Mannheim, 22. Mai 2017. (red/pro) Aktualisiert. Bei der Gemeinderatssitzung am Dienstag geht es fast wörtlich „um alles oder nichts“. Findet die Verwaltungsvorlage – zu der möglicherweise noch Änderungsanträge gestellt werden oder von der Verwaltung bereits eingearbeitet worden sind – eine Mehrheit, kommt die Planung von Grünzug Nordost und einer Bundesgartenschau 2023 mit erhofften Landesfördermitteln von mindestens 40 Millionen Euro einen nächsten Schritt voran. Wird der Beschluss abgelehnt, ist der Grünzug Nordost (inklusive Buga) gescheitert und es kommt zu einer Neuplanung, die aber nichts mehr mit einem durchgängigen Grünzug zu tun haben wird. Das Land Baden-Württemberg prüft unter anderem auf Spinelli eine Flüchtlingsunterkunft mit einer Kapazität für rund 3.500. Das Innenministerium hat aktuell ebenfalls auf unsere Anfrage geantwortet.
Anm. d. Red.: Die Fragen wurden heute schriftlich an die Stadtverwaltung gestellt und zügig bis zum späten Nachmittag beantwortet. Möglichkeiten der Nachfrage bestand so nicht. Wir danken der Stadt Mannheim für die rasche Beantwortung zu komplexen Sachverhalten, die wir im Wortlaut dokumentieren. Anmerkungen durch die Redaktion sind in Klammern, kursiv und unterstrichen gesetzt und nicht Teil der Antworten der Stadt Mannheim.
(Hintergrund: Es ist bislang völlig unklar, ob die Verwaltungsvorlage durch eine Mehrheit beschlossen oder abgelehnt wird. Die SPD ist wie Die Linke klar dafür, die Grünen sind mehrheitlich dagegen. Mannheimer Liste und FDP werden dagegen stimmen. Unklar ist die Haltung von LKR und CDU. Die CDU hatte in der vergangenen Hauptausschusssitzung „sine qua non“-Forderungen gestellt, die nicht kompromissfähig sind. Wie die Einzelstadträte Christian Hehl (NPD), Julien Ferrat (Familienpartei) sowie Helmut Lambert (parteilos, vormals AfD) abstimmen werden, ist unklar. Sollte die CDU mehrheitlich gegen den Beschluss stimmen, ist das Projekt erledigt et vice versa. Interessant: Bislang gingen nur 16 Anregungen von Bürgern ein – das ist nichts vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Bürgerschaft – wie manche Politiker und Medien meinen – die Buga23 ablehnen.)
Wurde der Aufstellungsbeschluss nach der Sitzung 2015 öffentlich verkündet und hat damit damals die Bauleitplanung begonnen oder erst jetzt durch Offenlage am 24. April 2017?
Stadt Mannheim: „Der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans wurde am 20.10.2015 vom AUT (Ausschuss für Umwelt und Technik) gefasst. Die Bekanntgabe des Aufstellungsbeschlusses erfolgte zusammen mit der Bekanntgabe der frühzeitigen Beteiligung am 20.04.2017. Die Träger öffentlicher Belange und die Bürgerinnen und Bürger können noch bis Freitag, 26.5.2017 dazu Stellung nehmen.
(Nach unserer Kenntnis war die recht späte Bekanntgabe bislang kein Thema der öffentlichen Debatte. Wir hatten am Freitag im Zuge einer Recherche zufällig entdeckt, dass die Bekanntgabe inklusive Offenlage erfolgte.)
Erst wenn ein Bebauungsplanentwurf erarbeitet worden ist, und dieser vom AUT gebilligt wurde (Billigung), kann die „Offenlage“ erfolgen. Dabei werden die Bürgerinnen und Bürger erneut zur Stellungnahme aufgefordert. Der Billigungsbeschluss ist frühestens Anfang 2019 geplant. Frühestens ab diesem Termin kann Baurecht erteilt werden.
Wie viele Anregungen sind bislang eingegangen?
Stadt Mannheim: Aus der Bürgerschaft gingen bislang 16 Stellungnahmen ein.
Hat auch das Land Baden-Württemberg Eingaben gemacht?
Stadt Mannheim: Das Land, vertreten durch das Regierungspräsidium KA, hat eine Stellungnahme ohne Anregungen abgegeben.
