Mannheim, 07. Oktober 2017. (red/pro) Am Donnerstagabend gab es ein Treffen zwischen Mitgliedern der Stadtverwaltung, darunter Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, Planern, Projektbeteiligten und Journalisten in einer ausgewählten Gastronomie. Auf Kosten der Stadt Mannheim. Eingeladen wurde zu einem “Hintergrundgespräch” zu weiteren Planungen auf der Konversionsfläche Spinelli. Einen Tag später waren zentrale Informationen auf dem Onlineportal einer ortsansässigen Lokalzeitung zu lesen. Geht das in Ordnung? Nein, geht es nicht.
Von Hardy Prothmann
Die Forderung nach hoher Transparenz ist in aller Munde. Die Bürger wollen alles wissen, was “der Staat” so plant. Der Anspruch geht in Ordnung, weil jeder Bürger Teil des Staates ist und damit aufgerufen, Bescheid zu wissen und sich zu beteiligen.
Nicht in Ordnung geht, wenn der einzelne Bürger oder kleine Gruppen denken, dass Ihre Sicht für alle anderen gelten muss.
Schon gar nicht in Ordnung geht, wenn Medien solche “pressure groups” ohne vernünftige Prüfung mehr Raum geben als anderen, die sich nicht zum Druck machen verabreden. Das erzeugt eine Verzerrung der realen Verhältnisse.
Ebenso geht nicht in Ordnung, wenn Medien Claqueure besonders hervorheben und die “Allgemeinheit” vernachlässigen.
Gar nicht in Ordnung geht, wenn einzelne Medien sich auf “Hintergründe” einlassen und dann sofort den eigenen Vorteil suchen.
Lieber Herr Proetel, ich habe Sie als anständigen Kollegen kennengelernt. Im Gegensatz zu Ihrem Chefredakteur Dirk Lübke geben Sie mir die Hand, der Druck ist angemessen, Sie können mir in die Augen schauen, Ihre Ausstrahlung ist unaufgeregt respektvoll und wird so erwidert.
Wir haben noch keinen kollegialen Austausch geführt, weder zu Themen noch zu Journalismus. Macht nichts. Grundsätzlich mag ich ihren Auftritt. Sie verhalten sich persönlich korrekt. Und das ist gut so.
Am Donnerstagabend waren Sie und ich und andere Journalisten zu einem “Hintergrundgespräch” eingeladen. Es ging nicht um “Alarmstufen rot”, wie in Ihrer Zeitung bereits zu lesen war, sondern um grundsätzliche Vorstellungen der Verwaltung, wie das Konversionsgelände Spinelli erschlossen werden könnte.
“Hintergrund” heißt: Nicht presseöffentlich, sondern Vorinformation.
Wenn Sie, sehr geehrter Herr Proetel, unsere Berichterstattung verfolgen, dann wissen Sie, dass wir viele Hintergrundgespräche führen, aber erhebliche Probleme damit haben, wenn uns jemand damit “einnorden” oder “verhaften” oder “einbetten” will. Das lehne ich als Redaktionsleiter rigoros ab.
Die Stadt Mannheim hat das nicht versucht. Sie hat ein nettes Ambiente bei gutem Essen geschaffen und offen informiert. Es war nicht “unter drei”, weil verschiedene Medienvertreter eingeladen waren. Eingeladen waren Medienvertreter, die tatsächlich journalistisch relevant sind.
An diesem Punkt wird es kritisch, sehr geehrter Herr Kollege. Sie suchen einen Vorteil, indem Sie relevante Informationen aus diesem Informationsabend nicht als Hintergrund behandeln, sondern umgehend öffentlich machen.
Das können Sie so machen. Aber das ist halt unanständig.
Sie zerstören damit eine Kultur des informationellen Austauschs.
Ich bin kein Pressesprecher der Stadt Mannheim und berichte nachgewiesen zu deren Verwaltung unabhängig und kritisch. Als verantwortlicher Redakteur bin ich nicht eben als “Verwaltungsliebling” bekannt, weil ich oft und belegt Probleme offen angehe und thematisiere.
Aus dieser Position heraus bin ich allerdings hochgradig irritiert, wie Sie sich verhalten, Herr Kollege Proetel.
Was soll das? Sie verschaffen sich kurzfristig einen Vorteil, indem Sie vermeintlich “exklusiv” berichten. Tatsächlich tragen Sie zur allgemeinen Verunsicherung bei und sorgen dafür, dass es keine “Hintergrundgespräche” mehr geben wird, weil die Gesprächspartner sich nicht auf das Format verlassen können. Nicht nur bei der Stadt Mannheim – auch andere lesen mit und machen sich Gedanken.
Selbstverständlich stehen wir in Konkurrenz. Die Informationen aus diesem Hintergrundgespräch unmittelbar zu veröffentlichen, ist aber keine konkurrierende Leistung, sondern nur eine Frage “wer bringt es zuerst”.
Ganz ehrlich, sehr geehrter Kollege Proetel – das hat nichts mit Journalismus zu tun, sondern bewegt ich auf dem Niveau von Marktschreierei. Die entscheidende Frage ist: Wer ordnet die Themen zuerst vernünftig ein oder verfolgt das Thema über längere Zeit und berichtet inhaltlich zuverlässig.
