Karlsruhe/Mannheim/Rhein-Neckar, 01. März 2016. (red/ms) NPD-Anwalt Peter Richter hatte „Knaller“ für das Verbotsverfahren gegen seine Partei vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. Am ersten Verhandlungstag wirkte seine Verteidigungsstrategie letztlich dürftig. Er brachte viele Spekulationen und wenig Belege vor. Mit großen Enthüllungen konnte er schon gar nicht aufwarten. Ein Verbot der rechtsradikalen NPD wird wahrscheinlich. Zumindest wird dieses Verfahren allem Anschein nach nicht wie 2003 an “Hindernissen” scheitern.
Von Minh Schredle
Die Verteidigungsstrategie der NPD ist mit großer Spannung erwartet worden. Der Prozessbevollmächtigte Peter Richter, selbst NPD-Mitglied und stellvertretender Landesvorsitzender im Saarland, hatte sich im Vorfeld bedeckt gehalten – aber er hat medienwirksam “Knaller” angekündigt. Geliefert hat er eher laue Lüftchen.
Verfahrensrechtliche Hürden wenig wahrscheinlich
Offenbar bestand der Großteil seiner Strategie darin, Bedenken gegen Verfahrenshindernisse zum Ausdruck zu bringen – diese wurden allerdings allesamt zurückgewiesen. Zum Ende des ersten Verhandlungstag erscheint ausgesprochen unwahrscheinlich, dass der zweite Versuch eines NPD-Verbots an rechtlichen Hürden wie 2003 scheitert.
Damals verhinderte der Einsatz von V-Leuten im Parteivorstand auf Bundes- und Landesebene, dass es zu einem Urteil kam. Denn es war unklar, wie sehr das damalige Bild von der NPD selbst, sondern vom Staat und dessen Spitzeln geprägt worden war.
Drei von sieben Richtern sahen einen „nicht behebbaren rechtsstaatlichen Schaden für die Durchführung des Verfahrens“ – bei Entscheidungen zum Nachteil der Antragsgegnerin, in diesem Fall der NPD, reichte diese Minderheit damals für eine Einstellung des Verfahrens.
Aktuell wurde offenbar ein gewaltiger Aufwand betrieben, um sicherzustellen, dass es kein zweites Mal zu einer Einstellung des Verfahrens kommt.
Die Rechtsprofessoren Dr. Christoph Möllers und Dr. Christian Waldhof, die vom Bundesrat für den Prozess bevollmächtigt worden sind, haben umfangreiches Material zusammengetragen, mit dem sie belegen wollen, dass diesmal alles sauber und einwandfrei rechtsstaatlich abgelaufen ist.
Wirre Aussagen: Verbot sei “Todesstrafe” für die NPD
NPD-Verteidiger Peter Richter hat dennoch Bedenken vorzubringen – und wird dabei ganz grundsätzlich: Ob es denn überhaupt zu vertreten sei, wenn in einer Demokratie irgendein Gedanke verboten wird, fragt er. Und ob man dem Volk denn überhaupt die Demokratie als Staatsform vorschreiben könne:
Was ist denn, wenn eine Mehrheit die Monarchie wieder einführen will? Kann ihr das dann eine Minderheit demokratisch verbieten?
Wieder sitzt die Spitze subtil: NPD-Anwalt Richter spricht nicht offen von einem „Führerprinzip“ – die Assoziation liegt natürlich dennoch nahe. Mal provoziert er nur verhalten – teils wird es auch mindestens grenzwertig. Der Besetzung des Bundesverfassungsgericht spricht er die demokratische Legitimation ab, da die Richter nur durch einen „Geheimausschuss“, aber nicht den Bundestag selbst gewählt werden würden. Ein Parteiverbot der NPD käme einer „Todesstrafe“ gleich.
In der Not wird auch linke Presse zitiert
Es ist eine ganze Reihe von gewagten Provokationen, die Herr Richter aufführt – so wirft er etwa dem Thüringer Verfassungsschutz ein „Totalversagen im NSU-Skandal“ vor.
Bei zwei von acht Verfassungsrichtern will Herr Richter Befangenheit erkennen: Peter Müller, ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes, und Peter Huber, ehemaliger Innenminister von Thüringen, hätten sich in ihrer politischen Laufbahn beide negativ über die NPD geäußert. Man müsse daher von einer „verfestigten Voreingenommenheit“ und einer „bereits abschließend gebildeten Meinung“ gegenüber dem NPD-Verbot ausgehen. Dabei beruft sich Herr Richter unter anderem auf einen taz-Artikel, in dem Richter Müller zitiert wird, er finde das Gedankengut der NPD “Ekel erregend”.
Unbeeindruckte Verfassungsrichter
Im Publikum wird es zunehmend unruhig – die Verfassungsrichter hingegen strahlen Ruhe und Gelassenheit aus. Kein einziges Mal zeigt sich eine sichtbare Reaktion auf die Sticheleien des Herrn Peter Richter. Als dieser nach einer guten Dreiviertelstunde mit seinen einleitenden Ausführungen zum Ende kommt, sagt Herr Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Zweiten Senats, freundlich und unaufgeregt:
Vielen Dank, Herr Richter.
Die Ablehnungsgesuche wurden nach der Mittagspause klar zurückgewiesen. Dr. Voßkuhle begründete:
Auch Bundesverfassungsrichtern ist es gestattet, sich politisch zu äußern. Das gilt insbesondere, wenn die Äußerungen vor dem Amtseintritt getätigt worden sind und dann noch verstärkt, wenn es in einer politischen Position geschah.
