Rhein-Neckar/Berlin, 20. Juli 2016. (red/pro) Die grüne Spitzenpolitikerin Renate Künast hat sich einen „Shitstorm“ eingehandelt, weil sie den polizeilichen Einsatz gegen einen brutalen Gewalttäter in Frage stellte – ohne jegliches Detailwissen. Der linke Journalist Jakob Augstein und andere sprangen ihr zur Seite. Augstein fabulierte irgendetwas von einer „brutalisierten Polizei“. Beiden wäre anzuraten, mal in der Realität anzukommen.
Kommentar und Interview: Hardy Prothmann
Was mich persönlich am meisten an Frau Künast und Herrn Augstein empört, ist, dass es kein Wort des Mitgefühls für die Opfer eines blindwütigen Gewalttäters gab. Das ist meine persönliche Meinung.
Was mich fachlich empört, ist, wie eine Spitzengrüne dummdreist twittert und ein angeblich intellektueller, linker Journalist dem Blödsinn mit noch mehr Blödsinn beispringt.
Tragisch und wir hoffen für die Verletzten. Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen! #Würzburg @SZ
— Renate Künast (@RenateKuenast) 18. Juli 2016
Beide haben absolut keine Ahnung von dem, über das sie sich auslassen.
Fragen sind selbstverständlich
Selbstverständlich wird nach jedem Einsatz die Frage gestellt, wie der ablief. Dafür braucht es keine vier Fragezeichen. Und noch dringender, wenn dabei Menschen zu Schaden gekommen sind. Der Tweet von Frau Künast ist also nur hohles Gepumpe. Von jemandem, der nicht weiß, dass die Fragen gestellt werden. Der Beisprung von Herrn Augstein toppt das noch an heißer Luft.
Unsere deutsche Polizei ist eine der am besten organisierten Behörden weltweit. Hier wird täglich ein Einsatz gezeigt, der hervorragend ist. Hier wird täglich Verantwortung gezeigt, die beispiellos ist. Hier herrscht eine Disziplin, die Seltenheitswert hat. Hier gibt es innerhalb von Sekunden Spannungsfelder zu lösen, die andere nach Jahren noch nicht ansatzweise verstanden haben. Polizeiarbeit ist täglicher Schutz des Rechtsstaats. Polizeiarbeit eignet sich nicht, zum Spielball von Ideologen und Demagogen gemacht zu werden.
Und die Polizei macht Fehler – wie alle. Das wird untersucht und wenn es sein muss, auch geahndet. Völlig ungerechtfertigt ist ein prinzipielles Misstrauen linksgrüner Ideologen.
Mir platzt die Hutschnur
Mein persönlicher Berater würde jetzt sagen: „Hardy, mach das nicht, bleib cool. Reg dich nicht auf.“ Mein persönlicher Berater hat recht. Aber auch das ist Rheinneckarblog – wir tun nicht so als ob. Wir sind Journalisten, aber wir sind auch Menschen und mir platzt seit gestern die Hutschnur – als Mensch und als Journalist. Ich rege mich auf und ich mache den Job – in dem ich recherchiere, offene Fragen stelle und die Antworten aufschreibe.
Frau Künast – Sie sind dringend aufgefordert, sich nicht für Ihren Tweet zu entschuldigen, sondern bei allen Polizeibeamtinnen und – beamten, die täglich so viel brenzlige Situationen erleben, dass der kleine Shitstorm, den sie gerade erlebt haben, im Wortsinn ein „Scheißdreck“ gegen das ist, was man „Polizeialltag“ nennt.
Frau Künast – auf welchem Planeten leben Sie?
Polizeibeamte auf der Straße arbeiten Schicht für ein überschaubares Honorar. Was eben noch die „normale“ Polizeikontrolle ist, kann sich in Sekunden zur lebensbedrohlichen Situation entwickeln. Für Bürger, für die Beamten.
