Weinheim/Rhein-Neckar/Stuttgart, 12. Januar 2016. (red/ms) Die Ausschreitungen während des NPD-Bundesparteitags schaden nicht nur dem Ansehen der Stadt Weinheim – sondern auch dem Steuerzahler: Der muss mit fast 1,5 Millionen Euro für den Polizeieinsatz aufkommen. Alles deutet darauf hin, dass diese enormen Kosten vor allem 300 linksradikale Autonome zu verantworten haben. Das ist beschämend.
Von Minh Schredle
1,424 Millionen Euro. Das ist in etwa der Betrag, den die Stadt Weinheim für den Bau eines Flüchtlingsheims einplant. Mehr oder weniger an einem Tag verschleudert. Für was? Das ist der Betrag, den der Steuerzahler für den Polizeieinsatz beim vergangenen NPD-Bundesparteitag bezahlen muss. Mindestens.
Tatsächlich sind die Kosten wohl noch deutlich höher. Doch das ist die Kostenschätzung, die aktuell vom Innenministerium auf Initiative des CDU-Abgeordneten Georg Wacker vorgelegt wurden.
Transparenz bitter nötig
Herr Wacker, CDU-Direktmandatsträger aus dem Wahlkreis Weinheim, hatte bereits am 18. Dezember eine kleine Anfrage an die grün-rote Landesregierung gestellt. Heute sind die Antworten veröffentlicht worden.
Die Transparenz ist bitter notwendig – denn aktuell sind noch immer viele Gerüchte und Behauptungen im Umlauf, für die es keine Belege aus seriösen Quellen gibt. Gleichzeitig werden die Aussagen der Polizei in gewissen Kreisen mit großer Skepsis betrachtet. Noch immer steht der Vorwurf von “unverhältnismäßiger Polizeigewalt” im Raum. Hier gibt es einen Aufklärungsbedarf. Herr Wacker erklärt dazu in einer Pressemitteilung:
Ich hoffe, dass wenigstens der Antwort des Innenministers, die dieser in Abstimmung mit dem Justizministerium erstellt hat, jetzt Glauben geschenkt wird.
Herr Wacker betont außerdem ausdrücklich, er selbst lasse keine Zweifel am Aufklärungswillen des Polizeipräsidenten Thomas Köber und an den Ursachen für die Eskalation gelten. Im Gegenteil. Durch die Antwort der Landesregierung werde sein bisheriger Eindruck weiter verstärkt: Vor allem die Blockadeaktionen am Morgen des 21. November und Provokationen durch linksradikale Autonome wären für den “katastrophalen öffentlichen Gesamteindruck des Parteitagswochenendes verantwortlich”. Weiter teilte Herr Wacker mit:
Ich hatte für die Mahnwachen und die Kundgebung großes Verständnis und begrüße das Verbotsverfahren gegen die NPD ausdrücklich, da sie unseren freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt und menschenfeindlich gesinnt ist. Aber für die Blockade eines Parteitags, zu dem die NPD nach dem Parteiengesetz verpflichtet ist, habe ich keinerlei Verständnis. Und wenn die Blockade wie in diesem Fall durch den Einsatz von Gewalt erreicht werden soll, dann distanziere ich mich ausdrücklich von jedem, der dieses Verhalten in irgendeiner Form zu rechtfertigen versucht.
Er kritisiert außerdem, dass viele Weinheimer Kommunalpolitiker bislang nicht deutlich genug Stellung bezogen hätten:
Protest gegen die NPD ist richtig und notwendig. Gewaltsame Blockadeaktionen, Aktionen gegen die Polizei oder andere Hilfskräfte im Einsatz und die gezielte und koordinierte Provokation der Polizei, wie sie laut Medienberichten im Einsatzvideo deutlich zu sehen ist, sind hingegen von jedem zu ächten, der sich zu unserem Rechtsstaat bekennt – da vermisse ich von einigen Politikern aus der Region eine deutliche Aussage. Wenn wir die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber der Polizei kritisieren, müssen wir als Politiker sie dort stärken, wo sie Unterstützung benötigt – auch durch klare Rückendeckung statt durch grundsätzliches Misstrauen.
Im Anschluss an den Polizeieinsatz wurde über das Internet und soziale Netzwerke Bild- und Videomaterial verbreitet, das eine vermeintlich “überzogene Polizeigewalt” zeigen soll. Am 14. Dezember führte das Polizeipräsidium einer ausgewählten Öffentlichkeit – Journalisten, Politiker und Demoanmelder – ihr eigenes Videomaterial vor, das die Situationen ungeschnitten zeigt.
Nach Einschätzung der Redaktion belegen diese Aufnahmen wie unsere eigenen Eindrücke vor Ort eindeutig, dass Gewalt und Provokationen zunächst seitens linksextremer Autonomer ausgegangenen sind. Unangemessene Reaktionen seitens der Polizei gab es darauf aus unserer Sicht nicht.
Völlig unstrittig ist hingegen, dass die Polizei Gewalt angewendet hat. Das ist allerdings ihre hoheitliche Aufgabe und sogar ihre Pflicht, wenn die öffentliche Ordnung durchgesetzt werden muss. Und gesetzlich ist vorgeschrieben, dass zugelassene Parteien, also auch die rechtsradikale NPD, ihre Parteitage störungsfrei abhalten können muss.