Die Äußerungen der Verfassungsrichter sind knapp, aber inhaltsbeladen. Schritt für Schritt werden die verfahrensrechtlichen Bedenken von Herrn Richter entkräftet. Peter Richter hatte angeprangert, man könne den Innenministerien und ihren Mitarbeitern nach der ersten Verhandlung gegen die NPD kein Vertrauen mehr schenken:
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr.
Es gebe zwar Testate von Innenministern und Staatssekretären, die bescheinigen, dass es keine V-Leute mehr in Führungspositionen gebe und dass er als Bevollmächtigter nicht über seine Prozessstrategie ausgehorcht werden würde – dem könne er aber kein Vertrauen schenken und ein Testat sei kein Vollbeweis.
Dr. Huber fragte darauf, wie man denn überhaupt einen Beweis dafür liefern könne, dass irgendetwas nicht passiert ist. Skepsis sei immer berechtigt – aber:
Versuchen Sie sich mal, sich in die Lage der Gegenseite zu versetzen. Die haben aufwändig und umfangreich Belege für ihre Darstellung zusammengetragen. Sie zweifeln trotzdem daran. Haben Sie auch einen eindeutigen Beleg?
Den kann Herr Richter offenbar nicht vorbringen. Er nennt eine Reihe vermeintlicher Indizien. So sei das Auto seiner Mutter im Dezember 2013 von Mitarbeitern des saarländischen Verfassungsschutzes gerammt worden. Auf dem Beifahrersitz habe auch noch der V-Mann-Führer für Rechtsextremismus gesessen. Das könne wohl kaum ein Zufall sein, daher müsse man vom Standpunkt eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten davon ausgehen, dass man ihn beobachte und abhöre.
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NPD-Anwalt in der Klemme
Mit Fortlaufen des Verhandlungstags wirkt das Auftreten des Herrn Richter immer verunsicherter. Vom Selbstbewusstsein, mit dem der 30-jährige Anwalt mit Prädikatsexamen am frühen Morgen noch aufgetreten war, scheint in den Abendstunden nur noch wenig verblieben zu sein. Er verhaspelt sich immer öfter. Teils wirkt seine Argumentation schwachbrüstig und hanebüchen. So fordert er den Verfassungsschutz auf, alle Akten über NPD-Vorstände auf Bundes- und Landesebene aufzudecken, um so sicher zu zeigen, bei wem es sich alles um V-Männer handelt.
Wie Beate Bube, die Präsidentin des Verfassungsschutzes Baden-Württembergs, ausführlich erläutert, sei das keine gute Idee, da V-Leute in der Regel mit Problemen zu rechnen hätten, wenn ihre Identität bekannt werde. Gerade im Bereich des politischen Extremismus könnte es dadurch sogar zu einer Gefährdung von Leib und Leben kommen, die potenziell auch die Familien der Betroffenen bedrohen könnte.
NPD-Verbot wird bereits nach dem ersten Verhandlungstag wahrscheinlich
Die Bedenken gegen Verfahrenshindernisse dürften damit am ersten Verhandlungstag weitgehend ausgeräumt worden sein. Damit wirkt ein NPD-Verbot immer wahrscheinlicher. Zwar wird die endgültige Klarheit erst mit einem rechtskräftigen Urteil feststehen. Allerdings betonte Dr. Voßkuhle gleich mehrfach:
Dass es überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung kommt, setzt voraus, dass der Senat nach vorläufiger Bewertung und summarischer Prüfung des Verbotsantrags davon ausgeht, dass dieser zulässig und hinreichend begründet ist.
Hinzu kommt, dass sich die Verteidigung der NPD offenbar auf die Verfahrenshindernisse fokussiert hat – ob es überhaupt noch zu inhaltlichen Entgegnungen kommt, bleibt indes abzuwarten. Schließlich sagte Peter Richter, es habe hier zwischen der Partei und ihm noch keine Absprachen für eine Strategie gegeben.
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Dass der NPD dafür ein zeitlicher Aufschub gewährleistet wird, erscheint nach den Ausführungen der Verfassungsrichter eher unwahrscheinlich – das Gericht zeigte sich entschlossen, das Verfahren an den drei angesetzten Verhandlungstagen zur Entscheidung zu bringen.
Große Herausforderung
Doch will man es sich nicht zu einfach machen. Ganz im Gegenteil: Dr. Voßkuhle betont:
Das Verfahren stellt auch für das Gericht selbst in vielfacher Hinsicht eine große Herausforderung dar.
Es gebe keine vergleichbare Entscheidung aus der jüngeren Vergangenheit – das letzte Parteiverbot in Deutschland liegt 60 Jahre zurück. Man müsse als erste Instanz einen komplexen Sachverhalt aufklären, sehr viele Einzelaspekte in einer Gesamtbetrachtung überführen und sich dabei jeder politischen Bewertung enthalten. Das zeige:
Jedes Parteiverbotsverfahren stellt eine ernsthafte Bewährungsprobe für den freiheitlich demokratischen Verfassungsstaat dar.
Ein Verbotsverfahren sei gleichermaßen ein „scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt“ werden müsse:
Ein Verbot schränkt Freiheit ein, um Freiheit zu bewahren.
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