Kandel/Landau/Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 29. Dezember 2017. (red/pro) Die tödliche Messerattacke auf ein 15-jähriges Mädchen im öffentlichem Raum muss aus unserer Sicht ein öffentliches Thema sein – trotz aller Pietät gegenüber den Verwandten. Trotz aller Rücksicht auf das Alter von Opfer und eines angeblich gleichaltrigen Täters. Das Tötungsdelikt hat genau nichts mit Kandel zu tun. Es hätte überall passieren können. Die entscheidenden Fragen sind: Was wird politisch sowie behördlich unternommen, um solche Taten in Zukunft zu verhindern? Und welchen unangenehmen Fragen stellt man sich davor?
Von Hardy Prothmann
Wenn es um Persönlichkeitsrechte geht, ist das immer ein beliebter Vorwand, genau nichts zu sagen. Ich nehme Persönlichkeitsrechte sehr, sehr ernst, aber auch das öffentliche Interesse. Das muss man vernünftig gegeneinander abwägen.
Fangen wir mit mir an: Ich bin 51 Jahre alt, in Ludwigshafen geboren, in der Pfalz aufgewachsen, seit 1989 mit Unterbrechung Mannheimer, habe an der Universität Mannheim mit Abschluss Magister Artium studiert, bin seit 1991 freier Journalist. Öffentlichkeit ist mein Job und ich mache mein Privatleben zum Teil öffentlich. Das ist an verschiedenen Stellen nachzulesen.
Ich war verheiratet und bin seit Ende 2016 geschieden.
Jetzt wird es heikel, weil ich in andere Privatleben eingreife, was ich aber zurückhaltend tue. Mein Ex-Frau hat zwei Kinder aus erster Ehe. Ich nenne keine Namen, sondern nur Umstände. Ein Junge, ein Mädchen.
Hätte das Mädchen einen afghanischen Flüchtling in der Zeit der Ehe nach Hause gebracht und diesen als „Freund“ präsentiert, wären bei mir alle Alarmglocken angegangen. Obwohl sie nicht meine leibliche Tochter war und ich kein Erziehungsrecht hatte. Ich fühlte mich trotzdem verantwortlich.
Sie hat keinen solchen Freund präsentiert. Ja, ich gebe klar zu, dass ich racial-profiling angewandt hätte. Ich hätte mich grundsätzlich nicht für die hübsche Nase interessiert, sondern für die Herkunft, das Elternhaus, die Aktivitäten und alles, was ich über den „Freund“ erfahren könnte. Aus Fürsorge für das Mädchen. Ordentlich abgewägt.
Der nette, arabische Freund
Im Bekanntenkreis hatte ein Mädchen einen zunächst sehr freundlichen und netten arabischen Freund. Nennen wir ihn Mohamed. Ein arabischer Allerweltsname.
Anfangs war die Familie geradezu „entzückt“ von dem jungen Mann. Er war so höflich, er war so bemüht und freundlich. Und man fühlte sich so weltoffen.
Auf mich wirkte er wie ein Bückling. Ich habe ihm nicht vertraut und war skeptisch.
Für das Mädchen und die Familie war das irgendwie wie ein Märchen aus 1.000 und einer Nacht. Es war exotisch. Prickelnd. Spannend.
Dieses Märchen nahm eine zunehmend schlechte Wendung.
Denn der Freund wurde zunehmend drängender. Der wollte zunehmend mehr Einfluss nehmen und Vorschriften machen.
Die Familie wurde zunehmend nervös. Man wollte ja nicht rassistisch sein, sondern „modern“. Aber die Vorgänge waren alarmierend.
Die Mutter arbeitet im „Servicebereich“. Der Vater im mittleren Management einer sehr großen Firma. Beide kirchlich gebunden. Zwei Kinder. Voller Stolz.
Arabische Länder kannten beide Eltern beruflich und touristisch. Damit kannte man sich doch aus.
Ich hatte ernste Gespräche mit den Eltern. Zunächst ohne Erfolg.
Irgendwann kam ein klares Umgangsverbot für den Araber, nachdem er klare Regeln für das Verhalten des Mädchens nach seinen Vorgaben eingefordert hatte. Es gab Stress, aber keine weitere negative Entwicklung.
Glück gehabt.
Die Abwägung zwischen privatem Leben und öffentlichem Leben wird von mir als Journalist immer eindeutig entschieden. Privat ist privat. Punkt. Bis es öffentlich relevant wird.
Privat ist privat – außer es wird öffentlich relevant
Das Privatleben des am Mittwoch getöteten Mädchens ist privat. Punkt.
Deren Hinrichtung – das ist mein Eindruck nach meinen Recherchen – ist aber öffentlich relevant, weil es über das spezifische Privatleben hinausgeht. Sie war ein Mädchen von 15 Jahren, wie es viele gibt. Aber sie ist gestorben oder musste sterben, weil ein angeblich 15-Jähriger Afghane das für sich so beschlossen hat. Er tötete das Mädchen mit mehreren Messerstichen. Einfach so. In der Öffentlichkeit. Zuvor bedrohte er sie wochenlang.
Selbstverständlich denke ich an die Eltern und Verwandten. Aber viel mehr an dieses Mädchen. Es gibt aus meiner Sicht verdammt noch mal keinen Grund, dass sie sterben musste. Ich denke auch über die wenigen bekannten Details nach. Zwei männliche Begleiter waren bei ihr. Zum Schutz?