Ihr Verhalten, sehr geehrter Herr Kollege, führt dazu, dass uns Journalisten immer mehr Menschen misstrauen. Das führt dazu, dass wir Journalisten immer weniger authentische Informationen erhalten. Das führt dazu, dass wir Journalisten immer mehr im Nebel stochern müssen.
Sie, Herr Proetel, sind wie ich und andere über den “Hintergrundcharakter” informiert worden. Sie haben sich nicht dran gehalten. Warum sollte sich die Stadt Mannheim künftig an Regeln halten? Weil sie Behörde ist? Ja, die Behörde muss Regeln einhalten, weil es sonst unbequem wird.
Ich führe meine Redaktion übrigens wie eine Behörde oder versuche das zumindest. Alles muss seinen “sozialistischen Gang” gehen. Das ist ätzend und anstrengend und kompliziert. Aber das bringt uns beim RNB auf Augenhöhe mit Behörden. Wir wollen alles genau und abgesichert. Das dauert seine Zeit, deswegen sind wir manchmal hinter andern Medien zurück, aber inhaltlich Lichtjahre voraus.
Übrigens, Herr Proetel, damit Sie konkret mit Konsequenzen konfrontiert sind.
Ich habe mich heute explizit über Sie bei der Stadt Mannheim beschwert.
Ihren Namen habe ich nicht genannt, nur Ihr Medium, weil ich noch den Eindruck habe, dass das nicht zwingend deckungsgleich ist.
Ich möchte von der Stadt wissen, wie diese mit Ihrer Grenzverletzung umgeht und ob angesichts dieser Grenzverletzungen weitere Hintergrundveranstaltungen möglich sind und in welchem Format diese ablaufen können. Erhalte ich darauf keine vernünftige Antwort, werde ich jeden Pups twittern. Einfach, um Regeln zu erzwingen.
Sie, Herr Proetel, sind mir als politischer und verantwortlicher Journalist kein wirklicher Name. Soweit ich weiß, sind Sie Lokalchef. Und damit in hervorgehobener Position.
Der persönliche Umgang mit Ihnen ist von beiden Seiten freundlich und respektvoll, was ich schätze. Inhaltlich gibt es bislang keinen Dissens. Ich folge nicht immer Ihren Sichtweisen, aber ich finde, dass Sie diese vernünftig anbieten. Ich merke Ihren Berichten und Kommentaren an, dass Sie sich unabhängig anstrengen.
Wenn Sie allerdings journalistische Standards weiterhin verletzten, verliere ich Goodwill auf Ihre Arbeit. Ich kündige Ihnen das sehr freundlich und sehr transparent an – wie immer vorbildlich, denn die “Zeitung” konnte bislang überhaupt nicht vorbildlich dadurch glänzen, dass sie ordentlich und umfassend über den medialen Wandel informiert.
Sie sehen es mir nach – die krachende Niederlage vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe war Ihrem Medium auch keinerlei Anlass nötig, mal über die eigenen Arroganz nachzudenken. Der Großverlag Mannheimer Morgen hat gegen einen freien Journalisten in einer Grundsatzfrage, nämlich Meinungsfreiheit, verloren.
Sie Herr Proetel haben damit nicht persönlich zu tun. Indirekt aber schon und aktuell ganz konkret, indem Sie Verabredungen verletzen.
Die Stadt Mannheim hat Ihrem Medium und anderen ein Angebot gemacht – zur Information. Niemand wurde “verhaftet”. Ihr Bericht stört diesen Vertrauensvorschuss.
Damit bin ich beim Thema, Kollege.
Sie stören meine Arbeit durch schlechte Arbeit von Ihrer Seite.
Sie erzeugen Unruhe und Chaos. Wie soll ich darauf reagieren?
Sie untergraben Vertrauen – ohne Vertrauen in Journalismus gibt es keinen mehr.
Sie opfern für einen Bericht, der Ihr Medium vermeintlich in Vorteil bringt, sehr viel journalistische Substanz, Herr Proetel. Können Sie das verantworten?
Wissen Sie was, Herr Proetel? Ich frage mich, ob Sie diesen kleinen Erfolg nötig haben.
Vielleicht können Sie einfach nicht mehr, als Regeln zu brechen, um einen vermeintlichen Vorteil zu erreichen.
Das wäre bedauerlich, aber in “guter” Tradition zu Ihrem Chefredakteur.
Mir wurde kolportiert, Sie seien dessen “Zögling”. Das hat mich vollständig irritiert, erstens, weil ich Ihre Berichte insgesamt in Ordnung finde, was nicht für den vermeintlichen Lehrmeister gilt, zweitens, weil Sie im Gegensatz zu Ihrem mutmaßlichen Zauberer freundlich und kollegial auftreten.
Vielleicht, Herr Proetel, sollten wir mal einen Kaffee trinken.
Dabei sollten Sie aber alle Frontlinien beachten und alles durchdenken – oder einfach hier unter dem Artikel ein Kommentar schreiben.
Ich bin sicher, dass Sie das Format haben, das Ihrem Chefredakteur ganz eindeutig fehlt.