Rhein-Neckar, 20. Mai 2016. (red/pro) Aktuell rauscht ein angeblicher „Justizskandal“ durch die Medien. Dieser Skandal ist kein Justizskandal, sondern der eines tendenziösen Journalismus, der längst jegliche Bodenhaftung verloren hat. Würde die Justiz so arbeiten wie viele Journalisten das tun, würde längst Willkür herrschen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Ich habe allergrößten Respekt vor Heribert Prantl.
Ich hatte allergrößten Respekt vor Heribert Prantl.
Wie soll ich den Text anfangen? Ich habe und hatte oder ich hatte und habe allergrößten Respekt? Oder keinen mehr? Moment, Respekt, was heißt das? Rückschau.
Wenn ich auf Heribert Prantl und seine journalistische Leistung zurückschaue, dann ist er einer der journalistischen Autoren, die ich seit vielen Jahren sehr häufig und sehr gerne mit Gewinn gelesen habe. Er ist meinungsstark. Sachkompetent. Wortgewandt. Ein Vorbild. Aber leider manchmal auch ein Schaumschläger.
Das wurde spätestens mit seinem „Gonzo“-Stück über eine Reportage aus der Küche des Bundesverfassungsrichters Andreas Vosskuhle deutlich, nach dem man annehmen musste, dass Herr Prantl dem Richter beim Gemüse putzen beiwohnen durfte – der Richter musste anschließend per Pressemitteilung klarstellen, dass er sein Gemüse grundsätzlich nicht in Anwesenheit von Journalisten putzt.
Ich frage mich immer wieder, wieso herausragenden Journalisten solche „Fehler“ passieren. Das sind keine Recherchefehler, die sind menschlich, die passieren. Da steckt etwas anderes dahinter – Hybris oder Größenwahn? Ich weiß es nicht.
-Anzeige- |
Möglicherweise ist es auch mangelnde Kontrolle – gilt man als „groß“, wird man schnell „unantastbar“. Und vielleicht ist das der Systemfehler, der aktuell viele Medien beherrscht. Sie sind groß, sie halten sich für unfehlbar und sie bekommen gar nicht mehr mit, wie sie sich selbst das Grab schaufeln.
Für Journalismus gibt es keine DIN-Normen, keinen TÜV, keine Genehmigung, kein Qualitätssiegel, keine Zulassung. Journalismus darf jeder machen. Würde Journalismus von einer Gewerbeaufsicht kontrolliert werden können, würden sich die Meldungen über „Ekel-Schreibküchen“ und Defizite an allen Ecken überschlagen.
Große Medien testen Hotels, Auto-Werkstätten, Versicherungen, die Politik und machen immer wieder mit absolut richtigen und wichtigen „Mängel“-Meldungen auf. Für eigene Mängel ist die Branche allerdings weitgehend blind.
Seit Monaten berichten die Medien über den „Rechtsruck“ – überall in Europa. Das ist zutreffend beobachtet – doch die eigene Rolle, die eigene Verantwortlichkeit dafür wird nahezu vollständig ausgeblendet.
Die jahrzehntelange Nähe zur Macht, die Bereitschaft für „Empfänglichkeiten“, die „Verabredungen“, die bereitwillige Vereinnahmung hat den blinden Fleck der Selbstbetrachtung zu einem schwarzen Loch gemacht, das jegliche Kritik sofort schluckt. Schuld sind immer die anderen, aber nie der eigene Journalismus. Der ist über jeden Zweifel erhaben – das ist besonders tragisch, ist doch die Kultur des Zweifels eigentlich ein Markenkern des Journalismus.
Versicherungen werden auf Herz und Nieren geprüft. Der kleinste Schreibfehler wird zum „Skandal“ aufgebauscht. Die Suche nach den Fehlern bei anderen erfolgt längst nicht mehr systematisch und korrekt, sondern längst obsessiv, vollständig hysterisch und schrill kreischend.
Das ist kein Wunder, denn der Maschine Journalismus fehlt zunehmend das Öl, das über Jahrzehnte als Schmiermittel höchster Güte zur Verfügung stand: Geld.
Die Maschine Journalismus stottert, weil die Öl-Güte und Menge sinkt. Immer weniger Geld, immer mehr Konkurrenz durch Internetangebote…. Statt besonnen Gas zu geben, lässt man die Motoren bei Vollgas aufheulen und es kommt, wie es kommen muss – sie verrecken.
Heribert Prantl, das muss ich leider feststellen, ist längst kein Vorbild mehr. Sein aktuell von uns in den Fokus genommener Text erscheint wie eine durchgebrannte Zylinderkopfdichtung. Analyse: Motor kaputt.
____________
Lesetipp: Wie „Qualitätsmedien“ die Wirklichkeit bis ins Extreme verzerren
Ein „Justizskandal“ – oder skandalöser Journalismus?
____________
Um einen einwandfreien Meinungsmotor wieder flott zu bekommen, muss man die Konstruktionsbeschreibung zur Hand nehmen, alle Drehmomente einhalten, die geeigneten Betriebsstoffe einfüllen und vor allem an den richtigen Einstellungen arbeiten.
Alle Journalisten arbeiten immer subjektiv – aber es gibt journalistisch-objektives Handwerkszeug und objektive Fakten, nach denen man seine Sicht der Dinge begründet darstellen kann.
Aus einer Parteizugehörigkeit auf eine nicht-korrekte Arbeit eines Richters zu schließen, ohne jeglichen Nachweis, dass seine Entscheidung „parteiisch“ beeinflusst war, ist keine subjektive Darstellung, sondern substanzlose Meinungsmache.
Insbesondere Leitmedien – und das sind die großen Medien noch immer – kommen leider ihrer Verantwortung zunehmend weniger nach, vorbildhaft zu arbeiten. Was bei Autos die manipulierte Abgaswerte sind, ist beim großen Medien die zunehmend tendenziöse Berichterstattung, die die Meinungsumwelt vergiftet und dringend neu eingestellt werden sollte.
Dann habe ich auch gerne wieder höchsten Respekt vor Herrn Prantl, wenn seine Berichterstattung mindestens schadstoffarm läuft.
Fatal ist, dass die im Sinne er vermeintlich höheren Moral geäußerte Meinungsmache letztlich die Zweifel am Rechtsstaat ohne Not nährt und damit allen denen, die diesen Zweifel zu ihrem Programm machen, in die Hände spielen. Diese Erkenntnis ist allerdings in den Köpfen der großen Meinungsmacher noch nicht angekommen.