Mannheim/Rhein-Neckar, 05. Dezember 2016. (red/pro) Üblicherweise veröffentlichen wir nur selten eine geführte Kommunikation. Aktuell machen wir eine Ausnahme, weil wir Hinweise erhalten, dass unsere Zuschrift an einen der stellvertretenden Vorsitzenden des CDU-Kreisverbands Mannheim, Egon Manz, Mitglied im Hauptpersonalrat der Polizei beim Innenministerium Baden-Württemberg, möglicherweise unvollständig zirkuliert. Wir dokumentieren unsere Zuschrift an Herrn Manz im Original, nach unserer Berichterstattung über dessen Äußerungen zu „angemessenem Schusswaffengebrauch“ gegenüber „Gesocks“. Uns wurde ein „klärendes Gespräch“ angeboten. Im Gespräch bleiben wir immer, zur konkreten Causa sehen wir aktuell allerdings keinen Bedarf.
Dokumentation der Zuschrift von Chefredakteur Hardy Prothmann an Egon Manz vom 04. Dezember, 12 Uhr:
Sehr geehrter Herr Manz,
wir haben die Stellungnahmen von Ihnen und Herrn Löbel gestern veröffentlicht und um eine eigene Stellungnahme ergänzt.
Von meiner Seite aus besteht aktuell kein Gesprächsbedarf – entgegen Ihrer ersten Stellungnahme räumen Sie ja nun ein, dass Ihre Formulierungen mindestens missverständlich waren.
Was solche Formulierungen auslösen oder bestärken, erkennen Sie in eindeutiger Weise an der Zuschrift des Herrn RA Dr. G., die wir ebenfalls im Artikel mit den Stellungnahmen veröffentlicht haben. Ein durchschnittliches AfD-Mitglied erscheint mir im Vergleich mit diesem Herrn wie ein Mitglied der Friedensbewegung.
Sie können davon ausgehen, dass die von mir verantwortete Berichterstattung niemals gegen einzelne Personen oder Gruppen gerichtet ist, sondern sich immer an Inhalten und Sachverhalten orientiert. Im Gegensatz zu anderen Medien versuchen wir nicht durch konstruierte Stories Aufmerksamkeit zu erhaschen, sondern kümmern uns um Tatsächlichkeiten. Sie können ebenfalls davon ausgehen, dass wir mittlerweile hochgradig vernetzt sind – in alle Parteien, Verwaltungen, Unternehmen usw., in Mannheim und anderen Gemeinden unseres Berichtsgebiets und darüber hinaus. Insbesondere in die Polizeien pflegen wir beste Kontakte mit hoher gegenseitiger Wertschätzung.
Herr Löbel hat die Bedeutung der Causa zutreffend eingeordnet und durch seine schnelle und deutliche Positionierung den Schaden professionell zu begrenzen versucht. Um Ihnen auch hier einen klaren Standpunkt mitzuteilen: Nicht das Rheinneckarblog ist durch Berichterstattung für den Schaden verantwortlich, sondern Sie durch Ihre Handlung.
Wenn Sie unsere Arbeit verfolgten, wüssten Sie, dass wir grundsätzlich polizeifreundlich berichten – aus dem Respekt gegenüber deren Aufgabe und Bedeutung für die Gesellschaft heraus. Wenn es allerdings zu problematischen Situationen kommt, benennen wir auch hier Probleme und die jeweiligen Verantwortungen.
Selbstverständlich gehört zur Polizeiarbeit auch ein „angemessener Schusswaffengebrauch“. Äußerst enttäuschend und fragwürdig sind daher Ihre „missverständlichen Formulierungen“, weil diese neben der Fragwürdigkeit des Kontextes auf Ausländer („Gesocks“) zudem noch von mangelnder polizeilicher und staatsrechtlicher Fachkenntnis geprägt sind.
Die Szene des von Ihnen verteilten Videos in Paris zeigt – ohne das mir nähere Hintergründe vorliegen – eine absolute Fehlleistung der Polizisten oder Einsatzverantwortlichen. Diese hätten niemals in eine solche Unterzahl geraten dürfen. Deren Verhalten – die Flucht zu suchen – war letztlich trotzdem richtig, denn damit haben sie überlebt. Hätten die Beamten in dieser Situation angefangen zu schießen, hätte der Mob sie gelyncht.
