Ludwigshafen/Kandel/Landau/Rhein-Neckar, 28. Dezember 2017. (red/pro) Aktualisiert. Das 15-jährige Mädchen, dass gestern gegen 15:20 Uhr in einem Drogeriemarkt in Kandel (Südpfalz, Landkreis Germersheim) von einem 15-jährigen Afghanen erstochen worden ist, wurde zuvor massiv durch den Tatverdächtigen bedroht. Noch am Mittwochmorgen hatte die Polizei in der Wohngemeinschaft den späteren mutmaßlichen Täter als Gefährder angesprochen.
Von Hardy Prothmann
Mit steinernen Mienen lassen Erster Kriminalhauptkommissar Dieter Lippold, die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig, Polizeivizepräsident Eberhard Weber und Michael Baron, Leiter der Pressestelle, das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Herr Baron beginnt:
Es ist dramatisch und schockierend, was da gestern passiert ist.
Tatort Drogeriemarkt
Am 27. Dezember um 15:20 Uhr wird ein Drogeriemarkt im südpfälzischen Kandel zum Tatort. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei betritt ein 15-jähriges Mädchen in Begleitung zweier jugendlicher Männer das Geschäft. Kurz darauf auch ihrer früherer Freund, ein unbegleiteter, männlicher Ausländer aus Afghanistan, der ebenfalls 15 Jahre alt sein soll.
Vermutlich kam es zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung. Dann sticht der junge Mann mehrmals auf sein Opfer ein. Die Tatwaffe ist sichergestellt, ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen und drei Zentimeter breiten Klinge.
Am Tatort festgenommen
Ob das Mädchen überhaupt noch versucht hat, sich zu wehren, ist noch nicht bekannt. Auch nicht, wie oft der Tatverdächtige zugestochen hat. Klar ist, dass sonst niemand verletzt wurde. Die beiden Begleiter des Mädchens und Angestellte überwältigen den jungen Afghanen und halten ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest:
Wir wurden um 15:22 Uhr informiert und waren sehr schnell vor Ort. Er ließ sich widerstandslos festnehmen und wirkte apathisch,
sagt Herr Lippold, der die Ermittlungsgruppe leitet, auf Nachfrage von Rheinneckarblog.de. Ob er unter Drogen gestanden hat, weiß man noch nicht. Im Drogeriemarkt sollen sich zur Tatzeit rund 15-20 Personen aufgehalten haben. Wegen der laufenden Ermittlungen wollte Herr Lippold noch keine Angaben zu den bisherigen Anhörungen der möglichen Zeugen machen. Dies ist verständlich, damit Zeugenaussagen nicht durch Berichte möglicherweise manipuliert werden.
Die Bild-Zeitung berichtete beispielsweise die Aussage einer angeblichen Zeugin:
Alles sei schnell gegangen. Auch den mutmaßlichen Täter will Jäger gesehen haben, sie sagt: „Er hat dreckig gegrinst.“
Herr Lippold teilte auf Anfrage mit, davon sei ihm nichts bekannt.
Am Donnerstagmorgen wurde der Jugendliche auf Antrag der Staatsanwaltschaft Landau einem Richter vorgeführt, der die beantragte Haft anordnete.
Tatverdächtiger und Todesopfer kannten sich
Der mutmaßliche Täter und sein Opfer kannten sich. Sie sollen bis Anfang Dezember eine Beziehung über mehrere Monate hinweg gehabt haben. Das Opfer stammt aus dem Raum Kandel. Hier war der Afghane seit dem 13. Mai 2016 untergebracht, nachdem er im April in Frankfurt/Main als unbegleiteter, minderjähriger Ausländer registriert worden war. Im September 2017 wurde er in eine betreute Wohngruppe ins 35 Kilometer von Kandel entfernte Neustadt/Weinstraße verlegt.
Nachdem das Mädchen sich von dem Jungen getrennt hatte, folgten sowohl telefonisch als auch über soziale Netzwerke massive Beleidigungen und Drohungen durch den jugendlichen Afghanen gegenüber dem deutschen Mädchen:
Ich werde Dich abpassen,
soll er laut Polizei geäußert haben.
Eltern erstatteten Anzeige wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung
Die Eltern des Mädchens erstatten wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung Anzeige bei der Polizeiinspektion Germersheim. Die Polizei nahm die Sache ernst und sprach ein Annäherungsverbot aus. Weiter wurde der mutmaßliche Täter vorgeladen, erschien aber nicht. Es erfolgte eine fernmündliche Gefährderansprache und noch am Mittwochmorgen stattete die Polizei dem Asylbewerber einen Besuch ab, um eine persönliche Gefährderansprache vorzunehmen. Stunden später verblutete das Mädchen aufgrund mehrerer Stichverletzungen, die ihm durch den Afghanen beigebracht worden sind und verstarb trotz umgehender Notversorgung kurz nach der Einlieferung in ein Krankenhaus.
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Aktuell gehen die Behörden aufgrund der bislang bekannten Informationen von einer „Beziehungstat“ aus und ermitteln wegen Totschlag – möglicherweise wird daraus aber eine Mordanklage, wenn die Staatsanwaltschaft zutreffende Mordmerkmale nach § 211 Strafgesetzbuch feststellt. Zum aktuellen Zeitpunkt, noch keine 24 Stunden nach der Tat sei dies noch nicht abschließen zu klären, sagt Frau Möhlig. Der Tatverdächtige mache von seinem Schweigerecht Gebrauch und habe noch keine Angaben gemacht. Auf Nachfrage von Rheinneckarblog.de teilte Frau Möhlig mit, dass man selbstverständlich auch das Alter des Tatverdächtigen überprüfen werde.
