Weinheim, 29. Juli 2017. (red/pro) Der amtierende Oberbürgermeister der Stadt Weinheim, Heiner Bernhard (SPD), hat heute im Rahmen eines Empfangs mitgeteilt, nicht erneut bei der kommenden Oberbürgermeisterwahl im Juni 2018 anzutreten. Er wurde 2002 zum ersten Mal gewählt und konnte sich gegen den heutigen Landrat Stefan Dallinger (CDU) durchsetzen. Bei der Wahl 2010 hat er keinen Gegenkandidaten. Klar ist: Die Kandidatensuche für die größte Kreisstadt im Rhein-Neckar-Kreis wird nicht einfach.
Kommentar: Hardy Prothmann
Der oder die nächste Oberbürgermeisterin muss sich genau überlegen, was man sich antut, Verwaltungschef dieser hochverschuldeten Stadt zu werden. Angeblich wählen Weinheimer/innen nur Weinheimer. Das war früher in anderen Orten auch so, dass die Bürgermeister aus dem Ort kommen sollten. In vielen ist das längst nicht mehr der Fall, so in Hirschberg, Ladenburg, Schwetzingen, Eppelheim beispielsweise – man kann also auch außerhalb von Weinheim auf Kandidatensuche gehen.
Was die Popularität angeht, dürfte die Stadträtin Stella Kirgiane-Efremidis (SPD) sehr aussichtsreich sein. Die gebürtige Griechin wäre zudem die erste Frau in diesem Amt. Allerdings kandidiert sie auch bei der Bundestagswahl. Sollte sie über die Liste einziehen können, könnte sie zwar immer noch kandidieren, aber das wäre dann doch eher nicht glaubwürdig.
Eigentlich müsste man erwarten, dass sich der Erste Bürgermeister, Dr. Torsten Fetzner, zur Wahl stellt. Doch der hatte in der Vergangenheit immer abgewunken – vermutlich traut er sich das Amt nicht zu. Er wird den Grünen zugerechnet und könnte auch auf Unterstützung in Teilen der CDU hoffen.
Doch die CDU Weinheim hat noch eine Rechnung mit sich selbst offen. Bei der Wahl 2002 unterlag der heutige Landrat Stefan Dallinger (CDU) und bei der Wahl 2010 gelang es der CDU nicht, einen Kandidaten aufzustellen, was bis heute als Schmach empfunden wird.
Und rückblickend betrachtet, ein großer Fehler war, denn anders, als das Umfeld des amtierenden Oberbürgermeisters es darstellen will, ist der Rathauschef eben nicht so beliebt wie behauptet. Er erreichte zwar mit 73,2 Prozent der Stimmen die notwendige Mehrheit von 50 Prozent plus einer Stimme. Aber die Wahlbeteiligung war katastrophal. Nur 8.267 der 32.803 Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, Herrn Bernhard wählten nur 5,807 Stimmberechtigte, was gerade mal 17,7 Prozent ausmacht. Das reichte, trotz einer Wählerbeschwerde, um im Amt zu bleiben, ganz sicher aber nicht als Bürgermeister der Herzen mit breiter Basis.
Zudem zeichnet Weinheim ein Klüngel aus, der die politische Stadtgesellschaft durchdringt. Das macht vieles unberechenbar – gerade deswegen wäre eigentlich ein Kandidat von außen wünschenswert, um mit “Traditionen” zu brechen.
Heiner Bernhard hinterlässt keine geordnete Stadt. Zwar erinnerte Dr. Fetzner laut Pressemitteilung der Stadt in der Geburtslaudatio an Projekte wie “Birkenmeier”, “Altes Krankenhaus” und “Ehemaliger Güterbahnhof” als “erfolgreich entwickelte Projekte”, aber viele Baustellen sind noch offen. Solche, die Geld kosten wie ein neues Schulzentrum, aber auch solche, die Geld bringen könnten, aber nicht bringen.