Ich weiß nicht, auf welchem Planeten Sie leben – ich lebe hier auf der Erde und bin in gutem und ständigem Kontakt mit Polizeibeamten – fachlich und menschlich. Ich kenne keine schießwütigen Polizisten, sondern nur sehr verantwortliche, hart arbeitende Beamte, die ihre Arbeit in den Dienst der Sicherheit für uns alle stellen. Nicht alle machen immer alles richtig – aber sie geben sich jede erdenkliche Mühe.
Herr Augstein – was wissen Sie?
Herr Augstein – ich kenne auch keine „brutalisierte Polizei“. Aber ich weiß, dass die „Herausforderungen“ in Hamburg und Berlin andere sind als hier bei uns in der Provinz oder in der Provinz von Würzburg. Ich weiß aber auch, dass die Metropolregion genauso Schauplatz von harten Einsätzen werden kann, wie Berlin oder Hamburg. Sie selbst schreiben: „Erst im Juni war im hessischen Viernheim ein Mann, der nur mit Attrappen bewaffnet war, von den Einsatzkräften getötet worden.“
Was wissen Sie darüber, Herr Augstein? Was haben Sie dazu recherchiert? Nichts? „Erst im Juni…“ – was soll das heißen? Jeden Monat knallt die „brutalisierte Polizei“ einfach so jemanden ab? Aus Spaß? Wollen Sie, dass das so verstanden wird?
Wissen Sie, Herr Augstein, dass die bösen Berliner Bullen häufig welche aus der Provinz sind? Weil die abkommandiert werden, um den Rechtsstaat an der Schanze oder im Görli umzusetzen?
Der Schusswaffeneinsatz ist täglich real – als letzte Wahl der Mittel
Ich arbeite seit 25 Jahren über Polizei und Sicherheit. Ich kenne sehr viele Polizeibeamte – vom Streifendienst bis zur obersten Leitung. Und obwohl ich mich sehr gut auskenne, habe ich heute mit mehreren Beamten telefoniert und nachgefragt, wie das denn so ist, da draußen.
Wissen Sie, Frau Künast und Herr Augstein, dass die Polizei tatsächlich regelmäßig die Hand an der Waffe hat? Wissen Sie, dass die Beamten nie wissen, was die Schicht bringen wird? Dass sie innerhalb von Sekunden entscheiden müssen, wie sie reagieren müssen?
Interview mit mehreren Beamten
Ich zeichne Ihnen das mal als Gedächtnisprotokoll nach. In einem Gespräch mit mehreren Polizeibeamten, die ich heute angerufen habe. Die Aufzeichnung ist verständlich aufgeschrieben und lässt viele fachliche Details weg. Die Aussagen stammen von fünf Polizisten, die in den wesentlichen Teilen ähnliche Aussagen gemacht haben.
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Wann greifen Sie zur Waffe?
Immer abhängig von der Situation. Der Griff zur Waffe ist nichts besonderes. Das kommt ständig vor. Ob Verkehrskontrolle oder häusliche Streiterei oder Kontrolle im öffentlichen Raum. Auch die gezogene Waffe kommt häufig vor. Es geht darum, eine gefährliche Situation sofort und unmissverständlich zu beherrschen. Sie müssen sofort und konsequent den Angriffswillen brechen, sonst eskaliert die Situation. Kommt es zum Angriff, werden Waffen eingesetzt. Ob „Pfeffer“, Schlagstock oder Schusswaffe. Deshalb ist es besser, einen möglichen Angriff sofort zu unterbinden.
Klingt sehr martialisch.
Ja. Das ist polizeilicher Alltag. Wenn man sich nicht durchsetzt, eskaliert es. Wegen kleinsten Kleinigkeiten. Das ist heute so. Seit langem. Und es entwickelt sich nicht gut. Wenn ich oder meine Kollegen im Einsatz sind, wissen wir nicht, was das Gegenüber vor hat. Wir müssen sehr schnell entscheiden, welche Maßnahme richtig ist. Da läuft ein Programm ab. Und wir Kollegen müssen uns verlassen können. Oft kommt nicht selten vor, dass einer „klärt“ und der andere schussbereit ist. Das ist kein Häkelclub auf der Straße – hier gewinnt, wer sich durchsetzt. Und das wollen wir sein. Wir sind die Staatsmacht und das machen wir klar.
