Rhein-Neckar/Dresden, 20. Mai 2016. (red/ms) Die Süddeutsche Zeitung (SZ) titelt „Richter mit AfD-Parteibuch hilft der NPD“ und Zeit Online berichtet von einem Fall, der „alle Züge eines Justizskandals“ trage. Auf Antrag von NPD-Anwalt Peter Richter hat das Landgericht Dresden eine Einstweilige Verfügung gegen Aussagen des Politikwissenschaftlers Steffen Kailitz erlassen. Nach Einschätzung der Redaktion ist am juristischen Vorgang bislang fachlich nichts auszusetzen – wohl aber an der Berichterstattung verschiedener Medien.
Von Minh Schredle
Am 05. Mai erscheint ein Gastbeitrag auf Zeit Online, der bereits am 21. April in der Ausgabe 18/2016 in der gedruckten Die Zeit veröffentlicht worden war. Der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz fordert in diesem Artikel, dass die NPD verboten werden müsse.

Das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sorgte für eine enorme mediale Aufmerksamkeit.
Diese Position hatte Herr Kailitz bereits Anfang März in der mündlichen Verhandlung im Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen, wo er als sachkundiger Dritter angehört worden ist. Herr Kailitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universtität Dresden.
Umstrittene Beweislage
Im besagten Gastbeitrag unter dem Titel „NPD-Verbot – Ausgrenzen, bitte“ schreibt Herr Kailitz, die NPD plane „unmissverständlich“
rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie will acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund.
Die Redaktion Rheinneckarblog distanziert sich ausdrücklich davon, eine eigenständige inhaltliche Beurteilung des Wahrheitsgehalts der zitierten Aussagen von Herrn Kailitz vorzunehmen, sondern führt diese ausschließlich zu dokumentarischen Zwecken an, da die Kenntnis derselben für das weitere Verständnis des Sachverhalts notwendig ist.

NPD-Anwalt Peter Richter hat eine Einstweilige Verfügung gegen eine Aussage des Politikwissenschaftlers Steffen Kailitz beantragt, der zunächst stattgegeben worden ist.
Mit einer Einstweiligen Verfügung vom 10. Mai hat das Landgericht Dresden die oben zitierten Behauptungen Herrn Kailitz‘ auf Antrag der NPD verboten.
Herr Kailitz beruft sich auf eine „Meinungsäußerung“ – die Gegenseite sagt, insbesondere durch das Wort „unmissverständlich“ sei es eine Tatsachenbehauptung und diese sei unwahr und selbst wenn es eine Meinungsäußerung sei, sei diese diffamierend, weil die Partei als „Verbrecher“ dargestellt werde.
Die Argumentation des NPD-Anwalts: Etwas, das „unmissverständlich“ ist, sei dem Meinungsraum entzogen, denn man kann es nur auf eine Art und Weise verstehen. Weiter argumentiert Herr Richter:
Man mag über die Programmatik der Antragstellerin (Anm. d. Red.: NPD) unterschiedliche Auffassungen vertreten, man sie für „unsäglich“ und „unerträglich“ halten, man mag auch darüber streiten, ob die Programmatik verfassungswidrig ist oder nicht, aber mit dem ohne jeglichen tatsächlichen Ansatzpunkt und in völlig unsubstantiierter Art und Weise öffentlich in den Raum gestellten Vorwurf der Planung von Staatsverbrechen in Gestalt von Massenvertreibungen – ein Vorwurf, welcher nicht einmal von den staatlichen Verfassungsschutzbehörden erhoben wird – überschreitet der Antragsgegner eindeutig den Rahmen des meinungsrechtlich Zulässigen. Offensichtlich geht es ihm nicht um eine argumentative Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein um die öffentliche Diffamierung der Antragstellerin.
Wer hat keinen Mut zur Wahrheit?
Am 18. Mai erscheint auf Zeit Online der Beitrag „Keinen Mut zur Wahrheit“ von Heinrich Wefing. Darin beschreibt der Autor, kurz nach dem Erscheinen des Gastbeitrags von Herrn Kailitz – also um den 05. oder 06. Mai – habe sich NPD-Anwalt Peter Richter bei der Zeit gemeldet und verlangt, dass die oben zitierte Passage nicht weiter verbreitet werde, da sie „eine nachweislich unwahre Tatsachenbehauptung“ enthalte. Herr Wefing schreibt dazu:
Sowohl die ZEIT als auch Steffen Kailitz sahen keinen Anlass, die verlangte Unterlassungserklärung abzugeben.
