Ilvesheim, 12. November 2015. (red/ms) Es geht um mindestens zehn Millionen Euro und damit die wohl größte Investition Ilvesheims für die kommenden Jahre oder sogar Jahrzehnte: Bürgermeister Andreas Metz und der Großteil des Gemeinderats wollen ein Kombibad bauen, das die beiden bisherigen Bäder der Kommune ersetzen soll. Doch die Bürgerinitiative “Ilvesheim geht baden” mobilisierte Protest gegen die Planungen – und fand unter den rund 9.000 Einwohner/innen viele Unterstützer. Nun wird ein Bürgerentscheid über die Zukunft von Ilvesheims Bädern entscheiden. Ein “Nein” zum Kombibad würde wahrscheinlich bedeuten, dass Ilvesheim bald gar nicht mehr baden gehen kann. Ein “Ja” dagegen eine womöglich drastische Verschuldung.
Von Minh Schredle
Acht Jahre Beratungen, Planung und zwei “Zukunftswerkstätten” mit intensiver Bürgerbeteiligung sind dem Beschluss vorausgegangen: Anfang Juli stimmte der Ilvesheimer Gemeinderat schließlich mit überwältigender Mehrheit für den Neubau eines Kombibades. Es gab zwei Gegenstimmen der Grünen und 15 Befürworter aus allen anderen vertretenen Fraktionen.
So große Geschlossenheit ist selten, wenn es um Projekte dieser Größenordnung geht: Denn der Neubau wird die Gemeinde mindestens zehn Millionen Euro kosten – kein anderes Bauvorhaben, das in den kommenden Jahren auf der Agenda der Ilvesheimer Kommunalpolitik steht, spielt in einer vergleichbaren Liga.
In der Bevölkerung ist das Kombibad dagegen offenbar nicht ganz so unumstritten wie im Gemeinderat: Eine Bürgerinitiative namens “Ilvesheim geht baden” gründete sich nur wenige Tage nach dem Beschluss und forderte, über den Bau des Kombibads per Bürgerentscheid abzustimmen. Dafür gelang es – trotz Sommerferien – innerhalb von sechs Wochen 753 gültige Unterschriften zu sammeln.
Das benötigte Quorum für ein Bürgerbegehren ist somit erreicht, es liegt bei zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung (etwa 7.200 Menschen). Nun wird am 13. Dezember bei einem Bürgerentscheid über die Zukunft der Ilvesheimer Bäder entschieden – vorausgesetzt, genug Wähler kommen zusammen. Damit der Bürgerentscheid im Sinne der Bürgerinitiative entschieden wird, müssen mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten und eine relative Mehrheit gegen das Kombibad stimmen.
Thema treibt um
Dass die Abstimmung an einer mangelhaften Beteiligung scheitert, wirkt aber eher unwahrscheinlich: Das Thema bewegt die Ilvesheimerinnen und Ilvesheimer aktuell wie kaum ein anderes. Ein sinnbildliches Beispiel: Die Facebook-Seite der Freien Wähler Ilvesheims hat aktuell knapp 200 Likes. Ein Posting zum Bürgerentscheid wurde innerhalb von fünf Tagen fast 40 Mal geteilt und konnte nach eigenen Angaben mehr als 5.600 Personen erreichen – kein anderer Facebook-Beitrag der Freien Wähler habe jemals so viel Aufmerksamkeit erzeugt, teilt Peter Riemensperger gegenüber dem Rheinneckarblog mit. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler sagt:
Wir sind fest davon überzeugt, dass wir uns das Kombibad leisten können und es die Attraktivität von Ilvesheim noch weiter steigert. Aber natürlich muss die Bürgerschaft das Bad auch wollen.
Dass es nun zum Bürgerentscheid kommt, kann eigentlich nur Vorteile für Politik und Bevölkerung bringen: Bei Schwimmbädern handelt es sich um ein vollkommen freiwilliges Angebot der Gemeinde – es gibt hierzu keinerlei rechtliche Verpflichtung. Bäder tragen allein zu Wohlfahrt und Lebensqualität bei.
Wie absurd wäre es also, wenn die Kommunalpolitik die teuerste Maßnahme seit Langem umsetzen lässt und damit womöglich eine Verschuldung in Kauf nimmt, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung das Bad gar nicht will? Umgekehrt: Wenn sich auch in der Bürgerschaft eine Mehrheit für den Beschluss finden lässt, bestärkt das die Politik in ihrer Planung. In beiden Fällen profitiert die Demokratie und der Wille der Wählerschaft wird umgesetzt – vorausgesetzt mehr als 20 Prozent der gut 7.200 wahlberechtigten Ilvesheimer/innen nutzen ihre Chance, über die Zukunft der Gemeinde mitzuentscheiden.