Verfahren laufen
Nichtsdestotrotz wird natürlich überprüft, was an den Vorwürfen der “überzogenen Polizeigewalt” dran ist. Wie das Innenministerium bestätigt, läuft ein Ermittlungsverfahren wegen “des Verdachts der (gefährlichen) Körperverletzung gegen eine unbestimmte Anzahl unbekannter Polizeibeamter”. Gleichzeitig würde allerdings auch gegen Demonstranten ermittelt.
Bislang ist unklar, wie viele Menschen am 21. November verletzt worden sind. Nach Angaben des Innenministers wurden 18 Beamte durch Linksradikale verletzt, einer davon so schwer, dass er zwischenzeitlich dienstunfähig wurde. Offizielle Aussagen über die Zahl der verletzten Demonstranten liegen hingegen nicht vor. Seitens des Innenministeriums heißt es:
Nach Mitteilung der Integrierten Leitstelle Rhein-Neckar erfolgten fünf Personentransporte ins Krankenhaus Weinheim, die im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen anlässlich des NPD-Bundesparteitages stehen dürften.
Auch das entspricht unserer Anschlussrecherche – wir hatten Krankenhäuser der Region abgefragt und “nur wenige Fälle” und “keine nennenswerten Verletzungen” gemeldet bekommen. Darüber hinaus seien “Demosanitäter” im Einsatz gewesen. Dabei handelt es sich nicht um offizielle Rettungskräfte, sondern um Sanitätskräfte, die von den Demonstranten selbst organisiert worden sind Nicht spontan, sondern mit Vorbereitung. Diese “Demosanitäter” berichten laut Innenministerium von der Behandlung von “76 Leichtverletzten durch Polizeimaßnahmen” und “13 sonstiger gesundheitlicher Störungen” – ein “Halswirbelbruch”, den eine Demonstrantin angeblich erlitten haben soll, wird in der Antwort des Innenministers nicht erwähnt. Wir halten diesen Fall für eine “Phantom-Meldung”. Zusätzlich hatte die Antifa sogar Anwälte organisiert – es war klar, dass die Linksextremisten auf Gewalt aus waren.
Die “Schuldfragen” werden wohl erst durch die Strafverfahren abschließend geklärt werden. Aus Ermittlungsgründen können nicht alle Informationen, die derzeit vorliegen, auch veröffentlicht werden. Das ist erst nach dem Ende der Verfahren möglich.
Sicher ist dagegen schon heute, dass die Krawalle der Linksradikalen den Steuerzahler vor eine massive Belastung stellen. Das Innenministerium rechnet folgendermaßen: Im Rahmen des NPD-Bundesparteitags waren 1.732 Polizeikräfte mit insgesamt 26.735 Mannstunden. Nach der Pauschale für Personal- und Sachkosten ergebe das einen Betrag von 1,424 Millionen Euro. Dazu heißt es:
Nicht enthalten ist die Anzahl der Stunden für die Vor- und Nachbereitung sowie für Ermittlungen und Anzeigenfertigungen. Eine Erhebung wäre nur mit einem unverhältnismäßig großen Zeitaufwand möglich, weshalb darauf verzichtet wurde.
Andere “Nebenkosten” wurden ebenfalls nicht berücksichtigt: Bahngleise mussten zwischenzeitlich für den Nahverkehr gesperrt werden. Was ist mit diesen Verkehrsbehinderungen? Aber noch viel wichtiger: Was ist mit den Kosten für den Einsatz von Feuerwehr und Sanitätern? Was ist mit den städtischen Mitarbeitern, die Sonderschichten einlegen mussten? Zusätzlich wurden Sonderbusse eingesetzt, um die festgesetzten Antifa-Aktivisten zu transportieren.
Die tatsächlichen Kosten liegen also höchstwahrscheinlich noch um mindestens mehrere zehntausend Euro oder sogar sechstellig höher. Es ist fraglich, ob die genaue Summe je geklärt werden kann. Für Georg Wacker steht fest:
Verantwortlich für diese “Großlage” und damit sowohl für die Kosten, die dem Steuerzahler entstanden sind, als auch für die Negativ-Schlagzeilen für die Stadt Weinheim und die kostenlose Publicity für die NPD sind nach Ansicht von Wacker vor allem die gewaltbereiten Linksextremisten, die zum Teil aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren.
Überwiegend ging der Krawall von etwa 300 “Antifaschisten” aus. Innenminister Reinhold Gall (SPD) bezeichnet die Autonomen in der Antwort der Landesregierung als “Linksextremisten”.
Die können sich jetzt Gedanken machen, was genau sie erreicht haben: 18 Polizisten verletzt, rund 1,5 Millionen Euro sinnlos verschwendet und einen Imageschaden für die Stadt Weinheim verursacht. Den Parteitag der NPD konnten sie nicht verhindern. Dafür haben sie erreicht, dass sämtliche anderen friedlichen Protestaktionen in der öffentlichen Wahrnehmung völlig überschattet wurden.
Anm. d. Red.: Die kleine Anfrage, die Antwort der Landesregierung und eine Stellungnahme von Herrn Wacker finden Sie hier in vollem Umfang.
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Dokumentation eines Polizeieinsatzes
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