Karlsruhe/Berlin/Rhein-Neckar, 30. Juni 2016. (red/ms) Die NPD äußert „gravierende Zweifel“ an der Rechtsstaatlichkeit des Verbotsverfahren gegen die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht. Richter Herbert Landau hat das Höchstalter für sein Amt überschritten – er ist aber weiterhin aktiv, da der Bundesrat bislang keinen Nachfolger für ihn gewählt hat. Sollte Herr Landau ausscheiden, bevor es im Verfahren gegen die NPD zu einer Entscheidung kommt, würde sich die Wahrscheinlichkeit für ein Parteiverbot zumindest rechnerisch verringern. Wird die Wahl aus politischem Kalkül aufgeschoben?
Am 26. April dieses Jahres wurde Herbert Landau 68 Jahre alt – damit hat er das Höchstalter für einen Richter am Bundesverfassungsgericht erreicht. In Paragraph 4 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ist festgelegt:
Altersgrenze ist das Ende des Monats, in dem der Richter das 68. Lebensjahr vollendet.
Die reguläre Amtszeit von Herrn Landau ist also abgelaufen. In Absatz 4 des gleichen Paragraphen ist allerdings ebenfalls geregelt:
Nach Ablauf der Amtszeit führen die Richter ihre Amtsgeschäfte bis zur Ernennung des Nachfolgers fort.
Die Wahl von Herrn Landau zum Bundesverfassungsrichter erfolgte im Herbst 2005 durch den Bundesrat – dieser ist nun dafür zuständig, einen Nachfolger zu bestimmen. Das ist bislang nicht geschehen.
Spannende Konstellation
Brisant wird diese Konstellation dadurch, dass Herr Landau als Richter im Verbotsverfahren gegen die NPD aktiv ist. Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch – ein entsprechender Beschluss bräuchte eine zwei Drittel Mehrheit der Richter, die von Anfang an am Verfahren mitwirken.
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In diesem Fall bedeutet das: Mindestens sechs der acht Richter des zweiten Senats am BVG müssten für ein NPD-Verbot stimmen, damit die Partei auch tatsächlich verboten wird. Eine einfache Mehrheit reicht nicht aus.
Wäre ein Nachfolger gefunden und gewählt, dürfte dieser nicht mehr in das laufende Verfahren einsteigen – für ein Verbot müssten in diesem Fall mindestens sechs der sieben verbleibenden Richtern dafür stimmen.
Politisches Kalkül
Am vergangenen Samstag titelte nun Spiegel online: „Verfassungsrichter Landau soll bis Abschluss des NPD-Verfahrens im Amt bleiben.“ Im Beitrag heißt es unter anderem:
Aus dem Bundesrat heißt es nun, ein Landau-Nachfolger solle nicht gewählt werden, solange das Verbotsverfahren läuft.
Unter Bezugnahme auf den Beitrag von Spiegel online veranstaltet die NPD nun am kommenden Freitag, dem 01. Juli, eine Pressekonferenz. In der Einladung heißt es:
Diese aktuellen Entwicklungen im NPD-Verbotsverfahren nähren gravierende Zweifel daran, ob so ein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt werden kann.
In diesem Zusammenhang habe die NPD „neue Anträge bei Gericht gestellt“, über deren Inhalte auf der Pressekonferenz informiert werden solle. Mehr erfährt man aus der Einladung vorerst nicht.
„Eine reine Spekulation“
Auf Rückfrage der Redaktion teilt die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts mit, die Fortführung der Amtsgeschäfte sei gesetzlich geregelt. Bereits in der Vergangenheit habe es Fälle gegeben, in denen es zu solchen Übergangsphasen gekommen sei. Die Anträge der NPD würden natürlich sorgfältig geprüft, erläutert Dr. Michael Allmendinger, der Leiter der Pressestelle.
Auch die Pressestelle des Bundesrats widerspricht der Darstellung von NPD und Spiegel online – angefangen bei der Aussage, es solle kein Nachfolger für Herrn Landau gewählt werden, bis das Verfahren abgeschlossen sei:
Das ist keine offizielle Stellungnahme des Bundesrats und reine Spekulation.
Es sei zutreffend, dass noch kein Nachfolger gewählt worden ist. Einen Vorschlag zu unterbreiten, sei eine Aufgabe der Ministerpräsidenten.
„Vorschlag liegt noch nicht vor“
Sobald eine Vorauswahl feststeht, würde im Plenum direkt darüber abgestimmt werden, erläutert Camilla Linke, die Leiterin der Pressestelle im Bundesrat, auf Rückfrage der Redaktion. Weitere Vorberatungen im Ausschuss wären nicht notwendig. Allerdings gebe es bislang noch keine Vorschläge:
Es braucht sorgfältige Prüfungen, um geeignete Kandidaten für das Amt als Bundesverfassungsrichter zu finden.
Nach Darstellung der NPD hätte der Bundesrat „schon längst einen Nachfolger wählen müssen“. Wie Frau Linke mitteilt, sei das so nicht zutreffend. Bereits in der Vergangenheit habe es Fälle gegeben, in denen es länger gedauert habe, bis es zu einer Nachfolgerwahl gekommen ist:
Unser Plenum kommt alle drei bis vier Wochen zusammen. Sobald ein Vorschlag vorliegt, wird auch abgestimmt. Womöglich schon am 08. Juli.
Im August steht eine Sitzungspause bevor, das nächste Mal wird das Gremium dann im September tagen. Wann es im Verfahren gegen die NPD zu einer Urteilsverkündung kommt, ist gegenwärtig noch offen.
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Sollte innerhalb zwei Monaten nach Ende der Amtszeit eines Richters noch kein Nachfolger gefunden worden sein, sieht die Rechtslage vor, dass der Präsident des Bundesrats – aktuell Stanislaw Tillich (CDU), Ministerpräsident von Sachsen – das BVG darüber in Kenntnis setzt und dieses dazu auffordert, selbst Vorschläge zu unterbreiten.
Herr Landau zeigte sich skeptisch
Richter Herbert Landau wurde seinerzeit auf Vorschlag der CDU einstimmig vom Bundesrat gewählt. Nun tritt der Bundesrat als Antragsteller auf, um ein NPD-Verbot prüfen zu lassen.
Dennoch gibt es nach Kenntnisstand der Redaktion keinen vernünftigen Grund wegen dieser Umstände an der Neutralität von Herrn Landau zu zweifeln: Anfang März, in der mündlichen Verhandlung gegen die NPD, zeigte sich Herr Landau besonders kritisch, stellte auffällig viele Rückfragen und zeigte sich skeptisch, inwiefern seitens der NPD als politischem Zwerg tatsächlich eine ernstzunehmende Bedrohung für den Rechtsstaat und die Demokratie besteht.
Ob mit dem Ausscheiden von Herrn Landau eine Stimme für das NPD-Verbot verloren ginge, ist daher aus Sicht der Redaktion ohnehin fraglich.
Anm. d. Red.: All unsere Beiträge zum Verbotsverfahren finden Sie hier.