Kostenfragen und Modernisierungsdrang
Ein “Nein” zum Kombibad würde wahrscheinlich bedeuten, dass es in Ilvesheim schon in wenigen Jahren überhaupt keine kommunalen Schwimmbäder mehr gibt. Sowohl das Hallenbad als auch das Freibad befinden sich in einem desaströsen Zustand. Eine Sanierung käme einem Neubau gleich, sagt Bürgermeister Andreas Metz. Man müsse unter anderem die komplette Technik erneuern:
Für das Freibad lägen die Kosten wohl bei etwa fünf Millionen Euro, beim Hallenbad gehen wir von sieben Millionen aus. Da wäre das Kombibad günstiger.
Schon jetzt investiert die Gemeinde jährlich um die 100.000 Euro, um die notdürftigsten Sanierungsarbeiten durchzuführen – das wird aber nicht mehr lange gut gehen. “Jedes Jahr werden die Bäder unabhängig überprüft,” erläutert Bürgermeister Metz:
Wir wissen nicht, wie lange wir noch Freigaben bekommen.
Im Hallenbad gebe es zum Beispiel starke Korrossionsschäden. Man habe Stützen aufgestellt, um die Statik zu sichern. Dies sei gerade zwar noch ein funktionierendes Provisorium – aber sicher keine dauerhafte Lösung:
Mit Glück könnte das Hallenbad noch ein paar Jahre offen bleiben – vielleicht muss es aber auch schon 2016 schließen.
Im Freibad stehe man vor einer ähnlichen Situation: Die Technik zur Wasserumwälzung sei veraltet und entspreche nicht mehr den Standards der Zeit. “Das hat ein paar Jahrzehnte niemanden
gestört,” sagt Bürgermeister Metz mit Bedauern: “Jetzt gibt es aber neue Festlegungen im Baurecht und der Betrieb des Bades wird nur noch geduldet, weil ein Neubau in Aussicht steht”.
Ein komplexer Kompromis
Nach internen Schätzungen haben Gemeinderat und Bürgermeister – oft auch in enger Abstimmung mit der Bevölkerung – rund 140 Stunden über die Zukunft der Ilvesheimer Bäder beraten. Das Thema ist enorm komplex. “Wir können mit unseren Plänen nicht jeden zufriedenstellen,” gibt Bürgermeister Metz im Gespräch mit dem Rheinneckarblog offen zu:
Das Kombibad ist eine Kompromisslösung.
Er könne daher sehr gut nachvollziehen, dass es große Bedenken in der Bevölkerung gibt. Einige finden das Bad zu unattraktiv: es solle längere Schwimmbecken geben oder Sprungtürme und Rutschen. Andere – und sie machen wohl den Großteil der Gegenbewegung aus – befürchten, das gewaltige Investitionsvolumen von mindestens zehn Millionen Euro könne die Gemeinde überfordern und die Haushaltslage auf Jahrzehnte hinweg belasten.
Was kann die Gemeinde sich leisten?
Klar ist: Je attraktiver das Bad werden soll, desto teurer wird es. Klar ist auch: Die finanziellen Möglichkeiten einer 9.000-Einwohner-Gemeinde sind begrenzt. Keiner weiß, wie viel das Kombibad wirklichen kostet – denn die Planungen stehen noch weit am Anfang. Im Juli wurden Eckpunkte beschlossen. Damit steht jede Detailplanung noch aus.
Zehn Millionen Euro werden sicher nicht ausreichen
Das sagt nicht nur die Bürgerinitiative “Ilvesheim geht Baden”. Das sagt auch Bürgermeister Andreas Metz: “Unsere grobe Kostenschätzung stammt noch aus dem Jahr 2014. Wenn der Bürgerentscheid positiv ausfällt, wird bis zum Baubeginn noch mindestens ein Jahr vergehen, eher zwei. Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen. Es ist also realistischer von mindestens 13 Millionen Euro Gesamtkosten auszugehen.”
“Ja” heißt noch nicht “ja” und was “nein” heißt, weiß niemand
Laut dem Bürgermeister könne zum jetzigen Zeitpunkt niemand eine seriöse Aussage darüber treffen, ob sich die Gemeinde das leisten können wird. Mit Nachdruck betont er: “Wenn eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Dezember für das Kombibad stimmt, bedeutet das noch nicht zwangsläufig, dass es auch gebaut wird. Es müssen weitere Entscheidungen folgen, aktuell geht es ja nur um einen Grundsatzbeschluss, aber auch über die Detailplanung und das Finanzierungskonzept muss noch abgestimmt werden. Wenn sich also die Finanzlage in zwei Jahren dramatisch verschlechtert haben sollte, können wir uns immer noch gegen das Bad entscheiden.”
