Kandel/Landau/Ludwigshafen/Rhein-Neckar/Berlin, 30. Dezember 2017. (red/pro) Die Tötung einer 15-Jährigen in einem Drogeriemarkt in Kandel am 27. Dezember 2017 ist ein „Einzelfall“. So wie alle Totschläge und Morde einzelne Fälle sind. Wie schon der Mordfall Freiburg entwickelt sich das Tötungsdelikt von Kandel zum Politikum. Es gibt Hinweise, dass „Abdul Mobin D.“ eben kein 15-jähriger Flüchtling ist. Wie alt der Tatverdächtige tatsächlich ist, ob dieser Name sein richtiger Name ist und ob er eine kriminelle Vergangenheit hat, weiß aktuell niemand. Die zuständigen Ermittlungsbehörden gehen in Deckung und wollen die Medien gleichschalten.
Von Hardy Prothmann
Die Staatsanwaltschaft Landau ermittelt nach wie vor ausschließlich wegen des Verdachts des Totschlags gegen einen angeblich erst 15 Jahre alten Afghanen. Im Fall eines 42-jährigen Afghanen, der am 14. Dezember seine Ehefrau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll, wird hingegen wegen versuchten Mordes ermittelt.
Kein behördlicher Zweifel am Alter
Auf meine Nachfrage auf der Pressekonferenz am Donnerstag an die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig, ob man Zweifel am Alter des Tatverdächtigen habe, sagte diese:
Derzeit gehen wir davon aus, dass es sich um einen Jugendlichen handelt und haben keine Anhaltspunkte, dass es sich nicht um einen Jugendlichen handelt. Nichtsdestotrotz werden aber auch insoweit Ermittlungen getätigt werden.
Die Behörden teilten am Donnerstagnachmittag mit:
Zusätzliche Informationen zum Tatverdächtigen: Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich nach derzeitigen Erkenntnissen um einen 15-jährigen ledigen afghanischen Asylsuchenden. Er reiste im April 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und war zuletzt in Neustadt/Weinstraße in einer betreuten Wohngruppe wohnhaft.
Nur einen Tag später veröffentlicht die „Bild“ ein Foto des mutmaßlichen Täters, die einen erheblichen Zweifel an dessen angeblichem Alter aufkommen lassen. Das Foto zeigt definitiv keinen 15-Jährigen, sondern eine deutlich ältere Person, die laut Bild „Abdul Mobin D.“ heißen soll. Die Bild zitiert zudem den Vater des getöteten Mädchens (laut Bild „Mia V.“, der ebenfalls Zweifel am Alter äußert. Natürlich muss man „Informationen“ dieses Boulevardblatts immer höchst skeptisch umgehen.
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Skepsis ist mittlerweile auch gegenüber den Behörden angebracht. Das Alter wird bislang in keiner Aussage tatsächlich in Zweifel gezogen. Man hätte jederzeit „angeblich“ oder „mutmaßlich“ zum Alter angeben können, diese zweifelnde Einordnung fehlt aber bislang. Damit ergeben sich Zweifel am Aufklärungsinteresse der Behörden.
In einer Mitteilung des Landratsamts Germersheim heißt es:
Die Altersfeststellung des 15-jährigen erfolgte im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch das Jugendamt Frankfurt am 2. Mai 2016. Sowohl die Inaugenscheinnahme als auch das ärztliche Erstscreening sind dokumentiert. Im Rahmen der Einrichtung der Amtsvormundschaft fand durch den Familienrichter eine weitere Inaugenscheinnahme statt. Das Alter wurde dort nicht in Frage gestellt, wobei eine Varianz von +/- 1 Jahr möglich ist. Eine Volljährigkeit wird derzeit von allen Beteiligten ausgeschlossen.
Parallele zur Freiburg?
Im Freiburger Mordfall Maria L. berichtet der Südkurier zum Alter des Angeklagten Hussein K.:
Mehrere Mitarbeiter der Jugendämter der Stadt Freiburg und des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald hatten nach eigenen Angaben keinen Zweifel, dass der wegen Mordes an der 19-jährigen Studentin Maria L. angeklagte und geständige junge Afghane Hussein K. minderjährig war, als er in ihre Obhut kam. Deshalb habe es auch kein Verfahren zur Altersbestimmung gegeben, bevor er den Mord verübte. Das sagten zwei Mitarbeiter der Jugendämter beim gestrigen Prozesstag im Freiburger Landgericht aus.
Mittlerweile bestehen nach umfangreichen Ermittlungen und forensischen Gutachter kaum noch Zweifel, dass der Angeklagte Hussein K. mindestens zwischen 22 bis 26 Jahre alt ist. Dieser gelangte Anfang November 2015 über die Balkanroute und die offenen Grenzen nach Deutschland.
