Mannheim, 22. September 2016. (red/pro) Sie erinnern sich? Heute vor drei Jahren stimmten die Bürgerinnen und Bürger in Mannheim über die Buga23 ab. Der Bürgerentscheid ging knapp aus und hatte eine rechtlich bindende Wirkung von drei Jahren. Diese Frist läuft nun ab. Die Frage ist: Was passiert mit der Bundesgartenschau oder anders – passiert da überhaupt noch was? Ebenfalls spannend: Hat sich der CDU-Bundestagskandidat Nikolas Löbel am Ende vollständig verzockt?
Kommentar: Hardy Prothmann
Soll Mannheim zur nachhaltigen Entwicklung eines Grünzugs Nordost im Jahr 2023 eine Bundesgartenschau durchführen, die überwiegend auf dem Gelände der ehemaligen Spinelli-Kaserne und unter Einbeziehung einer maximal 16 Hektar großen Teilfläche der Feudenheimer Au unter Beibehaltung ihres Status als Landschaftsschutzgebiet stattfindet?
Das war die Entscheidungsfrage vor drei Jahren. 50,7 Prozent der Wahlberechtigten stimmten für eine Buga23, 49,3 Prozent dagegen. Knapper konnte das fast nicht ausgehen und die Gegner haben vor allem mit Hilfe einer Lokalzeitung ordentlich Wind gemacht und diese zwar knappe, aber demokratische Entscheidung bis zur Unerträglichkeit in Frage gestellt.
Die Bürgerbeteiligung war enorm – der Widerstand und der konzentrierte Wille zur Auflösung aller demokratischen Standards aus der Dagegen-Front ebenso.
Aktuell fällt die Bindung der Pro-Buga-Entscheider weg – es ist also alles offen.
Ist es das? Eher nicht.
Land hält die Hand auf Spinelli
Das Land Baden-Württemberg hält die Hand auf die Konversionsflächen im Besitz der BImA – der Bund hat die Militärflächen der USA geerbt. Während der Flüchtlingskrise wurden diese zur Unterbringung von vor Ort bis zu 21.000 Menschen genutzt.
Das Quartier Benjamin Franklin Village wird aktuell weiter entwickelt – es ist das historisch größte Stadtentwicklungsprojekt von Mannheim und schreitet voran. Dort sind zwar noch Flüchtlinge untergebracht, aber die werden der Entwicklung weichen müssen, denn das Projekt ist eklatant wichtig für Mannheim. Wer das behindert, stößt der Stadt einen Dolch ins Herz der Zukunft.
Doch was ist mit den Spinelli Barracks? Ein öder Landstreifen, der im Zuge der Buga23 aufgewertet werden sollte und im Streit deentwickelt worden ist. Eigentlich wollte die CDU eine Buga auf diesem Gelände, letztlich kam es zum Kleinkrieg um die Straßenverlegung “Am Aubuckel”. Das Kalkül des Streits war überwiegend nicht rational, sondern dem Kampf von Teilen der CDU gegen den SPD-OB geschuldet.
Damit war der innere Kern einer konzeptionellen Buga mit diesem “Geländesprung” als besonderer Attraktion gefährdet.
Vermutlich ist “Gefährdung” das falsche Wort. Ein provoziertes Scheiterngelüste passt schon eher.
Es geht um Millionen Investitionen – nur wo und wofür?
Das Land wird sich einer fortgeschrittenen Entwicklung von Franklin nicht entgegenstellen können. Hier werden mehrere Milliarden Euro investiert – in dringend benötigendes Wohnen und Gewerbe. Die Vision ist keine mehr – sie ist real und konzeptionell schon so weit vorangebracht, dass ein Aufhalten einem Mordanschlag an der Stadtentwicklung der Metropole Mannheim gleich käme.
Als Reservefläche für mögliche Flüchtlingsunterkünfte bleibt Spinelli. Ein Gelände, das überwiegend Kosten verursacht und vom Land im Rahmen der Buga23 bezuschusst werden müsste, um es als “Grünstreifen” zu entwickeln. Auch als “Frischluftzufuhr”, was eher ein schwaches Argument ist.