Körperverletzung im November
Polizeivizepräsident Weber erklärt, zum Tatverdächtigen habe man bislang zwei Erkenntnisse. Zum einen den Straftatbestand der illegalen Einreise, was ein „übliches“ Delikt bei Flüchtlingen sei und zum anderen eine Körperverletzung im November 2017. Auf einem Schulhof kam es zum Streit und nach einer Beleidigung soll der Tatverdächtigen einen anderen Jugendlichen mit Fäusten traktiert haben:
Gefährderansprachen fruchten in aller Regel, weil die Personen dann wissen, dass die Polizei sie im Auge hat.
Das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF) berichtet, dass die rheinland-pfälzischen Minister Anne Spiegel (Grüne) und Roger Lewentz (SPD) mit Betroffenheit auf den gewaltsamen Tod einer 15-Jährigen in einem Drogeriemarkt im südpfälzischen Kandel reagiert hätten. „Unsere Gedanken und die Anteilnahme der Landesregierung gelten der Familie und den Freunden des Opfers“, erklärten die Familienministerin und der Innenminister laut RNF. Es werde alles getan, um die Hintergründe der „schrecklichen Tat“ aufzuklären.
Hinweis: Der Artikel wird noch aktualisiert.
Hinweis: Wir berichten von einem mutmaßlichen Täter oder einem Tatverdächtigen. Dass es sich bei dem festgenommenen Afghanen um den Täter handelt, dürfte sicher feststehen. Bis zu einer Anklage gilt die Unschuldsvermutung. Mit Anklage wird eine Person zum Beklagten. Erst mit einer Verurteilung zu einem Straftäter. Wir halten uns aus grundsätzlicher Achtung der Rechtsstaatlichkeit an diesen Sprachgebrauch.
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Aktualisierung, 18:31 Uhr
Pressemitteilung des Landratsamts Germersheim:
„Im Landkreis Germersheim wurden seit 2016 nach dem sog. Königsteiner Schlüssel insgesamt 100 unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Alle umA werden in Jugendhilfemaßnahmen (JH) betreut. Für alle JH-Maßnahmen liegen Betriebserlaubnisse des Landesjugendamtes vor.
Der 15-jährige umA war von Mai 2016 bis September 2017 in einer JH-Einrichtung untergebracht und besuchte die IGS Kandel. Der Minderjährige wechselte im September 2017 in eine Einrichtung nach § 34 SGB VIII zu einem freien Träger in eine betreute Jugend-Wohngruppe außerhalb des Landkreises Germersheim.
In dieser WG leben 4 Jugendliche, die von 3 Bezugserziehern versorgt und pädagogisch betreut werden. Die umA werden dort zusätzlich zum Schulbesuch mit mindestens 10 Stunden pro Woche pro Jugendlichem betreut- also in der 4 er WG mit 40 Wochenstunden im Direktkontakt. Daneben gibt es eine 24/7 Rufbereitschaft durch die Betreuer für die Jugendlichen. Es handelt sich um ein übliches Konzept für Jugendliche ab 15 Jahren. Die WG hat eine Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt.
Trotz Wegzug aus dem Kreis wurde der umA nach wie vor in fallführender Zuständigkeit des Jugendamtes des Landkreises Germersheim (sowohl Allgemeiner Sozialer Dienst als auch Vormundschaft) betreut. In der Einrichtung im Landkreis Germersheim wurden die Stärken und Ressourcen, aber auch die Entwicklungsbedarfe des umA in einem Zeitraum von Mai 2016 bis September 2017 ermittelt. Die Art der Hilfe gestaltet sich jeweils nach dem individuellen pädagogischen Bedarf. Aufgrund der Selbstständigkeit (z.B. Umgang mit Geld, Selbstversorgung, Schulbesuch) wurde ein Wechsel in eine betreute Wohngemeinschaft angestrebt. Diese bietet einen wesentlich kleineren, altersgerechten Rahmen (nur 4 Plätze) mit einer hohen Betreuungsdichte und wurde im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte als mittelfristige adäquate Hilfeform als notwendig (aufgrund des Beziehungsangebots und des kleinen Settings) und geeignet (aufgrund der Trainingsmöglichkeiten zur Verselbständigung) eingerichtet.
Die Altersfeststellung des 15-jährigen erfolgte im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch das Jugendamt Frankfurt am 2. Mai 2016. Sowohl die Inaugenscheinnahme als auch das ärztliche Erstscreening sind dokumentiert. Im Rahmen der Einrichtung der Amtsvormundschaft fand durch den Familienrichter eine weitere Inaugenscheinnahme statt. Das Alter wurde dort nicht in Frage gestellt, wobei eine Varianz von +/- 1 Jahr möglich ist. Eine Volljährigkeit wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen.
Der interne Ablauf in einem solchen tragischen Ereignis ist klar in Krisenplänen geregelt, dieser Prozess läuft. Da im Jugendamt vertraulich gearbeitet wird, zum grundsätzlichen Schutz der Bürgerinnen und Bürger, sind die persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen nur dem zuständigen Mitarbeiter bekannt. Die notwendigen Informationen werden derzeit aufgearbeitet. Aus Gründen der laufenden polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen können wir aktuell keine weiteren Informationen geben.
Wir sind tief betroffen. Der Familie und den Freunden der Jugendlichen sprechen wir unser Beileid und tiefes Mitgefühl aus.“