Daraufhin hat die NPD mit Antragsschreiben vom 09. Mai beim Landgericht Dresden eine Einstweilige Verfügung gegen die oben zitierten Aussage von Herrn Kailitz gefordert. Gegen die Zeit, beziehungsweise Zeit Online, hat der NPD-Anwalt Peter Richter noch keine Einstweilige Verfügung beantragt, wie er auf unsere Nachfrage erklärt:
Wir gehen jetzt erstmal gegen den Urheber vor, danach gegen die Verbreiter, die sich das zu eigen gemacht haben.
Das Dresdner Landgericht gibt dem Antrag auf Einstweilige Verfügung statt. Was jetzt folgt, ist erstaunlich.
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Der herbeigeschriebene „Justizskandal“
Nach Darstellung von Zeit online, SZ und anderer Medien, die über den Vorgang berichten, sei das ein „Justizskandal“. Erstens sei die Entscheidung gegen die geltende Zivilprozessordnung ergangen und zweitens handele es sich bei dem zuständigen Richter Jens Maier um ein AfD-Mitglied.
Heribert Prantl, selbst Jurist, früherer Richter und Staatsanwalt, Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der SZ und ein Journalist, den ich sehr geschätzt und eigentlich gerne empfohlen habe, titelt mit:
Richter mit AfD-Parteibuch hilft der NPD
Der NPD sei es „mit Hilfe eines Einzelrichters am Landgericht Dresden gelungen, einem NPD-kritischen Wissenschaftler den Mund zu verbieten“, lautet der erste Satz. Weiter schreibt Herr Prantl:
Im Falle der Zuwiderhandlung droht der Richter dem Politologen „Ordnungsgeld bis zu 250 000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten“ an, „oder sofortige Ordnungshaft, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren“.
Das klingt brutal hart – worüber Herr Prantl die Leser der SZ nicht aufklärt: Das ist die Standardformel, die bei jeder Einstweiligen Verfügung oder Urteilen in „Äußerungssachen“ angewendet wird. Sozusagen „business as usual“ – nichts Außergewöhnliches.*
Zutreffend ist, dass eine Einstweilige Verfügung auf Antrag der NPD ausgesprochen wurde, die sich durch eine Aussage in ihren Rechten verletzt sieht. Zutreffend ist ebenfalls, dass Jens Maier AfD-Mitglied ist. Herr Prantl unterstellt einen Zusammenhang – denn Herr Kailitz habe sich in jüngerer Vergangenheit negativ über die parlamentarische Arbeit der AfD im sächsischen Landtag geäußert. Aus Sicht des SZ-Redakteurs ergibt sich so eine Art „Retourkutsche“.

Die Schlagzeile in der Süddeutschen Zeitung suggeriert, dass ein Richter nicht nach Recht und Gesetz eine Anordnung erlassen hat, sondern aus „programmatischer Nähe“ von NPD und AfD. Einen Beweis bleibt Autor Heribert Prantl schuldig.
Was ist nun mehr „empörend“? Dass ein kompetenter Journalist entgegen seiner Kenntnisse einen Skandal herbei schreibt oder dass ein Anwalt für die NPD es wagt, vor einem unabhängigen Gericht Rechtsschutz einzufordern?
Sind Richter mit Parteibuch allgemein verdächtig oder nur die der AfD?
Dass ein Richter Mitglied in einer politischen Partei ist, kann unter Umständen zu Zweifeln an dessen Neutralität führen. Aber nur dann, wenn es dafür konkrete und belegbare Hinweise gibt. Das ist nach Einschätzung der Redaktion aktuell nicht gegeben. Zumindest führt keiner der Medienberichte irgendeinen Beleg an, höchstens selbsterklärte „Indizien“, die offenbar eine Verdachtsberichterstattung rechtfertigen sollen.
Das Landgericht Dresden führt dazu in einer Pressemitteilung transparent aus:
Es trifft zu, dass der Richter, der die Einstweilige Verfügung erlassen hat, Mitglied des Schiedsgerichtes der AFD Sachsen ist. Wenn einer der am Rechtsstreit Beteiligten der Meinung ist, er sei – aus welchem Grund auch immer – gem. § 41 ZPO kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen oder gem. § 42 Abs. 2 ZPO befangen, so kann er einen Ablehnungsantrag stellen, über den dann gem. § 45 ZPO die dafür zuständige Kammer ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheidet. Bisher liegt ein solcher Ablehnungsantrag nicht vor.
Solange die Partei, in der ein Richter Mitglied ist, rechtsstaatlich zugelassen ist, ist eine Mitgliedschaft weder unzulässig noch verwerflich noch ungewöhnlich – im Verbotsverfahren gegen die NPD sind beispielsweise gleich zwei Bundesverfassungsrichter ehemalige Innenminister der CDU.