Nach den Behördenangaben im aktuellen Tötungsfall von Kandel wäre der Tatverdächtige bei seiner Registrierung in Frankfurt mindestens 14 Jahre alt gewesen, möglicherweise auch erst 13 Jahre alt. Woher wissen die Behörden, dass der Tatverdächtige im April 2016 eingereist ist? Klar scheint nur, dass es im April 2016 den ersten behördlichen Kontakt gab.
Nach Schließung der Balkanroute nach Deutschland eingereist?
Wie lange sich die Person bereits zuvor in Deutschland aufgehalten haben könnte, ist unklar. Klar ist jedoch, dass im März 2016 die „Balkanroute“ geschlossen worden war, was zu einer drastischen Reduzierung der Flüchtlingszahlen geführt hatte. Sollte es einem 13-14 Jahre alten, allein reisenden Jungen gelungen sein, trotzdem nach Deutschland zu gelangen? Oder war er schon vorher in Deutschland angekommen?
Oder lebte er bereits seit längerem möglicherweise in Griechenland oder Italien, wie beispielsweise der angeklagte Hussein K.? Dieser war in Griechenland wegen Raubs und versuchtem Totschlag bereits zu zehn Jahren Haft verurteilt worden und kam wegen eines Amnestiegesetzes früher frei. Weil er gegen die Meldeauflagen verstieß, wurde er zur Fahndung ausgeschrieben – allerdings nur in Griechenland, nicht europaweit.
Behördendesaster
Im Mordfall von Freiburg kam das komplette Desaster europaweiter behördlicher Fehlleistungen ans Licht. Weder über die Europäische Fingerabdruckdatenbank EURODAC noch über das Schengener Informationssystem (SIS) noch über das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) konnte herausgefunden werden, dass Hussein K. eine hochgefährliche, gewalttätige, kriminelle Person ist. Ganz im Gegenteil war man bemüht, ihn als freundlichen jungen Mann darzustellen. Weiter kam heraus, dass er überhaupt nicht hätte in der Pflegefamilie leben dürfen – auch hier ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen den privaten Träger einer Jugendfürsorge.
Die Reaktionen auf das Tötungsdelikt von Kandel gleichen denen in Freiburg: Politiker und Bürgermeister warnen vor pauschalen Verurteilungen und Volksverhetzung. Man betont das Vertrauen in die behördlichen Ermittlungen. Und dass, obwohl eindeutig feststeht, dass es hier erhebliche Mängel gibt. Zum einen gesetzliche, zum anderen verfahrenstechnische.
Erhebliche Zweifel am Alter von UMAs
Dabei sind erhebliche Zweifel am Alter von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen angebracht. Am 23. November berichtet „Die Welt“:
Rund 43 Prozent der Flüchtlinge, die in Deutschland als unbegleitete Minderjährige betreut werden, sind offiziell älter als 18 Jahre. «Die Welt» beruft sich auf Angaben aus dem Bundesfamilienministerium. Demnach waren Anfang November von den knapp 55 900 Migranten in jugendhilferechtlicher Zuständigkeit fast 24 200 sogenannte junge Volljährige. Betreuer schätzten, dass auch unter den als minderjährig eingestuften Flüchtlingen viele volljährig sein dürften.
Versuch der Gleichschaltung von Medien
Unterdessen zeigen sich die Staatsanwaltschaft Landau und das Polizeipräsidium Rheinpfalz bereits am Freitag überfordert:
Im Hinblick auf die Vielzahl sowie die teilweise sehr detaillierten Anfragen und das breite Interesse der Medien an dem Verfahren bitten Staatsanwaltschaft und Polizei um Verständnis, dass aus Gründen der Gleichbehandlung die Medien auch weiterhin einheitlich informiert werden.
Das ist eine äußerst kuriose Interpretation des Landespressegesetzes. Die Behörden sind zur Gleichbehandlung verpflichtet. Übersetzt: Wenn Redaktionen verlangen, über Mitteilungen einer Behörde in Kenntnis gesetzt zu werden, muss die Behörde alle Medien, die das wünschen, informieren. Heutzutage geschieht das über email-Presseverteiler oder Meldungen über Presseportale sowie die eigenen Internetseiten der Behörden.
Die Behörden sind aber zudem zur Auskunft verpflichtet, wenn Journalisten gezielt anfragen. Auskünfte können nicht grundsätzlich, sondern nur unter engen Bedingungen verweigert werden. Eine „einheitliche Information“ ohne individuelle Recherchemöglichkeiten erinnert an Zeiten des Volksempfängers: Der Staat legt fest, wann das Volk über was informiert wird. Eine grundsätzlich nur „einheitliche Information“ bedeutet eine Gleichschaltung der Medien wie man sie nur aus Diktaturen kennt.
Landespolitik gefragt
Sollte die Staatsanwaltschaft Landau aufgrund der Medienanfragen überfordert sein, dann könnte Justizminister Herbert Mertin umgehend Unterstützung anordnen. Möglicherweise ist das aber genau nicht gewollt. Die pauschale Zurückweisung von Medienanfragen infolge einer Überlastung, zeigt zweierlei: Erstens eine fehlende Professionalität und zweitens eine behördliche Verachtung der Pressefreiheit sowie der Meinungsfreiheit. Dieser Kritik müssen sich die Behörden bereits wenige Tage nach dem Tötungsdelikt stellen.
