Rhein-Neckar/Karlsruhe, 14. Januar 2017. (red/pro) Bereits 2003 scheiterte ein NPD-Verbotsverfahren schon im Vorfeld, weil nicht zu unterscheiden war, was NPD und was Verfassungsschutz innerhalb der Partei waren. 2013 strengte der Bundesrat ein erneutes Parteiverbot an – der damalige Bundesratspräsident: Winfried Kretschmann. Am kommenden Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung mitteilen. Und dieser Tag wird ein Paukenschlag sein. Denn das Verbotsverfahren wird, egal wie es ausgeht, Schaden erzeugen. Was niemand auf dem Schirm hat – die AfD wird davon profitieren.
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Von Hardy Prothmann
Was hat ein Weinheimer Oberbürgermeister mit dem Bundesrat zu tun? Auf den ersten Blick nichts – am Dienstag wird man schlauer sein und wissen, ob sich der Bundesrat ebenso eine Klatsche abgeholt hat, wie Heiner Bernhard (SPD) bereits 2015.
Der hatte 2014 erfolglos versucht, der NPD die Stadthalle für deren Bundesparteitag 2014 vorzuenthalten. Er trickste und täuschte und letztlich kassierte der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg nach einer Verfassungsbeschwerde der NPD Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Die NPD jubelte und führte ihren Bundesparteitag durch.

Linksextreme greifen anlässlich des NPD-Bundesparteitags 2015 in Weinheim die Polizei an. Quelle: Polizei
Chaostage und Fake News
Was dann folgte, war eines der übelsten Wochenende der Nachkriegsgeschichte in Weinheim. Ein Jahr später – die NPD veranstaltete zum dritten Mal hintereinander ihren Bundesparteitag in der großen Kreisstadt, griff eine wohl organisierte und koordinierte Horde aus mehreren hundert gewaltbereiten Antifa-Aktivisten die Polizei an. Straßenzüge waren von Rauchbomben vernebelt, die Polizei war mit weit über 1.000 Beamten im Einsatz, es flogen Steine, 17 Beamte wurden verletzt – 1,4 Millionen Euro kostete der Polizeieinsatz. Weinheim erlebte einen Chaostag.
Im Anschluss verbreiteten angebliche „Journalisten“, es habe „massive Polizeigewalt“ gegeben. Ein geschnittenes und von Russia Today (RT Deutsch) in Umlauf gebrachtes Video sollte das belegen. Es war eine „Fake“ – vielfach weiterverbreitet durch regionale Medien hier vor Ort und auch Politiker zeigten sich „besorgt“. Die Polizei dokumentierte in ihrer Not mit eigenen Video-Aufnahmen die massive Gewaltbereitschaft der Gegendemonstranten. Politiker machten große Augen, murmelten was vor sich hin und die Medien berichteten eher kleinlaut, wie die Lage wirklich war.
Bedrohung der Presse durch Linksextreme

NPD-Anwalt Peter Richter – er vertritt die rechtsextreme Partei. Wird die NPD nicht verboten, kann er den Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht für sich reklamieren.
Ich wurde vor Ort als Reporter von „linken“ Demonstranten bedroht, die Polizei hatte ein Auge darauf und es gab mehrere eindeutige Gefährderansprachen. Später wurde ich auf der linken Hetzplattform indymedia als „vogelfrei“ erklärt. Die Botschaft ist ein klarer Gewaltaufruf gegen meine Person – von angeblichen „Antifaschisten“.
In Weinheim streuten interessierte Kreise, ich sei ein „Steigbügelhalter der NPD“. Warum? Weil ich durch investigative Recherche aufgedeckt hatte, dass die Stadtverwaltung Gerichte belogen hat. Merke: Rechtsbruch von links geht in Ordnung. Wer Rechtsstaatlichkeit einfordert, ist ein Faschist. Ziemlich irre? Weinheimer Realität.
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Einer der großen Wortführer des NPD-Verbotsverfahrens ist der grüne Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl. Rechts- und innenpolitischer Sprecher der Landesgrünen. Sein Wahlkreis: Weinheim. 2016 hat er sogar das Direktmandat geholt. Dort sitzt er auch im Gemeinderat. Irgendwelche Reaktionen auf die Bedrohung und Verunglimpfung meiner Person und die Angriffe gegen die Pressefreiheit? Keine.
Ende 2013 reichte der Bundesrat unter dessen damaligen Präsidenten, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), den Antrag für ein NPD-Verbotsverfahren ein. Bundesregierung und Bundestag schlossen sich dem nicht an. Aus Sorge vor einem Schaden – und dieser wird entstehen.

