Mannheim/Rhein-Neckar, 09. Oktober 2017. (hp) Die Randbebauung auf der ehemaligen Militärfläche Spinelli Barracks in Käfertal wird ein Wohngebiet von herausragender Qualität. Davon profitiert auch der Bestand. Es wird Wohnraum für mindestens rund 4.000 Menschen entstehen plus gut 1. Menschen am Wingertsbuckel . Noch nicht geklärt ist das Verkehrskonzept – denn der Verkehr wird eine große Herausforderung. Die Frage, ob an der Neustadter Straße eine “Salafisten-Moschee” entsteht, auch.
Von Hardy Prothmann
“Mit dem Fahrrad ins Bett” sei eine von vielen Ideen für innovatives Wohnen erfuhren Journalisten vergangenen Dienstag bei einem Hintergrundgespräch mit Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, Verwaltungsmitarbeitern und Planern. Warum mit dem Rad nicht bis in die Wohnung fahren, statt nur davor? Solche und andere “experimentelle” Wohnformen könnten angeboten werden.
Hippe Ideen
Das neue Quartier liegt direkt am neu entstehenden Grünzug Nordost. Dort soll es einen Fahrradschnellweg geben. Bis zur Innenstadt sind es rund vier Kilometer. Wer zügig radelt oder ein Pedelec nutzt, wird garantiert schneller als mit dem ÖPNV (auf den man nicht warten muss) oder dem Auto in der Stadt sein, kein Geld für die Fahrt ausgeben müssen, genau dort landen, wo er hin will und keinen Parkplatz suchen müssen. Zudem fördert man die eigene Gesundheit und belastet die Umwelt nicht.
Schöne, hippe Idee – allerdings wenig realistisch für Familien mit Kindern und Leute im feinen Zwirn und solchen, die auf weitere Termine müssen, auch im Umland. Also wird es weiterhin Verkehr geben und der wird die größte Herausforderung für das neue Gebiet, bei An- und Abfahrten sowie dem Binnenverkehr.
Top-Lage
Anders als auf Franklin gibt es gewachsene Strukturen – neue Verkehrskonzepte werden schwerer umzusetzen sein. Das Planungsgebiet umfasst 49 Hektar. 35 Hektar sind Siedlungsgebiet, davon etwa 22,5 Hektar Neubaugebiet. Rund 14 Hektar machen die “Parkschalen” als Übergangsbereich zum Grünzugsgebiet aus.
In Käfertal Süd sollen mindestens 1.600 Wohneinheiten mit Mehr- und Einfamilienhäusern entstehen. Die Zahl ist nicht fix, kann also auch größer werden. Die Zahl wird sich im Laufe der weiteren Planungen konkretisieren. Hinzu kommt im südlichen Teil der Wingertsbuckel mit 300-400 Wohneinheiten, möglicherweise kommen weitere im Gewerbegebiet westlich der Rüdesheimer Straße hinzu. In Summe könnte hier also Wohnraum für 5.-6.000 Menschen entstehen – nicht ganz so groß wie Franklin, aber doch von erheblicher Bedeutung, was das Schaffen neuen Wohnraums angeht.
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Die Lage ist Top. “Wohnen am Park” durch gestaltete “Parkschalen” und dahinter die Freifläche des Spinelli Geländes als Teil des Grünzugs Nordost. Das ist ein Traum. Das Gebiet wird östlich der Sportanlagen (TV Käfertal) durch eine “Ortsmitte” ergänzt. Hier soll es Geschäfte, einen Nahversorger, Ärzte und andere infrastrukturell wichtige Angebote geben. Eine weitere Grundschule sowie Einrichtungen zur Kinderbetreuung wird es ebenfalls geben. Die Lage zur Innenstadt ist nah, über die B38 kann man schnell in Richtung Frankfurt oder Karlsruhe abfahren.
Verkehrssituation ist die eigentliche Herausforderung
Die aktuellen Planungen sehen einen Anstieg der Gebäudehöhen zur Freifläche hin. Damit wird das bestehende, eher niedrig bebaute Quartier erweitert und findet am Rand eine “klare Kante”. Klar, rund zwei Dutzend Immobilienbesitzer bekommen was vors Haus gebaut – doch das ist kein Argument gegen die neue Entwicklung. Es gibt kein Recht auf freien Ausblick. Und mal ehrlich? Wer guckte schon gerne auf militärische Lagerhallen?
Bei der Verkehrssituation stehen die Planer vor großen Herausforderungen. Um motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, braucht es ein gutes ÖPNV-Angebot. Nach unseren Informationen plant die rnv mögliche Gleisstrecken, um das Gebiet anzuschließen. Aktuell gibt es nur Strecken im Norden und Süden, die mit 500 Metern deutlich über der Entfernungsgrenze von rund 300 Metern Luftlinie liegen, die man noch als gute Erreichbarkeit definiert. Bis Frühjahr 2018 soll nach unseren Informationen ein neues Verkehrskonzept erarbeitet sein, in dem auch mögliche Strecken ausgewiesen werden.