Der Oberbürgermeister muss es sich persönlich anlasten, das Projekt “Breitwiesen” versemmelt zu haben. In einer beispiellosen Hauruckaktion, die schon fast erpresserische Züge hatte, versuchte er das Gelände im Tausch mit dem Hammelsbrunnen als Gewerbegebiet ausweisen zu lassen. Dagegen regte sich heftiger Widerstand, der nicht nur inhaltlich getrieben war, sondern vor allem gegen die Person Bernhard, der nur noch als Machtmensch empfunden wird und eine Lektion erteilt bekommen hat.
Doch Weinheim braucht eine ordentliche Gewerbeentwicklung, denn die Kassen sind nicht nur leer, sondern die Stadt muss möglicherweise bangen, dass sie durch einen Amtsverweser des Landes zwangsverwaltet wird.
Auch politisch muss sich Heiner Bernhard das Desaster der NPD-Bundesparteitage zuschreiben lassen. Statt einer klaren Linie wurde auch hier bis vor Gerichte gemauschelt und letztlich konnte sich die NPD durch Eilerlass des Landesverfassungsgerichts durchsetzen. Was für eine Schmach. Bei einem der größten Polizeieinsätze der Nachkriegsgeschichte, ausgelöst durch hunderte von gewaltbereiten Personen der kriminellen Vereinigung Antifa, unterstützt durch vermeintlich friedliche Demonstranten, herrschte Ausnahmezustand in Weinheim. 17 Polizeibeamte wurden verletzt, der Einsatz kostete rund 1,5 Millionen Euro.
Auch die Unterbringung von Flüchtlingen war durch viele Fehler ausgezeichnet – es geht nicht mit Hauruck, sondern nur mit Kommunikation. Das hätte sehr viel besser laufen können.
Andererseits muss man Heiner Bernhard eines lassen: Er ist ein unkonventioneller, hemdsärmeliger Mensch, mit dem man durchaus Spaß haben und eine gut gelaunte Zeit verbringen kann – sofern es nach seinen Vorstellungen läuft. Wenn nicht, neigt er manchmal hochemotional zum Jähzorn, was theatralische Ausmaße annehmen kann. Oberbürgermeister, die wutschnaubend eine Gemeinderatssitzung verlassen, sind eher selten.
Stella Kirgiane-Efremidis könnte nahtlos an das System Bernhard anschließen, denn sie ist ein entscheidender Teil davon. Damit wird sie, sollte sie aufgestellt werden, nicht für einen Neuanfang stehen.
Die Weinheimer werden gut beraten sein, einen auswärtigen Kandidaten, sofern sich jemand bewirbt, mit Wohlwollen zu prüfen. Nach der Niederlage Ende 2013 in Sachen “Breitwiesen” war bei Heiner Bernhard die Luft raus – bis heute liegt eine ordentliche Gewerbeentwicklung brach und wird bis zur nächsten Oberbürgermeisterwahl auch nicht mehr vorankommen. Das ist das Jahrhundertprojekt für Weinheim, was nicht mehr mit dem Namen Bernhard verbunden sein wird.
Der oder die neue Oberbürgermeister/in wird keine Geschenke zu verteilen haben, nichts, um sich durch Wohlfahrt beliebt zu machen. Es muss jemand sein, der den Rotstift gut führen kann, ein breites Kreuz hat und mit viel Disziplin vorgeht, um die Stadt wieder handlungsfähig zu machen. Das lohnt sich, denn Weinheim ist ansonsten eine liebenswerte Stadt mit lebensfrohen Menschen.
Weinheim bekommt im nächsten Jahr einen neuen Oberbürgermeister oder eine neue Oberbürgermeisterin. Heiner Bernhard, der das Amt seit 2002 bekleidet, tritt dann nicht mehr an. Eine dritte Amtszeit sei für ihn ausgeschlossen, erklärte er am Samstag (29. Juli) bei einem Empfang aus Anlass seines 60. Geburtstages im Großen Sitzungssaal des Schlosses.