Rhein-Neckar/Karlsruhe, 02. März 2016. (red/pro) Seit gestern wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der NPD-Verbotsantrag verhandelt. Der grüne Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl hat sich dafür stark gemacht. Im Interview mit dem Rheinneckarblog sieht er ein Verbot aber nur als “ersten Schritt” an, um Rechtsextremismus langfristig zu bekämpfen.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Sckerl, Die NPD spielt mit etwa einem Prozent bei Wahlen politisch betrachtet kaum eine Rolle. Warum schenkt man ihr trotzdem so viel Aufmerksamkeit?
Hans-Ulrich Sckerl: Das Verbotsverfahren geht auf klare Erkenntnisse aller Innenminister zurück. Die NPD verbreitet nicht nur rechtsextreme Inhale, sondern zeigt eine aggressive Haltung gegenüber unserer rechtsstaatlichen Grundordnung. Das kann man nicht ignorieren.
Sie haben sich im Vorfeld des Verfahrens immer wieder für ein NPD-Verbot stark gemacht. Welche Rolle haben Sie dabei genau gespielt?
Sckerl: In der Vorbereitung der Klage keine aktive – das war Sache der Innenminister. Politisch habe ich mich bemüht, den Diskurs zum angestrebten Verbot voranzutreiben, auch, um eine große Geschlossenheit der Verfassungsorgane zu erreichen und eine klare Position zu beziehen. Das Verbot ist für mich ein richtiger Schritt, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Ich bedaure, dass sich die Bundesregierung dem Verbotsantrag nicht aktiv angeschlossen hat.
Mit der Nazi-Keule auf Ängste zu reagieren, ist ein Fehler
Ein Parteienverbot ist ein heikle Angelegenheit – immerhin sollen grundgesetzlich Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Lassen sich rechtsextreme Weltbilder verbieten?
Sckerl: Erstmal nicht. Das Verbot allein wird nicht reichen. Das ist ein erster Schritt. Wir brauchen weiter eine intensive gesellschaftliche Debatte zu unseren Werten. Entscheidende Werte sind Respekt und die Anerkennung von Menschen die anders als die meisten sind. Das erleben wir gerade aktuell in der Flüchtlingsdebatte. Hierdurch hat es eine enorme Polarisierung gegeben.
Ja – und Schuldzuweisungen. Wer sich kritisch äußert, dem wird schnell mit der Nazi-Keule geantwortet.
Sckerl: Das ist ein Fehler. Bürger, die Ängste und Sorgen haben, muss man ernst nehmen und darf sie nicht diffamieren. Man muss das Gespräch suchen und sollte Wege finden, Vorurteile und Ängste abzubauen. Ich habe mich zunächst auch über abwehrende Äußerungen geärgert, habe aber lernen müssen, dass Ängste irrational sind und es eine große Mühe braucht, diese zu nehmen. Aber diese Mühe muss man sich machen. Man muss den Bürgern zuhören und mit ihnen vernünftig sprechen. Dann klappt das schon.
Die Schroffheit mancher Leute ist erschreckend
Die Menschen wollen aber Sicherheit und fühlen sich auch nach Köln bedroht.
Sckerl: Richtig, nicht nur durch die Ereignisse in Köln, in anderen Städten und weitere Vorfälle. Vernünftig sein heißt auch zu vermitteln, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt, aber dass man vor allem durch eine starke Gemeinschaft die Sicherheit enorm erhöhen kann. Das muss man verständlich machen.
Insbesondere über soziale Netzwerke ist allerdings eine zunehmende Aggression zu spüren.
Sckerl: Ja, das ist teils mehr als grenzwertig. Die Schroffheit mancher Leute ist erschreckend. Es ist unglaublich, wie unverfroren manche ihrem Hass freien Lauf lassen. Da zeigt, wie enorm wichtig Aufklärung und die Debatte darüber ist, welche Werte gelten sollten.
Rechtsextreme Strukturen werden zerschlagen
Das letzte Mal wurde vor 60 Jahren eine extreme Partei verboten – nochmal: Hilft ein NPD-Verbot wirklich weiter? Was, wenn sich Nachfolgeorganisationen bilden?
Sckerl: Zunächst einmal werden vorhandene Strukturen zerschlagen. Die Partei verliert ihr Vermögen, erhält keine Mittel mehr aus der Parteienfinanzierung und wird damit organisatorisch empfindlich geschwächt. Die rechtsextremen Köpfe gibt es weiter. Ein Verbot würde auch Nachfolgeorganisationen betreffen. Doch: Mit dem Verbot ist das Thema nicht erlegt. Da gibt es noch viel Arbeit für alle Demokraten.
Glauben Sie, dass es diesmal klappt, 2003 hatten die Kläger eine Schlappe kassiert.
Sckerl: Das war mehr, das war eine blutige Nase. Ich gehe davon aus, dass man daraus gelernt hat und alle V-Leute aus Führungskadern abgezogen hat. Wenn nicht, wäre das eine Katastrophe, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ich gehe davon aus, dass diese rechtsextreme Partei als Organisation beendet wird.
Anm. d. Red.: Das Interview wurde zur Ansicht vorgelegt und kam ohne Korrekturwunsch zurück.
Zur Person:
Hans-Ulrich Sckerl ist Landtagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Weinheim. Aktuell kandidiert er erneut für die Landtagswahl am 13. März.
Der Jurist ist rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis90/Die Grünen und Fraktionsgeschäftsführer.
Zudem ist er Stadtrat in Weinheim und Kreisrat im Rhein-Neckar-Kreis.