Das NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe hat für ein enormes Medieninteresse gesorgt.
Egal, wie es ausgeht, der Schaden wird enorm sein
Nach unserer Auffassung wird es nicht zum einem Verbot der rechtsextremen NPD kommen. Denn fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen reichen alleine nicht aus, um eine Partei zu verbieten. Für ein Verbot braucht es eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegen die freiheitliche Grundordnung“ und eine unmittelbare Gefahr für den Staat – die geht von einer Partei mit gerade mal etwas mehr als 5.000 Mitgliedern nicht aus. Die NPD ist eine Kleinstpartei von Rechtsextremen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Menschen mit extremen Einstellungen gegenüber Fremden, Juden, Schwulen, Moslems, Russen, Amerikaner und so weiter gibt es auch in den „demokratischen“ Parteien.
Und viel wichtiger: Die Freiheit der Meinung ist nicht zu verbieten. Wenn dies begonnen würde, wäre jede Meinung in Gefahr. Missbraucht jemand die Meinungsfreiheit zur Volksverhetzung, ist der Rechtsstaat stark genug, dies zu verfolgen. Ebenso, wenn zu Straftaten aufgerufen wird oder diese durchgeführt werden. Eine Ideologie kann man nicht verbieten. Im Grunde muss das Bundesverfassungsgericht der NPD nachweisen, dass es sich um eine politisch-kriminelle Vereinigung handelt, von der schwere staatsgefährdende Straftaten ausgehen oder zu erwarten sind. Straftäter gibt es – aber staatsgefährdend?
Wenn das Bundesverfassungsgericht also zum Urteil gekommen ist (es entscheidet übrigens nicht am Dienstag, wie viele Medien berichten, am Dienstag wird die längst getroffene Entscheidung bekannt gegeben), dass die NPD nicht verboten wird, wird diese jubeln – ähnlich wie in Weinheim, als das baden-württembergische Verfassungsgericht die Weinheimer Stadtverwaltung in den Senkel gestellt hat. Wenn das Verfahren also scheitert, gewinnt die NPD und der Bundesrat hat sich blamiert. (Hier finden Sie chronologisch die Abfolge von der Klage bis heute.)
Verbietet das Bundesverfassungsgericht die Partei, zieht die NPD weiter vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sofern dieser gegen ein Verbot entscheidet, wäre sogar das Bundesverfassungsgericht beschämt. Und diese Befürchtung wird von vielen kundigen Juristen und Staatsrechtlern geteilt.
Wer nichts gewinnen kann, kann nur verlieren

Kämpfte nach seiner Niederlage vor dem Staatsgerichtshof mit den Tränen, der Weinheimer OB Heiner Bernhard (SPD).
Angenommen, die NPD scheitert und wird tatsächlich verboten. Was wäre gewonnen? Wäre damit der Rechtsextremismus besiegt? Wären damit Fremdenfeindlichkeit und Verfassungsfeindlichkeit beendet? Tabula rasa in den Köpfen?
Die klageführenden Länder würden sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich loben, dass sie eine Kleinstpartei nicht durch politischen Diskurs und Überzeugung der Menschen verhindert hätten, sondern durch ein politisches Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Dass es längst extremere Parteien wie „Der III. Weg“ gibt – übrigens in Heidelberg entstanden -, die so genannten „Reichsbürger“ ein immer größeres Problem darstellen und „identitäre Bewegungen“ mit teils krass verfassungsfeindlichen Einstellungen immer mehr Zulauf erhalten, wird dabei geflissentlich übersehen werden.
Nicht nur die NPD – alle diese rechtsextremen Gruppen würden durch ein staatliches Verbot zu Märtyrern werden. Zu „Klassenkämpfern“ gegen ein System, das sie vernichten will und damit steigt das Bedürfnis, dieses System zu vernichten. Befördert durch Politiker, die nicht in der Lage sind, Folgenabwägungen zu treffen.
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„Ja, aber“, sagen Sie nun. Nichts, ja aber. Ohne ein Parteiverbotsverfahren wäre die NPD das, was sie ist. Ein Kleinst-Haufen von Rechtsextremen. Das alltägliche Symbol, dass es dieser Partei bis auf kleine Erfolge nie gelungen ist, auch nur ansatzweise eine politische Kraft zu werden. Eine bestehende NPD ist der beste Beweis, dass deren politische Ideen eben kein Konsens sind, die Deutschen diese Partei eben nicht wollen – bis auf ein paar Ausnahmen. Gegen eine rechtsextreme Partei kann man demonstrieren. Über eine solche Organisation kann man berichten und damit den Diskurs anregen – gegen wen wird demonstriert, wenn die NPD „weg“ ist? Wie führt man Debatten um nebulöse „Strömungen“ wie die identitären Bewegungen, die man nicht verorten kann?
Reine Symbolpolitik, von der die AfD profitiert
Das NPD-Verbotsverfahren ist also zum einen reine Symbolpolitik – aber eine, die täuscht und deshalb ist diese Politik gefährlicher als die NPD. Sie täuscht darüber hinweg, dass – durch wissenschaftliche Forschungen belegt – es eine strukturelle Fremdenfeindlichkeit durch alle Schichten der Gesellschaft gibt. Die liegt zwischen 20 und 30 Prozent und dürfte sich durch die Folgen der Flüchtlingskrise noch steigern – auch in etablierten Parteien. Ausreichende Hinweise darauf gibt es schon lange.
Interessant ist, dass die AfD im selben Jahr entstanden ist, in dem das NPD-Verbotsverfahren angestrengt worden ist. Dies war Zufall und für 2013 ohne jeden Zusammenhang.
Vorwürfe, die AfD sei so eine Art NPD-Nachfolgeorganisation, sind dumm – denn die NPD ist eine Kleinstpartei. Vorwürfe, die AfD wolle mit der NPD zusammenarbeiten, sind ebenso dumm – wer keinen politischen Selbstmord begehen will, hält sich von der NPD und von Antisemiten fern. Abgesehen davon gibt es zwar ein paar kluge Köpfe dort – wie den „Chefjuristen“ Peter Richter, der überwiegenden Teil darf aber durchaus als Hohlköpfe bezeichnet werden. Was wollte man mit denen in der AfD?