Man darf gespannt sein, ob der Zeit-Anwalt einen entsprechenden Befangenheitsantrag stellen wird – wollte er einen „Beweis“ für den angeblichen „Justizskandal“, dann müsste er geradezu zwingend diesen Antrag stellen, um die unterstellte Befangenheit feststellen zu lassen. Aber was, wenn dem nicht stattgegeben würde? Was, wenn gerichtlich – wie vor dem Bundesverfassungsgericht im Verfahren gegen die NPD – keine Befangenheit festgestellt würde? Wäre der Anwalt dann der Lächerlichkeit preisgegeben?
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Ebenfalls erstaunlich ist: Viele Medien bezeichnen Herrn Kailitz konsequent als „Sachverständingen“ und Zeit Online lässt den hauseigenen Anwalt behaupten, Herr Kailitz sei in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht als „Gutachter“ aufgetreten. In der SZ wird Herr Kailitz von Heribert Prantl als „vielbeachteter Sachverständiger“ bezeichnet. Das ist nicht völlig falsch – aber unscharf.
Das Gutachten – ein dehnbarer Begriff
Das Bundesverfassungsgericht selbst hat Herrn Kailitz als „sachkundigen Dritten“ angehört – damit steht er formal gesehen auf einer Ebene mit beispielsweise Holger Apfel, einem ehemaligen NPD-Chef, der ebenfalls als „sachkundiger Dritter“ befragt wurde. Keins der Medien käme je auf die Idee, Herrn Apfel als „Sachverständigen“ oder gar als „Gutachter“ zu bezeichnen.
Der Unterschied zwischen einem „Sachverständigen“ oder gar „Gutachter“ und einem „sachkundigen Dritten“ kann enorm sein. Doch das wird unzureichend dargestellt. Herr Prantl bezeichnet den mündlichen Vortrag von Herrn Kailitz gar als „Gutachten“ und meint, dieses „Gutachten“ werde dem Politikwissenschaftler „beiläufig“ verboten – wer unter einem Gutachten etwa eine schriftliche Ausarbeitung auf Anfrage versteht, wird in die Irre geführt.
Ein Satz sind zehn Jahre wissenschaftliche Arbeit?
Es wurde auch nichts „beiläufig“ verboten – sondern auf dem üblichen Weg. Und es wurde nicht das gesamte „Gutachten“ in Gänze der Zensur unterworfen. Sondern eine einzelne Textpassage. Herr Prantl schlussfolgert trotzdessen:
Der Beschluss des Gerichts in Dresden diskreditiert die wissenschaftlichen Tätigkeit des Politologen Kailitz, der seit mehr als zehn Jahren zur NPD forscht.
Zehn Jahre Forschung sollen diskreditiert sein – weil eine einzelne konkrete Behauptung, deren Beweislage offenkundig strittig ist, zwischenzeitlich untersagt worden ist? Ist das Ihr Ernst, Herr Prantl?
„Völlig fehlerhafte“ Darstellung
Einordnende Erläuterungen dieser Art fehlen einem Großteil der Berichterstattung, während gleichzeitig fehlerhafte oder verzerrte Darstellungen präsentiert werden – hier drängt sich geradezu die Frage auf, wie sehr der Vorwurf der „parteilichen Befangenheit“ nicht eher die berichtenden Journalisten trifft als den, gegen den sich der Vorwurf einer durch (partei-)politisch Interessen gefärbten Rechtssprechung gerichtet ist.
Im oben erwähnten Beitrag „Keinen Mut zur Wahrheit“ von Herrn Wefing auf Zeit Online heißt es über die Entscheidungsfindung zur Einstweiligen Verfügung:
Zuständig ist am Landgericht Dresden die Zivilkammer 3. Sie muss, so schreibt es das Gesetz vor, über den Erlass als Kammer entscheiden, also durch drei Richter. Gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Zivilprozessordnung aber entschied die Kammer, die Sache an einen Einzelrichter zu übertragen, und zwar an den Richter am Landgericht Jens Maier. Diese Entscheidung verstößt gegen die Zivilprozessordnung, gegen das Gerichtsverfassungsgesetz und letztlich auch gegen das Grundgesetz.
Das sind, gelinge gesagt, mehr als starke Vorwürfe. Das klingt wie eine fundamentale Rechtsbeugung. Haben etwa Rechtsradikale die deutsche Justiz in Dresden übernommen?