Was im umgekehrten Fall bei einer mehrheitlichen Ablehnung des Grundsatzbeschluss’ Kombibad geschehen würde, ist unklar. Die bestehenden Bäder hätten keine Zukunft, so viel scheint sicher. Kämen andere Bauplanungen in Betracht? Das könnte sich zur juristischen Streitfrage entwickeln: Nach einem Bürgerentscheid darf drei Jahre lang kein gegenteiliger Beschluss in gleicher Sache erfolgen. Wenn also ein Kombibad abgelehnt wird – könnte die Gemeinde sich für den Neubau eines anderen Bades entscheiden?
Ich habe ein paar Juristen gefragt und keiner wollte sich festlegen,
sagt Bürgermeister Metz:
Die Angelegenheit müsste wohl vor einem Verwaltungsgericht verhandelt werden.
Er selbst hoffe darauf, dass sich am 13. Dezember eine Mehrheit für das Kombibad finden lässt. “Wir haben sehr lange und sehr intensiv beraten. Und wir sind überzeugt, mit dem Kombibad den besten Kompromiss zwischen Finanzierbarkeit und Attraktivität gefunden zu haben.”
Auch er sehe die Investitionssumme mit Sorgen – und das wolle er nicht verschweigen. Doch aktuell stehe die Gemeinde sehr gut da und die Ausgaben und Einnahmen hätten sich günstiger entwickelt, als prognostiziert: “Aus dem aktuellen Haushalt zwei Millionen Euro an die Rücklage zuführen. Unsere Ersparnisse steigen also auf etwa 15 Millionen Euro an – damit hätte in den vorangegangen Haushaltsberatungen wohl niemand gerechnet.”
“Wir wollen Ilvesheim ein Schwimmbad bieten”
Ilvesheim steht damit deutlich besser da, als viele Gemeinden im Umkreis. Auch die Verschuldung der Kommune ist mit nur 130 Euro pro Einwohner vergleichsweise gering – der Landesschnitt liegt bei über 440 Euro. “Unsere Finanzen sind solide, obwohl wir über 40 Jahre hinweg zwei Bäder betrieben haben,” kommentiert Bürgermeister Metz:
Ich denke, wir können mit Recht optimistisch sein, dass wir die Investition Kombibad stemmen könnten.
Kommunale Schwimmbäder sind fast ausschließlich Zuschussbetriebe – sie “erwirtschaften” große Defizite, die durch die Gemeinde ausgeglichen werden müssen. Kaum eine Ortschaft kann sich diesen Luxus noch leisten. Nach einem Bericht der taz gab es in Deutschland vor zehn Jahren noch 7.300 Bäder – 1.100 mussten inzwischen schließen. Die Konsequenzen: Immer weniger Kinder lernen schwimmen. Bürgermeister Metz sagt dazu:
In Ilvesheim ist in den 1960er-Jahren ein Kind ertrunken. Das damals war ein schlagendes Argument, die Bäder zu bauen. Kinder müssen weiterhin in Ilvesheim schwimmen lernen können.
Ähnlich sieht das auch Peter Riemensperger von den Freien Wählern. Während der Planung habe sich die Gemeinde verschiedenste Varianten vorgestellt: “Und wir sind mit großem Konsens zu dem Resultat gekommen, dass wir in Ilvesheim mindestens ein kommunales Schwimmbad brauchen”. Dass die Entscheidung nun in den Händen der Bürger liegt, sei trotzdem gut und lobenswert:
Nach Zukunftswerkstätten und Bürgerbeteiligung wird die Entscheidung jetzt nach einem Bürgerbegehren bei einem Bürgerentscheid getroffen. Mehr Demokratie geht nicht.
“Natürlich würde das Kombibad rote Zahlen schreiben. Natürlich würde das den Haushalt belasten. Und womöglich müssten wir uns deswegen in anderen freiwilligen Leistungen einschränken,” sagt Bürgermeister Metz: “Aber Verwaltung und Gemeinderat wollen mit ganz überwältigender Mehrheit den Ilvesheimerinnen und Ilvesheimern ein Bad mit günstigen Eintrittspreisen anbieten können – wir glauben mit dem Kombibad die Interessen aller Beteiligten am besten berücksichtigen zu können.”
Ob das Angebot von Gemeinderat und Verwaltung auch den Vorstellungen und Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht, wird sich am 13. Dezember zeigen. Bis dahin ist es notwendig, dass die Bürgerinnen und Bürger umfangreich und vor allem transparent informiert werden, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben werden. Dafür ist jetzt noch gut einen Monat Zeit.