Auch die Szene aus dem zweiten Video zeigt ein absolutes Fehlverhalten (ganz abgesehen davon, dass Ihnen peinlicherweise offenbar nicht bekannt war, dass es sich um eine inszenierte Spielfilmszene handelt). Hier sind die Beamten zwar nicht in Unterzahl, bringen sich aber in Lebensgefahr. Wenn Sie sich den Ablauf betrachten, grenzt es an ein Wunder, dass keiner der Beamten durch die zuerst schießenden Tatverdächtigen mindestens verletzt worden ist. Diese Zugriffssituation musste mit erheblichen Verletzungen oder dem Tod von Menschen enden – das ist alles, nur keine moderne, verantwortliche Polizeiarbeit, sondern Wilder Westen.
Würde man Ihre Sicht der Dinge als Maßstab nehmen, wäre ein Schusswaffengebrauch beim NPD-Bundesparteitag in Weinheim in Betracht zu ziehen gewesen, als linksradikale Chaoten die Polizeiabsperrungen stürmten und ganz sicher hätte es zu einem Schusswaffengebrauch in Köln gegen Hogesa kommen müssen, ebenso in Frankfurt bei Blockupy, um nur einige Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zu nennen. Nicht zu vergessen der Kurdenkrawall auf dem Maimarktgelände. Nach unseren Recherchen waren Beamte hier so unter Druck geraten, dass ein Schusswaffengebrauch unmittelbar bevorstand. Die Mannheimer Polizei kann stolz auf sich und einen Einsatzleiter PD Schäfer sowie die besonnenen Beamten sein, dass es dazu nicht gekommen ist.
Ihre Sicht oder Fantasien, sehr geehrter Herr Manz, sind nicht nur nach meiner Auffassung grundsätzlich falsch.
Man darf und muss sogar sehr froh sein, dass wir in Deutschland keine schießwütige Polizei haben, sondern eine, die den Schusswaffengebrauch immer nur als allerletztes Mittel sieht. Dass dieses zur Anwendung kommt, konnten Sie in Ludwigshafen feststellen, wo ein Beamter einen Angreifer mit sieben Kugeln kampfunfähig geschossen hat, um sich und seinen Kollegen zu schützen – der Mann ist dann verstorben. Ebenso in Mannheim, als vor einiger Zeit ein Beamter einen schießwütigen Tatverdächtigen mit einem gezielten Schuss ins Bein an der Flucht gehindert hat oder in Dossenheim, wo ein Beamter einen wütenden Mann mit einem Beinschuss handlungsunfähig gemacht hat. Nicht zu vergessen Viernheim, wo ein SEK-Beamter in einer unklaren Bedrohungssituation den 19-jährigen Geiselnehmer im Kinopolis erschossen hat, um Gefahr von den Geiseln abzuwenden. Dass der Täter nur Anscheinswaffen hatte, konnte der Beamte nicht klar erkennen, weshalb er angemessen und verantwortlich gehandelt hat.
Ich erläutere Ihnen – weil ich davon ausgehe, dass Sie das nicht verstanden haben – warum ich keinen Gesprächsbedarf mit Ihnen sehe. Ich betrachte das als Zeitverschwendung und bin nicht davon überzeugt, dass Sie an einem aufrichtigen Gespräch interessiert sind.
Denn wenn das der Fall wäre, hätten Sie sich umgehend gegen die Äußerungen des Herrn Dr. G. positioniert (siehe Artikel mit Stellungnahmen). Widerwärtiger geht es kaum mehr und wenn solche Einstellungen mehrheitsfähig in der CDU oder Gesellschaft würden, müsste es einem Angst und Bange werden.
Tatsächlich lassen Sie das aber so stehen, distanzieren sich nicht in eindeutiger Form gegen diesen Hassauswurf eines CDU-AKIS-Mitglieds (Anm. d. Red.: „Arbeitskreis Innere Sicherheit) gegenüber meiner Person als Vertreter einer unabhängigen Presse und übernehmen damit erneut keinerlei Verantwortung. Ich darf Sie daran erinnern, dass nicht nur Herr Löbel, der sich vorbildlich verhalten hat, dem Kreisvorstand angehört, sondern Sie einer der Stellvertreter sind. Da Sie aber nicht angemessen reagieren, muss die Frage aufgeworfen werden, inwieweit Sie persönlich dafür überhaupt geeignet sind.