Wie oft haben Sie schon gezogen und geschossen?
Wie oft ich gezogen habe, weiß ich nicht. Die Hand an der Waffe ist noch häufiger. Unzählige Male in den 30 Jahren. Geschossen habe ich noch nie. Weil ich die Situation durch klare Ansagen beherrschen konnte. Sie müssen hier aber zwischen verschiedenen Polizeieinsätzen unterscheiden – „Kampfeinheiten“ bei Demos ziehen wesentlich seltener die Waffe, weil die Situation anders ist. Der gefährlichste Einsatz ist der tägliche Streifendienst – am meisten gekämpft wird bei den Einsatzzügen.
Wann würden Sie schießen?
Wenn die Situation das erforderlich macht. Also jederzeit, wenn der Fall eintritt. So wie jeder andere meiner Kollegen. Jede andere Einstellung würde uns schwach machen. Wer zur Polizei geht, übt stellvertretend die Staatsmacht aus. Mit rechtsstaatlichen Mitteln und dazu gehört auch, im Fall der Fälle zu schießen und auch den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen. Er oder ich und andere ist dann die Frage, die zu entscheiden ist. Im Zweifel „Er“.
Was sind brenzlige Situationen?
Das sind die, wenn man die Hände nicht sieht. Und wenn jemand nicht den Anweisungen folgt. Abgesehen davon ist jede Situation brenzlig – wer eben noch „normal“ ist, zückt vielleicht im nächsten Moment eine Waffe. Es gibt keine „normale“ Situation für Polizisten. Wir müssen immer mit Angriffen rechnen – wer das nicht tut, begibt sich und andere in Lebensgefahr. In jungen Jahren war ich im Einsatz, um einen familiären Streit zu schlichten. Wir bekamen den Hinweis, dass der Mann eine Schusswaffe hat. Der öffnete die Tür und legte an. Mein Kollege hat ihm die Waffe mit den Schlagstock aus der Hand geschlagen. Es war eine Schreckschusswaffe. Ich war jung und mein Verhalten war ein Fehler. Wir hatten Glück. Heute würde ich mit schussbereiter Waffe den Einsatz machen und schießen. Das ist die professionellere Einstellung. Wer mit einer Waffe auf Polizisten anlegt, eröffnet keinen Debattierclub.
Wie geht man damit um?
Mit guter Ausbildung und einer inneren Einstellung auf Basis des Rechtsstaats. Polizisten müssen viele Eigenschaften haben – sie schützen den Rechtsstaat, müssen also Recht und Gesetz kennen und anwenden, sie müssen aber auch bereit sein zu kämpfen, wenn es die Situation erfordert. Für den Rechtsstaat.
Was ist gefährlicher – ein Messer oder eine Pistole?
Das kommt auf die Distanz an. Pistolen sind eher Distanzwaffen – wenn aber jemand ein Wurfmesser hat und damit umgehen kann, kann das auch tödlich sein. Eine Pistole ist immer eine potenzielle Gefahr, selbst eine Schreckschusswaffe. Sie können diese nur unter Idealbedingungen von einer „echten“ Waffe unterscheiden. Legt jemand an, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir schießen müssen. Die tatsächlich viel gefährlicheren Waffen aller Art sind Messer, insbesondere „Fingermesser“. Die sehen sie nicht, wenn die Hand nicht offen ist. Wir sind mit Weste geschützt, aber der Hals ist frei, wenn eine Klinge eine Halsader öffnet, ist man innerhalb von Sekunden tot. Dafür braucht es kein Rambo-Messer, eine Klinge von ein paar Zentimetern reicht. Messer sind eine absolut tödliche Gefahr.
Wie oft waren Sie schon mit Messern konfrontiert?