Aktuell hat das Land vertraglich einen Vertragszeitraum bis Ende 2019 für die Flüchtlingsunterbringung. Ist bei fortschreitender Überplanung eine solche Nutzung noch möglich oder ausgeschlossen?
Stadt Mannheim: Bisher wurde noch kein Bebauungsplanentwurf erarbeitet, aus dem Nutzungs- und Bebauungsmöglichkeiten abgeleitet werden könnten, auf die sich das Land konkret beziehen könnte. Im Rahmen der weiteren Verfahrensschritte hat das Land nach wie vor die Möglichkeit, Stellungnahmen einzubringen. Wir stehen hier am Anfang. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bereits genehmigte Nutzungen, die durch einen Bebauungsplan künftig nicht mehr zulässig wären, nicht automatisch unzulässig werden. Sie genießen Bestandsschutz.
Es wird ein Gebiet überplant, das zu zwei Dritteln nicht der Stadt gehört. Der Bodenpreis dürfte damit nur bei einigen Euro liegen im Gegensatz zu Bauerwartungsland oder Gewerbegebieten. Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht. Kann der Bund eine Entschädigung verlangen? Ist dies in die Verhandlungen bereits eingeflossen oder wird darüber verhandelt?
Stadt Mannheim: Zweidrittel der Fläche sind im Bundeseigentum. Die Gemeinde kann allerdings unabhängig vom Eigentümer von ihrer Planungshoheit Gebrauch machen und einen Bebauungsplan aufstellen. Sofern z.B. durch die Aufstellung eines Bebauungsplans bisher zulässige Nutzungen eines Grundstücks untersagt werden und tritt dadurch eine nicht unwesentliche Wertminderung ein, kann der Eigentümer eine Entschädigung verlangen. Das wird hier aber nicht der Fall sein, die Grundstücke dürften an Wert gewinnen. Entschädigungen für Eingriffe in ausgeübte Nutzungen sind davon allerdings unbenommen.
Durch die bereits vor Jahren (17.1.2012 Vorlage V022/12) beschlossenen vorbereitende Untersuchungen (VU) nach § 141 und § 164 Absatz 4 für alle militärischen Konversionsflächen, sind die Bodenpreise von damals „eingefroren“. Die Kaufpreisfindung ist Verhandlungssache, basiert aber auf dem zum Stichtag des VU-Beschlusses geltenden Bodenpreis.
Sollte das Land versuchen zu erzwingen, das Gelände weiter nutzen zu können, welche Möglichkeiten gibt es, dies zu erschweren/zu verhindern? Möglicherweise eine Veränderungssperre?
Stadt Mannheim: Es dürfte sehr schwierig sein, eine Nutzung durch das Land zu unterbinden, da die Genehmigung von Flüchtlingsunterkünften durch die BauGB-Novelle in 2015 deutlich vereinfacht wurde. Demnach sind Aufnahmeeinrichtungen etc. unter bestimmten Bedingungen sogar im Außenbereich zulässig. Das Land ist also nicht zwangsläufig auf die Baurechtschaffung durch die Stadt angewiesen. Umgekehrt wird die Umsetzung des Grünzugs sowie die Randbebauung ohne die Bereitschaft des Bundes, die Flächen zu veräußern, sehr schwierig. Die aktuellen Flurstückszuschnitte und deren Verteilung lassen den Bau von Erschließungsstraßen etc. und die Neuordnung zu Baugrundstücken nicht zu. Eine Baulandumlegung ist aufgrund des hohen Anteils an künftig öffentlicher Fläche (insbesondere Grünzug) nicht möglich.
Für den Beschluss einer Veränderungssperre ist der Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans Voraussetzung. Durch eine Veränderungssperre könnte die Errichtung neuer baulicher Anlagen untersagt werden aber nicht deren aktuelle Nutzung. Für die Spinelli Barracks ist eine Sanierungssatzung in Vorbereitung und soll im AUT im Juli beschlossen werden. Die Sanierungssatzung entfaltet die gleichen (bzw. erweiterte) Rechtsfolgen wie die Veränderungssperre.
Auf welchem Stand ist eine mögliche Nutzung von Teilen der Coleman-Kaserne als zentrales Ankunftslager? (Hintergrund: Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte im vergangenen Jahr angekündigt, entweder auf Spinelli oder Coleman eine „zentrales Ankunftszentrum“ nach dem Vorbild der „zentralen Registrierungstelle“ in Heidelberg Patrick Henry Village zu errichten. Wann Coleman allerdings von den US-Streitkräften aufgegeben wird, ist offen. Hier wird man sich frühestens Ende Sommer 2017 äußern.)