Sie machen die Büchse der Pandora auf, sehr geehrter Herr Manz und schaden im Verbund mit Leuten wie Herrn Dr. G. in erheblicher Weise dem Ansehen Ihrer Partei und demokratischen Grundprinzipien.
Die Angelegenheit hat noch eine weitere Dimension, die bislang nicht zur Sprache gekommen, aber sehr wesentlich ist, was die Unterstützung der Polizei als Institution, vor allem aber von Polizeibeamten als Menschen in Uniform angeht und Ihre persönliche und fachliche Verantwortlichkeit ebenfalls aufs Äußerste in Frage stellt: Insbesondere als Personalrat der Polizei müssten Ihnen die mitunter erheblichen Folgen eines Schusswaffengebrauchs bekannt sein. Abgesehen von den juristischen Folgen ist die psychologische Belastung, insbesondere bei tödlichem Ausgang, für die Polizeibeamt/innen enorm. Wer also mehr Schusswaffengebrauch fordert, unterstützt die Beamten nicht, sondern bringt sie vorsätzlich in Not, verhält sich also verantwortungslos.
Aus meiner intensiven Zusammenarbeit mit der Polizei und offiziellen Gesprächen mit Beamten sowie vertraulichen Hintergrundgesprächen ist mir nicht ein Beamter bekannt, der gerne schießen würde. Vermutlich gibt es einzelne Ausnahmefälle. Die Beamten, die ich kenne, vom Schutzpolizisten bis zu Führungskräften, sind jederzeit bereit, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen – aber eben in „angemessener Form“. Deren Verständnis, was angemessen ist und was nicht, unterscheidet sich glücklicherweise ganz erheblich von Ihrer „persönlichen Auffassung“, sehr geehrter Herr Manz.
Gespräche mit sehr vielen aktiven Polizeibeamten zum Thema haben wir anonymisiert in diesem Artikel zusammengefasst:
Kein Polizist will jemanden töten – dafür braucht es keine vier Fragezeichen
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
P.S. Da es sich um einen veröffentlichten Vorgang von grundlegender Bedeutung handelt, der seinen Ausgang durch eine Information an den AKIS genommen hat, sende ich meine Antwort an Sie auch an die betreffenden Mitglieder sowie weitere Personen, die nach meiner Einschätzung davon Kenntnis haben haben sollten.
Dies ist der Ausgangsartikel:
https://rheinneckarblog.de/03/mit-aller-haerte-zuschlagen/118259.html
Hinweis: Wir haben sehr viele Rückmeldungen erhalten, in denen sich Leser und Kontakte wundern, wie ein stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender und AKIS-Vorsitzender eine email an AKIS-Mitglieder nicht als Funktionsträger, sondern als „Privatperson“ schreiben kann. Möglicherweise wäre es Ihrer Partei dienlicher, Sie wären nur noch einfaches Mitglied, dann wäre diese Einschätzung auch glaubwürdiger.
P.P.S. Da ich immer zu den von mir geäußerten Inhalten stehe, habe ich keine Sorge vor „undichten Stellen“. Sollte meine Zuschrift an Sie also zur Kenntnis Dritter weitergeleitet werden, habe ich nichts dagegen.
Eine Auswahl von Texten in Sachen „Schusswaffengebrauch“:
https://rheinneckarblog.de/02/43-jaehriger-geht-mit-messer-auf-polizeibeamte-los/113371.html
https://rheinneckarblog.de/24/taeter-von-viernheim-ist-19-jaehriger-deutscher-aus-mannheim/106272.html
https://rheinneckarblog.de/04/polizist-schiesst-mann-nach-messerattacke-nieder/102135.html
https://rheinneckarblog.de/09/maximaler-kollateralschaden/92841.html
https://rheinneckarblog.de/04/bewaffneter-angreifer-von-polizeikugel-todlich-getroffen/11540.html
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