Auf Rückfrage der Redaktion Rheinneckarblog erklärt ein Sprecher des Landgerichts Dresden, dass die oben zitierte Darstellung des Herrn Wefing „völlig fehlerhaft“ sei. In einer Pressemitteilung des Gerichts wird schriftlich ausgeführt:
Die gemäß § 348 Abs.1 Ziffer 2 a ZPO zuständige Zivilkammer hat durch Beschluss vom 10.5.2016 den Rechtsstreit gemäß § 348 a Abs. 1 ZPO auf den nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Dieser ist Richter am Landgericht Jens Maier. Die Übertragung auf einen anderen Richter wäre rechtlich nicht zulässig gewesen.
Könnte es sein, dass Herr Wefing sich gar nicht beim Landgericht nach deren Einschätzung erkundigt hat? Kann es sein, dass er von einem Justizskandal schreibt, ohne die Gegenseite gehört zu haben?
Zeit genug für eine ordentliche Recherche wäre gewesen, denn nach Darstellung des Gerichts hatte der Anwalt des Antragsgegners (Steffen Kailitz) bereits am 13. Mai Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung eingereicht. Das Landgericht Dresden teilt mit:
Das Gericht hat daraufhin durch Verfügung vom 17.5.2016 Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung auf den 10.6.2016 bestimmt.
Davon ist im Bericht von Zeit Online – erschienen am 18. Mai um 16:34 Uhr – keine Rede. Dass die Redaktion nichts von dem Verhandlungstermin gewusst hat, ist zu bezweifeln, wird Herr Kailitz doch durch den Anwalt, Jörg Nabert, vertreten, der auch Anwalt von Die Zeit ist.
Ebendieser Anwalt wird im Beitrag von Zeit Online zitiert und spricht von einem „einmaligen Vorgang“. Es sollte in Betracht gezogen werden, dass auch ein Anwalt unter Umständen Partei für seine Mandanten ergreifen könnte. Man könnte sogar sagen, genau das ist seine Aufgabe – aber können seine Aussagen dann noch als „unabhängig“ angesehen werden? Könnte man gar auf den Gedanken kommen, sie seien möglicherweise „interessengesteuert“?
Vorgang sei „überhaupt nicht ungewöhnlich“
Dass Einstweiligen Verfügungen zunächst stattgegeben wird, ist alles andere als ungewöhnlich – insbesondere dann, wenn eine so genannte „Schutzschrift“ fehlt, was hier der Fall war. Mit einer Schutzschrift kann man „vorbeugend“ einem Gericht seine Sicht der Dinge darlegen und um Berücksichtigung bitten, wenn man mit dem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung rechnet. Auch für die Hinterlegung einer Schutzschrift war vom 21. April bis zum 09. Mai genug Zeit.
Interessant: Obwohl keine Schutzschrift vorlag, kam die Gegenseite dennoch indirekt „zu Wort“, wie der NPD-Anwalt Richter auf unsere Anfrage erklärt:
Wir haben dem Landgericht sowohl den Artikel von Zeit online, unser Abmahnschreiben, die Entgegnung von Herrn Kailitz per email und unser Parteiprogramm vorgelegt. Damit war dem Gericht Haltung und Argumentation der Gegenseite bekannt.
Natürlich ist denkbar, dass Herr Kailitz zudem andere Ausführungen machen kann, die den Sachverhalt in einem grundlegend anderen Licht erscheinen lassen – dazu hat er in der mündlichen Verhandlung am 10. Juni Gelegenheit.
Im Rechtsstaat haben auch „die Bösen“ Rechte
Erscheint ein Antrag auf eine Einstweilige Verfügung (ohne Ansehen der Person/Institution) nach vorläufiger Prüfung grundsätzlich berechtigt, dann ist ein Schutzbedürfnis gegeben, für das der Rechtsstaat – unabhängig von irgendwelchen Sympathien – Sorge tragen muss.
Dabei ist häufig Eile geboten – denn je länger eine möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptung im Umlauf ist, desto höher kann der Schaden, der dadurch entsteht, ausfallen.
Wie ein Sprecher des Landgerichts gegenüber der Redaktion mitteilt, sei es daher „überhaupt nicht unüblich“, dass dem Antrag einer Einstweiligen Verfügung zunächst aus Zeitgründen („Eilbedürftigkeit“) stattgegeben werde, bevor in der Folge eine genauere Prüfung folge.
Bei der Einstweiligen Verfügung vom 10. Mai handelt es sich, anders als viele Medien suggerieren, eben nicht um ein endgültiges Urteil – sondern um eine vorläufige richterliche Anordnung, die durch ein Urteil nach einer mündlichen Verhandlung oder durch eine höhere Gerichtsinstanz wieder aufgehoben werden kann, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch erfolgreich begründen kann.