Das ist ein Standard – für alle Polizisten. „Messer“ sehen viele nicht als Waffe, weil diese ein Alltagsgegenstand sind. Tatsächlich sind Messer im Zweifel die fürchterlichste Waffe überhaupt. Absolut tödlich – es gibt keine Ladehemmung und man muss auch nicht nachladen. Irgendwelche Theorien zur „Entwaffnung“ können Sie vergessen – das birgt immer eine erhebliche bis tödliche Verletzungsgefahr. Bei mir löst das Wort Messer höchste Alarmbereitschaft aus. Das ist die tödlichste Nahkampfwaffe überhaupt.
Würden Sie versuchen, Angreifer „kampfunfähig“ zu schießen?
Klar – unter Idealbedingungen. Erst das linke Bein, dann das rechte Bein. Wer nicht genug hat, noch ein Schüsslein in den einen und den anderen Arm… Die klassische Einsatzsituation bietet keine Idealbedingungen, sondern immer besondere Situationen. Nochmal: Ich würde immer versuchen, die Situation zu beherrschen und klar zu machen, wer die Macht hat. Damit brechen Sie Angriffswillen. Wenn Sie aber das Weiße in den Augen sehen, dann schießen Sie und zwar auf den Torso. Um den Angriff zu beenden. Ob das kampfunfähig macht oder tödlich ist, entscheidet der Zufall.
Was sagen Sie zum Schusswaffeneinsatz gegen den Afghanen mit Axt und Messer?
Dazu liegen mir keine geprüften, detaillierten Informationen vor, also kann ich keine klare Aussage machen. Wenn es zutrifft, dass der Angreifer aus dem Gebüsch gesprungen ist und unmittelbar angegriffen hat, haben die Kollegen das einzig richtige getan: Sie haben sich selbst beschützt und den Aggressor unschädlich gemacht. Dass dieser Mann lebensbedrohlich war, muss man vermutlich niemandem erklären. Wer vollkommen unschuldige Menschen mit Tötungsabsicht angreift, ist ein Killer. Ganz egal, was seine Motivation ist. Diese Frage stellt sich nicht. In dieser Situation geht es um Leben oder Tod und nicht um irgendwelche Theorien.
Wie beurteilen Sie die Bedrohung?
Die Reisenden hatten keine Chance. Sie waren wehrlos. Jeder normale Mensch ist entsetzt über so eine Tat und ich hoffe für die Verletzten, dass sie gesund werden – wie sie mit dem Angriff für ihr Leben fertig werden, steht auf einem anderen Blatt. Das ist traumatisch.
Wie würden Sie damit fertig werden, wenn Sie den Angreifer erschossen hätten?
Das kann niemand vorhersagen. Tödliche Schüsse sind immer eine Belastung. Aber: Jeder Polizist weiß, dass er in diese Situation kommen kann. Darauf werden wir auch vorbereitet und müssen uns selbst vorbereiten. Der eine kann das besser als der andere. Klar ist: Ich kenne keinen Polizisten, der jemanden töten will. Aber ich bin dazu jederzeit bereit, wenn die Lage es erfordert. Das ist Teil meiner Pflicht – Menschen zu beschützen, ob andere, meinen Kollegen oder mich selbst. Im Zweifel interessiert es mich nicht, ob jemand ein schweres Leben hatte – dafür gebe ich weder mein Leben noch das von jemand anderem. Wer andere mit dem Tod bedroht, muss damit rechnen, getötet zu werden. Nochmal – wir Polizisten sind auf schwierige Situationen trainiert. Aber kein Training kann jemals die eine besondere Alltagssituation abbilden. Keiner von uns will jemanden töten. Wenn es aber sein muss, gehört das zum Job. Das versteht man oder man versteht es nicht. Frau Künast hat gar nichts verstanden. Niemand braucht ihre Fragezeichen.
Was, wenn es mehr Attentate gibt?
Dann wird es mehr Schusswaffeneinsatz geben.
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