Stadt Mannheim: Dazu gibt es noch keinen neuen Stand.
Sollte sich am Dienstag eine Mehrheit für die Leitentscheidung finden – was sind die nächsten Schritte?
Stadt Mannheim: Unmittelbar nach der Entscheidung wird die Verwaltung die Landesregierung über das positive Ergebnis und damit über die Durchführung der Bundesgartenschau 2023 informieren. Daneben wird das Büro RMP Stephan Lenzen mit der weiteren Detaillierung seiner Pläne beauftragt werden. Im konkreten wird RMP beauftragt, die sog. Entwurfsplanung zu erarbeiten. Diese wird, aufbauend auf der aktuellen Vorplanung, das fertige Planungskonzept mit allen festgelegten Komponenten darstellen. Ziel ist ein stimmiges und realisierbares Planungskonzept, das alle projektspezifischen Problemstellungen berücksichtigt.
Gleichzeitig wird die Kostenseite durch die Kostenberechnung qualifiziert, d. h. die Kosten werden nach DIN 276 mindestens bis zur 2. Ebene der Kostengliederung detailliert ermittelt. Parallel hierzu werden Verwaltung und Buga-Gesellschaft die Förderszenarien weiter vertiefen und mit dem Land Baden-Württemberg in intensive Verhandlungen zur finanziellen Unterstützung eintreten.
(Hintergrund: Es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten. Die Stadt Heilbronn konnte insgesamt gut 57 Millionen Euro Fördermittel im Zusammenhang mit der Buga19 einwerben. Die Stadt Mannheim hat aktuell eine mündliche Zusage vom Land über rund 40 Millionen Euro, was aber möglicherweise deutlich steigerungsfähig sein könnte.)
Neben dem rein technischen (planerischen) Prozedere werden im weiteren Planungsprozess in verschiedenen Beteiligungsformaten interessierte BürgerInnen, Betroffene, Verbände etc. eingebunden werden.
Sollte sich am Dienstag keine Mehrheit finden – was bedeutet das für das Projekt Grünzug Nordost?
Stadt Mannheim: Der Grünzug kann dann – so wie er jetzt von Lenzen geplant ist – nicht realisiert werden, denn es fehlen mindestens 40 Millionen Euro an angestrebten Landesgeldern. Eine entsprechende Umplanung/Neuplanung wäre die Folge.
Aktualisiert, 22. Mai, 18:47 Uhr (Wir hatten auch das Innenministerium zum Planungsstand angefragt und folgende Auskunft erhalten):
Welche Eingaben hat das Land dazu eingebracht/wird das Land bis Freitag (Ende der Offenlage) einbringen? Wie konkret sind die Pläne des Landes, auf Spinelli ein zentrales Ankunftszentrum zu errichten? Nochmals zur Abklärung, da teils unterschiedliche Zahlen im Umlauf sind. Bis zu wie viele Personen soll ein solches Zentrum fassen können?
Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration: Das Innenministerium hat keine Eingaben zur anstehenden „Leitentscheidung Grünzug Nordost“ eingebracht.
Die Konzeption zur Neugestaltung der Erstaufnahme in Baden-Württemberg („Standortkonzeption“) sieht vor, dass das bestehende Ankunftszentrum im „Patrick-Henry-Village“ in Heidelberg vorübergehend fortgeführt wird. Als Alternativen werden Standorte in Mannheim (Coleman Barracks oder Spinelli Barracks) und Schwetzingen (Tompkins Barracks) geprüft. Die Entscheidung über einen Alternativstandort für das Ankunftszentrum soll so bald wie möglich fallen. Dazu befindet sich das Innenministerium in laufenden Gesprächen mit der Stadt Mannheim. In der Abwägung bei der Klärung der Frage einer Anschlusslösung werden auch die Pläne der Stadt Mannheim für die Bundesgartenschau 2023 berücksichtigt werden.
Die Standortkonzeption sieht eine Unterbringungskapazität von bis zu 3.500 Personen vor. Grundlage für diese Kapazität sind Absprachen mit dem Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Aktuell ist das Ankunftszentrum in Heidelberg mit rund 1.200 Personen belegt.
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