AfD-Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Jörg Meuthen bei einer Veranstaltung in Mannheim. „Heimat“, „Einwanderung“, „Regeln“ – wem die NPD zu extrem und die „etablierten“ Parteien zu einheitlich sind, wird bei der AfD fündig.
Der Effekt, der durch die Vergleiche und Vorwürfe entstanden ist, ist ein anderer: Mit der AfD gibt es mit einem Mal eine Partei, die wählbar ist, weil eben nicht NPD. Wählbar durch Menschen mit fremdenfeindlichen Einstellungen. Von Menschen, die nicht mehr gewählt haben. Von „einfachen“ Bürgern, aber auch von Mittelstand und Eliten. Eben von allen, die mit den etablierten Parteien unzufrieden sind – aber nie NPD gewählt hätten. Denen politische Korrektheit zum Himmel stinkt, die aus welchem Grund auch immer „einen Hals“ auf das politische System haben.
Gleichzeitig gibt es linke Straßenschlachten wie in Frankfurt gegen die EZB. Parteiveranstaltungen der AfD müssen durch die Polizei geschützt werden. Es gibt die Silvesternacht 2015/2016 in Köln. Von überall her prasseln negative Nachrichten auf die Menschen ein – über eine zunehmende Kriminalität, über einen zunehmend unsicher werdenden öffentlichen Raum. Über Behörden, die massivste Fehler gemacht haben – im Zusammenhang mit dem Terroristen Anis Amri. Nichts davon hätte die NPD nutzen können – doch die soll verboten werden.
Folgen Straßenschlachten?
Wird sie nicht verboten und gelingt es ihr, dies durch öffentliche Aufzüge „zu feiern“, wird die Gegenreaktion durch Linksextreme nicht ausbleiben. Kommt es zur Schlacht, werden sich Bürger enttäuscht von den etablierten Parteien weiter umsehen und nicht die NPD, sondernd die AfD finden. Damit sind aber keine „NPD-Wähler“ zur AfD gewechselt, sondern die AfD holt sich aus den etablierten Parteien Wähler, die sich dort nicht mehr wohl fühlen und hebt zusätzliche Wähler.
Auch so gesehen ist es vollständig egal, ob die NPD verboten wird oder nicht – die AfD wird davon profitieren. Und je härter NPD-Vorwürfe gegen die AfD werden, umso mehr Menschen werden sich interessieren und umso mehr werden sich von den etablierten Parteien nicht verstanden fühlen, weil sie nie NPD gewählt haben, jetzt aber durchaus nachdenken, ob die AfD „eine Alternative“ ist – zu den etablierten Parteien.

Wie werden Treiber des NPD-Verbotsverfahrens wie hier im Bild Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) reagieren, wenn das Bundesverfassungsgericht die NPD nicht verbietet?
Ach ja – wie werden die etablierten Parteien reagieren, wenn die NPD nicht verboten wird? Akzeptieren sie das Urteil und erkennen an, dass die NPD nicht extrem genug für ein Verbot ist, also quasi zwar „schlimm“, aber doch im demokratischen Gefüge erlaubt? Wohl kaum. Wie wird man also reagieren? Mit „Unverständnis“. Was ist die Folge daraus? Der Bürger lernt, dass weite Teile der politischen Elite sich von obersten deutschen Gericht abwendet und eine Entscheidung ablehnt – also quasi die Rechtsstaatlichkeit in Frage stellt.
Das NPD-Verbotsverfahren ist ein Polylemma
Tatsächlich ist das NPD-Verbotsverfahren kein Dilemma, es gibt also nicht nur zwei Fälle, von denen einer auf jeden Fall einen Schaden darstellt. Es ist ein Polylemma – und der Schaden für die Demokratie insgesamt ist umfangreich.
Raten Sie mal, wer davon profitiert? Selbstverständlich die AfD – die muss nur von außen zuschauen und kann – wie auch immer es ausgeht – zu eigenen Gunsten reagieren.
Sie können unsere sehr umfangreiche Berichterstattung zu den NPD-Bundesparteitagen und dem Verbotsverfahren in Karlsruhe hier nachlesen: NPD-Verbotsverfahren
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