Zügige Ermittlungen notwendig
Der Leiter der Ermittlungsgruppe, Dieter Lippold, wies in der Pressekonferenz absolut berechtigt darauf hin, dass zu viele öffentliche Details möglicherweise Zeugenaussagen beeinflussen. Diese Einschätzung ist korrekt. Deshalb kommt es darauf an, so schnell wie möglich alle wesentlichen Zeugen zu vernehmen. In Summe sind das die unmittelbar anwesenden Zeugen in einer Zahl von 15-20 Personen, die sich im Drogeriemarkt zur Tatzeit aufgehalten haben sollen. Davon wiederum sind vermutlich nur wenige unmittelbare Zeugen der konkreten Tat.
Wichtige Zeugen sind weiterhin die Eltern und das Umfeld des getöteten Mädchens zur „Vorgeschichte“ der Tat, ebenso die drei Mitbewohner des Tatverdächtigen in der betreuten Wohngemeinschaft in Neustadt an der Weinstraße. Hinzu kommen die betreuenden Personen der beteiligten Behörden.
Diese Ermittlungen müssen sehr zügig erfolgen, ganz unabhängig davon, ob es eine umfassende Berichterstattung durch Medien gibt – allein die Vernetzung vieler Menschen über soziale Netzwerke könnte eine viel stärkere Beeinflussung bedeuten. Hier interagieren aber unprofessionelle „Multiplikatoren“, nämlich Privatpersonen, die Informationen eben nicht mit professionellen Methoden prüfen und dazu häufig emotional belastet sind. Die Behörden müssten also ganz im Gegenteil ein erhebliches Interesse haben, über seriöse Berichterstattung relevante und verlässliche Informationen breit gestreut zu wissen, statt Gerüchten über soziale Netzwerke und Chat-Programme.
Altersfeststellung muss angeordnet werden
Angesichts des Mordfalls Freiburg ist es aus unserer Sicht absolut unerlässlich, dass umgehend eine wissenschaftliche Altersfeststellung des Tatverdächtigen erfolgen muss. Ebenso eine umfassende Ermittlung, ob der Tatverdächtige sich bereits in anderen Ländern aufgehalten und hier möglicherweise bereits Straftaten verübt hat.
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Auf der politischen Ebene müssen umgehend Maßnahmen getroffen werden, um ermittlungsrelevante Verfahren wie den innereuropäischen Datenabgleich endlich funktionsfähig zu machen. Und weiter ist dringend zu verlangen, dass bei allen unbegleiteten, minderjährigen Ausländern eine Altersbestimmung durchgeführt wird, bei denen Zweifel an der Altersangabe bestehen. Sollten die Informationen von „Die Welt“ zutreffen, gibt der Staat jährlich rund 1,3 Milliarden Euro aus (43 Prozent von rund 3 Milliarden Euro Kosten für die Betreuung von UMAs), um volljährige Personen nach der Jugendhilfe zu betreuen.
Europäischer Datenaustausch muss funktionieren
Weiter müssen diese Personen dringend auf mögliche kriminelle Vergangenheiten untersucht werden. Denn die Einstufung als UMA ist die perfekte Lösung, um kriminelle Vergangenheiten zu verschleiern. Durch die besondere Schutzwürdigkeit von Minderjährigen fallen diese aus dem Ermittlungsraster der Behörden oft raus. Nach unseren Informationen hat einer der sogar als nicht strafmündig geltenden UMA, weil unter 14 Jahre alt, der durch erhebliche Kriminalität aufgefallen ist, mehrere Aliasnamen, unter denen er sich den Behörden vorstellt.
Der Mörder Anis Amri (Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz) konnte sich ungehindert in Deutschland bewegen. In Italien war er 2011 fälschlicherweise als 17-jähriger UMA registriert worden. Tatsächlich war er bereits 19 Jahre alt. Der im Mordfall Freiburg angeklagte Hussein K. soll bereits im Alter von 14 Jahren in Afghanistan eine 12-Jährige vergewaltigt haben. Sollte er tatsächlich 25-26 Jahre alt sein, wäre er bei dem Raubüberfall 2013 in Griechenland auf eine Studentin bereits 21-22 Jahre alt gewesen. Er hatte die junge Frau über ein Geländer eine Klippe hinunter gestoßen – sie überlebte den Sturz über zehn Meter schwer verletzt. Der als UMA registrierte Hussein K. wurde nach Jugendrecht zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt, nur eineinhalb Jahre später kam er wegen eines Amnesiegesetzes wieder frei und schlug sich nach Deutschland durch. Ein Jahr später ermordete er Maria L..
Welche Überraschungen im Fall von „Abdul Mobin D.“ noch ans Tageslicht kommen, ist offen.
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