Fünf Achsen, vier problematisch
In der Nord-Süd-Achse gibt es fünf Achsen, von denen drei problematisch sind: Rüdesheimer Straße, Bäckerweg und Deidesheimer Straße. Die drei Achsen verbinden die Mannheimer Straße im Norden mit der Wachenheimer Straße im Süden. Die westlich gelegene Neustadter Straße entlang “Bombardier” ist heute schon eine starkbefahrene Straße, über die der größte Teil der täglich rund 20.000 Fahrzeuge, von der Straße “Am Aubuckel” kommend, läuft. Über die Völklinger Straße (östlichste Achse) läuft Verkehr aus dem Rott.
Insbesondere die drei mittleren Achsen und die Völklinger Straße werden deutlich mehr Verkehr aufnehmen müssen – aber der “Abfluss” ist schon heute eher “verstopft”. Vor allem im Norden an Mannheimer Straße und Weinheimer Straße. Die größte Herausforderung dürfte hier an der Kreuzung Deidesheimer Straße/Mannheimer Straße liegen. Die Einbahnstraße endet an einer kleinen Ampel, deren Schaltzyklus dem neuen Verkehr nicht gewachsen sein wird. Möglicherweise muss hier die Fahrrichtung umgedreht werden – also Einfahrt statt Ausfahrt. Umgekehrt würde das für den Bäckerweg bedeuten, künftig Ausfahrt statt Einfahrt zu sein oder beides.
In der Ost-West-Achse werden Bad Kreuznacher und Dürkheimer Straße mehr belastet werden. Hinzu kommen Wachenheimer Straße und Anna-Sammet-Straße, die heute nur durch einen Wirtschaftsweg verbunden sind, künftig aber eine Achse bilden.
Und am Wingertsbuckel soll der neue “Grünhof” entstehen – ein zentral gelegener Bauhof der Stadt Mannheim. Mit rund 200 Ab- und Anfahrten in der Arbeitswoche.
Straßenbahn ja oder nein – das ist die Frage
Die Zahl der benötigten Stellplätze wird klar davon abhängen, wie gut der ÖPNV angebunden ist. Fehlt eine Anbindung, werden es mehr sein müssen. Hier wird auch entscheidend sein, welche neuen Konzepte, die man wie Carsharing bei Franklin installiert, hier zum Tragen kommen können. Fehler wie in Neuostheim sollte man hier nicht wiederholen.
Eine Fußgänger- und Radfahrachse zwischen Käfertal Süd und Feudenheim wird entlang am Aubuckel sowie über die Verlängerung der Völklinger Straße entstehen. Die Stadt teilte mit:
Die neue Verkehrsinfrastruktur knüpft an den Bestand und bestehende Wegeverbindungen an und führt diese im neuen Quartier fort. Dabei wird nicht nur der Verkehr im neuen Stadtquartier betrachtet, sondern zugleich die in den Bestandsgebieten bestehenden Verkehre und deren Bedarfe berücksichtigt und mit betrachtet. Angestrebt wird eine insgesamt verbesserte Verkehrsinfrastruktur, die auch die Chance darstellt, bisher bestehende Probleme und Hindernisse im Bestand zu beseitigen (wie z.B. die fußläufige Verbindung zwischen Feudenheim und Käfertal, Völklinger Straße). Trotzdem wird es durch die neuen Bewohnerinnen und Bewohner in Käfertal Süd zu neuen Verkehren und damit auch zu Mehrverkehren kommen. Durch das integrierte Planen und Vorgehen und ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept sollen unzumutbare Verkehrsbelastungen im Wohngebiet vermieden werden.
Vom Zeitplan her will man den Kauf des Geländes von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) möglicherweise 2018 unter Dach und Fach bringen – hierzu braucht es aber die Zustimmung der Landesregierung, die noch nicht erteilt worden ist. 2019 könnten die ersten Arbeiten im nordwestlichen Teil beginnen, im südöstlichen Teil sollen bis Ende 2019 keine Flüchtlinge mehr untergebracht sein, womit hier die Arbeiten ab 2020 beginnen sollen.
Knackiger Zeitplan
Der Zeitplan ist “knackig” und vor allem durch die politischen “Verhandlungen” im Vorfeld enorm unter Druck geraten. Weil erst im Sommer 2017 das Sanierungsgebiet “Spinelli Barracks” “förmlich” beschlossen worden ist, drängt die Zeit. Der Streit um eine Verlegung der Straße “Am Aubuckel” hat wertvolle Zeit gekostet.
Die Planer gehen nach unseren Informationen davon aus, dass die Zeit gerade noch reicht. Weitere Verzögerungen könnten sich negativ auf die für 2023 Bundesgartenschau (Buga) auswirken, die überwiegend auf dem Spinelli Gelände veranstaltet werden soll. Geplant ist nach unseren Informationen, dass in den “Parkschalen” bereits 2019 eine ganze Reihe von Bäumen über vier Meter, eher sechs Meter gesetzt werden, um die Kante zu bilden. Auch erste Bebauungen sollen in den Neubaugebieten bereits realisiert sein – möglicherweise mit “IBA”-Charakter. Das würde bedeuten, dass man bevorzugt vom Park in Richtung Norden zu bauen beginnt.