Das Gelände bietet bis auf Weiteres die Möglichkeit, mehrere tausend Flüchtlinge unterzubringen. Bislang wurde die vorhandene, eher elendige Infrastruktur dafür genutzt. Durch Billigbauweise könnte man dort durchaus die Möglichkeit schaffen, 4.-8.000 Flüchtlinge unterzubringen. Vermutlich mit weniger Kosten als für einen Zuschuss für die Buga23 aufzubringen wären.
Das Land wird diese Gelegenheit nicht verschenken – denn niemand weiß, “was kommt”, wie uns eine Quelle gesagt hat. Heißt: Spinelli ist auch unbestimmte Zeit nicht zu entwickeln. Solange der “Türkei-Deal” auf wackligen Füßen steht, muss das als verantwortlich gesehen werden. Sollten die Flüchtlingszahlen wieder steigen, muss das Land Handlungsoptionen haben.
Gleichzeitig hören wir, dass der LEA-Standort Mannheim neu überdacht wird. Der Neubau einer Landeserstaufnahmeeinrichtung sollte bis rund 900 Menschen den Aufenthalt in Mannheim ermöglichen – mit der Verpflichtung, dass Mannheim keine weiteren Flüchtlinge zugewiesen werden. Dieses Projekt ist noch nicht in trockenen Tüchern.
Und Spinelli ist Brachland – ideales Gelände für künftige Flüchtlingsunterkünfte. Quasi mitten in der Stadt und doch abseits. Die Feudenheimer wird das nicht glücklich machen – wer bitte soll aber die Feudenheimer ernst nehmen, die bislang nur durch Blockade aufgefallen sind?
Hat sich Nikolas Löbel verzockt?
Die Kosten für einen LEA-Neubau im Hafen kann man in Richtung Spinelli rechnen und unterm Strich Millionen Euro einsparen – “sozialdemokratisch” lässt sich das sogar mit “Lastenverteilung” argumentieren, denn die Südosteuropäer aus Bulgarien und Rumänien belasten die Neckarstadt schon genug. Dann bekommen Käfertal und Feudenheim zum Ausgleich halt die Schwarzafrikaner.
Fast ironisch mutet es an, dass vor allem Feudenheimer in der Nachbarschaft von Spinelli ihre Umgehungsstraße behalten wollten, die im Rahmen der Buga verlegt werden sollte. Im einhelligen Verbund mit der CDU unter klarer Führung des CDU-Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel wurde massiver Widerstand geleistet.
Am Ende bleibt die Straße, wo sie ist, die Buga23 ist unwahrscheinlicher denn je und Spinelli ist Besiedlungserwartungsland für Tausende Flüchtlinge. Ob das die Chancen für Nikolas Löbel als CDU-Bundestagskandidat 2017 erhöht, ist eine mehr als spannende Frage. Er hat den Buga-Prozess “erfolgreich” chaotisiert und sich gegen den Oberbürgermeister profiliert – möglicherweise holen ihn aber Geister ein, die er nicht auf dem Plan hatte.
Denn wer die Rechnung aufmacht, dass die durchaus erfolgreiche Boykottierung der Buga-Pläne erst die Möglichkeit für ein Massenlager von Flüchtlingen geschaffen hat, der wird in allerschwerste Erklärungsnöte kommen angesichts einer kippenden Stimmung.
Derweil wollen SPD und Grüne im Gemeinderat freiwillig 550 Flüchtlinge zusätzlich nach Mannheim bringen, während Teile der Innenstadt und der Neckarstadt zu klaren No-Go-Areas und faktischen Angsträumen werden.
Anscheinend ist die aktuelle Politik nur noch durch ideologische Kämpfe, statt pragmatischen Lösungen bestimmt. Das macht große Sorgen.
Meine Meinung dazu: Es ist niemandem verboten, Druck auf den Kessel zu geben – aber wenn der einem um die Ohren fliegt, sollte man nicht bei anderen die Schuld suchen, sondern selbst zur eigenen Verantwortung stehen.
Der Druck auf dem Kessel Mannheim ist gigantisch. Und in welche Richtung er sich entlädt und welche Schäden verursacht werden, ist offen.
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