Die Familie und alle Beteiligten haben das Recht zu schweigen – doch wem hilft das weiter? Sollten sie nicht eher darüber reden, was passiert ist? Helfen, weitere Opfer zu vermeiden? Das sind schwierige Fragen.
Selbstverständlich habe ich keinen Kontaktversuch zur Familie gemacht – anders als viele anderen Journalisten – es geht gar nicht, dass ich an die Verwandten herantrete, um irgendetwas Privates zu erfahren.
Fragen müssen gestellt werden
Trotzdem darf und muss ich öffentlich relevante Fragen stellen: Alle Medien berichten von einer „Beziehung“ zwischen Tatverdächtigem und Opfer.
- Was war das für eine Beziehung?
- Hat man sich gekannt, sich Sympathien mitgeteilt, Händchen gehalten, geküsst oder mehr?
- War die „Beziehung“ harmonisch oder durch Konflikte geprägt?
- Wie gingen die Eltern, die letztlich Strafanzeige erstatteten, vorher damit um?
- War man wie die Eltern, die ich kenne, zunächst positiv eingestellt und später hochgradig alarmiert?
Im Gegensatz zu anderen Medien verdeutlichen wir beim Rheinneckarblog immer wieder Hintergründe voller „Spannungsfelder“.
Private Verhältnisse gehen uns eigentlich nichts an. Teils müssen wir aber Informationen erlangen, um diese privaten Hintergründe zu verstehen, die dann öffentlich relevant werden – und abwägen, was wirklich öffentlich relevant ist und was privater Hintergrund. Das ist eine sehr sensible Arbeit.
Rechtsstaatliche Prinzipien sind einzuhalten
Dabei bleiben wir nicht emotionslos. Wenn ein mutmaßlich junger Mann eine tatsächlich junge Frau absticht und uns danach Informationen verweigert werden, wegen Persönlichkeitsrechten, insbesondere im Hinblick auf das angeblich jugendliche Alter des Tatverdächtigen, dann reagieren wir wie? Selbstverständlich zornig, wütend und enttäuscht – und ganz selbstverständlich vernünftig professionell. Es gibt rechtsstaatliche Prinzipien. Die sind einzuhalten. Trotz aller Schmerzen.
Wenn Sie unsere Berichterstattung verfolgen, verstehen Sie, dass wir viele Umwege gehen müssen, um an Informationen zu gelangen. Wir bauen dabei manchmal bewusst einen öffentlichen Druck auf, um Zwang zu erzeugen, wenn Behörden nicht auf Vernunft reagieren.
Gleichzeitig wissen wir, dass es nicht unsere Aufgabe ist, Zwang zu erzeugen, sondern nur, öffentlich zu informieren. Manchmal geht das aber nicht ohne Zwang, insbesondere dann, wenn Behörden nicht souverän agieren.
Der Tod des Mädchens ist ein politisches Problem
Im Fall der getöteten 15-Jährigen bauen wir deshalb massiv Druck auf – nicht gegenüber der Polizei. Die hat nachvollziehbar dargestellt, dass sie den Ernst der Lage erkannt hat – eine Bedrohung. Die Entwicklung einer Beziehung, die zum Tod eines Mädchens führte, ist kein Problem, das man der Polizei anlasten könnte, das ist ein politisches Problem.
Der Druck geht auch nicht gegen die Betreuungseinrichtungen, die auch nur ihren Dienst nach Vorschrift machen (würden sie das nicht, wäre es gegen die Vorschrift und damit kritisierenswert).
Der Druck geht nach ganz oben. Zu den politischen Entscheidungsträgern. Keiner von denen ist individuell verantwortlich. Moralisch und politisch aber schon.
Das Rheinneckarblog will von Ministern wie Anne Spiegel und Roger Lewentz wissen, wie Eltern von Töchtern sich verhalten sollen? Raten diese Minister dazu, „multikulturelle“ Beziehungen einzugehen oder raten sie Eltern, ihre Mädchen zu schützen?
Ich erwarte keine Betroffenheit, sondern verantwortliches Handeln
Ich würde meiner Tochter klar verbieten, mit einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (UMA) anzubandeln. Wenn die Tochter im Liebestaumel nicht folgen sollte, würde ich jede mögliche Maßnahme prüfen, um sie (vor sich selbst) zu beschützen.
Welche (persönliche) Empfehlung geben die Minister? Nach Kandel?
Darauf bin ich gespannt. Meine Tochter müsste nicht sterben. Eher ich. Ich würde sie bis aufs Blut verteidigen – und wenn ich dabei drauf gehen würde, wäre es mir reichlich egal, ob ein Minister danach betroffen wäre. Ich wäre tot und würde mich angesichts der wärmenden Teilnahme sicher nicht nochmals umdrehen.
Das ist alles graue Theorie. Fakt ist. Ein 15 Jahre altes Mädchen wurde abgestochen. Vom angeblichen „Ex“. Der ist angeblich 15 Jahre alt und Asylbewerber aus Afghanistan.
Nach allen bislang bekannten Informationen hat er seine Ex hingerichtet.
Ich erwarte keine Betroffenheit, sondern Aufklärung und dezidiertes Handeln zum Schutz anderer Frauen und Mädchen.
Sie wollen unsere Arbeit unterstützen? Dann zahlen Sie gerne per Selectyco oder via Paypal einen von Ihnen festgelegten Betrag. Besten Dank vorab! Jeder Überweiser erhält eine Rechnung – bitte beachten Sie, dass das für uns Arbeit ist, für die Mitarbeiter entlohnt werden. Bei Paypal-Spenden unterhalb von zwei Euro legen wir „gesetzlich“ drauf.