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Am Wochenende lud die Stadt Mannheim zu einer Bürgerinformation auf dem Spinelli-Gelände in die so genannte “U-Halle” ein, die zurückgebaut erhalten bleiben soll. Gut 300 Besucher interessierten sich für das Angebot. Bürgermeister Lothar Quast begrüßte kurz mit einer Reihe von Vertretern anderer Beteiligter, die hinterher an Info-Ständen für Fragen und Anregungen zur Verfügung standen.
Grünzug Nordost ist das Hauptprojekt – aber Käfertal Süd ist trotzdem eine gewaltiges Neubauprojekt
“Die wesentlichen Planungsziele sind die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum und die großzügige Öffnung der Spinelli Barracks zu einem durchgängigen Frischluftkorridor und einem neuen Freiraum für alle Mannheimerinnen und Mannheimer. Die Anpassung der Neubebauung an Käfertal wird bei einer gleichzeitig zeitgemäßen sowie situativ dichteren und höheren Bebauung daher konsequent verfolgt. Auf die kleinteilige Bestandsbebauung wird sensibel eingegangen und eine abgestufte Höhenentwicklung, die zum Park hin zunimmt, beachtet”, teilt die Stadtverwaltung Mannheim ihre Sicht mit:
Eine ausschließliche 2- bis 3-geschossige Bebauung ist jedoch vor dem Hintergrund der Planungsziele sowie der gesamtstädtischen Entwicklungsziele nicht umsetzbar. Die Lage der Spinelli Barracks in direkter Nähe zur Innenstadt hat für die Entwicklung neuer Wohnbauflächen unter Berücksichtigung aller Planungsziele klare Standortvorteile gegenüber der Entwicklung in städtischen Randlagen.
Rund 40 Anregungen von Anwohnern sind bis heute eingegangen. In dieser Woche lädt die Stadt Anrainer zu einer nicht-öffentlichen Informationsrunde ein, die sich im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung mit Eingaben an die Stadt gewandt hatten. Weitere öffentliche Informationsveranstaltungen sind auch im kommenden Jahr geplant. Bis Jahresende 2018 muss dann der Bebauungsplan stehen, sonst kann 2019 nicht begonnen werden.
Ist Widerstand vorprogrammiert?
In der Vergangenheit machten verschiedene Bürgerinitiativen unter Mitwirkung lokaler Medien mobil – man darf gespannt sein, ob man sich dort nun kooperativ verhält oder weiter mit aller Macht versucht, das Projekt weiter zu verzögern oder zu beschädigen.
Denn die Nichtverlegung der Straße “Am Aubuckel” ist ein erheblicher Schaden des früheren Konzepts, das eine Verlegung der Straße vorsah. Insbesondere Gegner aus Feudenheim werden sich nun wundern, denn die vielbefahrene Straße bekommt nun eine deutliche Steigerung des Verkehrs – auch nach Feudenheim hinein, denn insbesondere aus dem westlichen Teil des Neubaugebiets werden Bewohner auch die Infrastruktur der Läden in der Feudenheimer Haupstraße nutzen. Andere werden über den Wingertsbuckel zur Sudentenstraße fahren. Ohne die Straße “Am Aubuckel” wäre das nicht passiert.
Auch eine Straßenbahntrasse durch bestehendes Gebiet könnte Anlass für Proteste sein – man denke nur an die Aktionen beim Projekt Stadtbahn Nord. Die ist realisiert – aber das Projekt kostete jede Menge Nerven und einen enormen Aufwand. Die Stadt Mannheim hält viel auf sich, was Bürgerbeteiligung angeht und ist hier mindestens vom Umfang her tatsächlich vorbildlich. Mal schauen, ob man an den Qualitätsschrauben drehen kann.
Interessant wird sein, ob die Stadt ihr selbstgewähltes Ziel von 30 Prozent “bezahlbarem Wohraum” wird realisieren können – viele Investoren sind darüber nicht begeistert, denn Neubauten mit Mieten unter zehn Euro sind kaum zu finanzieren. Immobilienbesitzer dürfen in die Hände klatschen – der Grünzug Nordost steigert den Preis der Immobilien im Umfeld wesentlich.
Aber ein mögliches Bauvorhaben wird, sollte es konkret werden, für mächtig Ärger sorgen. Der kolportiere Neubau einer Moschee auf dem Gelände des Netto-Marktes an der Neustadter Straße. Hier gibt es Hinweise, dass die Betreiber radikale Salafisten sein sollen. Die bisherige Al-Faruq-Moschee in der Neckarstadt wird jedenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet. Ein solches Gebäude in der Nähe eines Neubaugebiets wird erstens Investoren nicht begeistern und zweitens gewisse Neubewohner nicht.
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