Selbst die NPD kann sich auf den Rechtsstaat berufen – auch, wenn das nicht gefällt
Im konkreten Fall argumentiert NPD-Anwalt Peter Richter in seiner Antragsschrift unter anderem wie folgt:
Die aufgestellte Tatsachenbehauptung ist unwahr. Der Terminus „Vertreibung“ impliziert eine gewaltsame und rechtsstaatswidrige Verbringung von Menschen gegen ihren Willen aus Deutschland; dergleichen hat die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt gefordert und tut dergleichen auch nicht.
Sofern Herr Kailitz in einer mündlichen Verhandlung oder vor einer höheren Gerichtsinstanz das Gegenteil belegen kann, stehen seine Chancen gut, dass die Verfügung gegen ihn aufgehoben werden wird und er seine Behauptung aufrecht erhalten darf.
Sind er und sein Anwalt dazu nicht in der Lage, dann ist es die Pflicht des Rechtsstaats, die Interessen des Antragstellers zu schützen und zu verhindern, dass unwahre Tatsachenbehauptungen über diesen im Umlauf bleiben. Selbst wenn die NPD Antragstellerin ist. Das nennt sich Rechtsstaat.
Hätte ein Richter mit SPD-Parteibuch anders entschieden?
Gleiches Recht muss für alle gelten – das hat nichts damit zu tun, dass ein „Richter mit AfD-Parteibuch der NPD hilft“. Es handelt sich dabei um eines der grundlegendsten Rechtsprinzipien, die uns alle vor einer willkürlichen Justiz bewahren.
Am bisherigen Vorgang ist aus Sicht der Redaktion nichts Skandalöses auszumachen – außer der unpräzisen und tendenziösen Berichterstattung selbst ernannter „Qualitätsmedien“.
Ganz im Gegenteil erscheinen Deutung wie die eines Herrn Prantl geradzu hochgradig gefährlich, liegt doch die Unterstellung nahe, dass ein unabhängiger Richter nach seinem Parteibuch entscheidet und nicht nach Recht und Gesetz.
Das entstandene Dilemma ist fatal: Wer erfolgreich in die Irre geführt wird, verliert das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Justiz – wer sich mit den Fakten befasst, verliert zunehmend das Vertrauen in „die Medien“.
Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Wenn dem Meinungsmotor die Zylinderkopfdichtung durchbrennt
Halten wir NPD und AfD „den Steigbügel“?
Ganz sicher nicht, auch wenn es Leute gibt, die nicht müde werden, das zu behaupten. Wer unsere Berichterstattung verfolgt, weiß, dass wir die NPD als rechsradikale Partei einstufen und deren Programmatik eindeutig ablehnen. Die AfD ordnen mir mindestens als rechtskonservativ ein und haben zuletzt den Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Jörg Meuthen scharf kritisiert, als er beim Bundesparteitag einen Fahrplan weg vom „links-grün verseuchten 68-er Deutschland“ präsentieren wollte. Wie widerlich.
Geschmack und Sympathien haben aber in der Rechtssprechung nichts verloren.
Wenn im Auftrag „des Guten“ unliebsamen Parteien oder Personen geltendes Recht abgesprochen wird oder Rechtsbeugungen als „zulässig“ hingenommen werden, ist das ein Unding. Wer moralisch überlegen sein will, muss sich vorbildlich an die geltende Ordnung halten. Wer das nicht tut, gibt ein schlechtes Vorbild ab und unterläuft die Rechtsstaatlichkeit zum Schaden aller. Wir halten also dem Rechtsstaat den Steigbügel – und nichts sonst.
Mit dieser Haltung machen wir uns nicht nur Freunde. Ganz im Gegenteil weht uns von Kritik bis offenem Hass oft ein rauer Wind entgegen. Linksradikale Kreise haben schon mehrfach zur Gewalt gegen uns aufgerufen.
Autor Minh Schredle hat übrigens alle drei Tage des NPD-Verbotsverfahrens verfolgt – im aktuellen Text stecken gut 8 Stunden Arbeit.
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* Auch gegen uns ist ein Urteil vom Landgericht Mannheim erlassen worden, das dieselben Strafen vorsieht, sollten wir zwei Sätze wiederholen, die uns seitdem verboten worden sind. Wir haben dagegen Widerspruch eingelegt, der Fall wird vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe neu verhandelt. Das Prozesskostenrisiko für uns liegt bei rund 14.000 Euro.