist, dass insbesondere Männer aus den Maghreb-Staaten überdurchschnittlich durch Kriminalität auffallen. Tatsache ist, dass die Zahl von Todesopfern in Europa durch radikal-muslimische Terroristen seit 2004 sprunghaft angestiegen ist. Würde man die Türkei zu Europa dazuzählen, sogar exponentiell. Tatsache ist, dass in den Haftanstalten vor allem „Maghrebler“ enorme, bislang nicht bekannte Probleme bereiten. Tatsache ist, dass mit der Zunahme an Flüchtlingen in Deutschland die Zahl rechtsradikaler Angriffe ebenso sprunghaft angestiegen ist.
Aktuell hat die Polizei vor allem in Köln durch einen „ethnische Sortierung“ eine mögliche Gefahr für die Öffentlichkeit mit hohem Aufwand unterbunden. Schaut man sich die Zahlen an: 190 Platzverweise, 92 Ingewahrsamnahmen, 28 vorläufige Verhaftungen bei rund 650 kontrollierten Personen, dann war diese Maßnahme mehr als begründet.
Tatsachen vs. Vorurteile
Daraus kann kein allgemeines Vorurteil gegen Muslime oder Araber abgeleitet werden, wohl aber zutreffende Erkenntnisse: Eine große Anzahl von Männern war gewillt, sich zu versammeln, um möglicherweise Straftaten zu begehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man es mit einem potentiellen Straftäter zu tun hat, wächst mit der Anzahl der Merkmale. Zwei Merkmale sind besonders auffällig: Jung und männlich. Weiter sind bildungsferne und sozial schwache Milieus eher auffällig.
Erinnert sich noch jemand an die Auseinandersetzung im Jungbusch als zwei „Clans“ aufeinander losgingen – rund 100 Personen die eine private Fehde im öffentlich Raum mit Gewalt „klären“ wollten? Dabei wurde auch scharf geschossen und ein Mann durch eine Messerattacke schwer verletzt.
Die Multiplikatoren der öffentlichen Meinung, also alle Personen, die öffentlich auftreten oder Öffentlichkeit herstellen, im wesentlichen Politiker, Verbände, Gewerkschaften, Sicherheitsorgane, Medien, sind in der Verantwortung, präzise und differenziert Probleme zu erkennen und zu beschreiben – und zwar ohne ideologische Gesinnung. Und auch unkonventionelle Denkweisen wird es häufiger brauchen, wie beispielsweise unsere Anregung, die Familien der UMAS schnell nachzuholen – damit kommen auch Mädchen für die jungen Männer.
Das gilt auch für zunehmende Radikalisierungstendenzen von Türken und Kurden in Deutschland. Hier galt die „Integration“ als gelungen – das war sie, solange diese Gruppen nicht besonders auffielen. Das ändert sich seit geraumer Zeit und zwar negativ. Der öffentliche Raum in Deutschland wird zunehmend zur Zone für Protestveranstaltungen, deren Inhalte nichts mit Deutschland zu tun haben. In der Verantwortung sind hierbei nicht nur „die Deutschen“, sondern auch alle (früheren) Ausländer, die sich entschlossen haben, in Deutschland nach den hier geltenden Gesetzen und gesellschaftlichen Regeln zu leben. In der Türkei gab es in den vergangenen drei Wochen vier Terroranschläge – allein in der Silvesternacht starben mindestens 39 Menschen in einem Nachtclub in Istanbul.
Im vergangenen Jahr habe ich das erste Mal an einem muslimischen Fastenbrechen bei Türken auf der Rheinau teilgenommen. Alle dort waren sehr freundlich und aufmerksam mit mir. Das Essen war lecker, die Stimmung gut. Fast alle Frauen trugen Kopftücher. Na und? Aber sie saßen getrennt von den Männern an verschiedenen Tischen. Ich habe nichts gesagt. Das nächste Mal würde ich etwas sagen oder nicht mehr an einem solchen Fest teilnehmen. Man stelle sich vor, wir Deutsche feierten ein Fest und Frauen sowie Ausländer müssten an anderen Tischen sitzen. Die einen würden vielleicht sagen, das sei kulturelle Tradition und auch religiös bedingt. In meinen Augen ist das schlicht und einfach eine sexistische Diskriminierung, die nicht zu Deutschland passt.
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