Mannheim, 24. Mai 2017. (red/momo) Die Aufsichtsräte der Fleischversorgungszentrum Mannheim GmbH (FVZ) und der Stadt Mannheim Beteiligungsgesellschaft mbH (SMB) haben sich darauf geeinigt, den Schlachtbetrieb der FVZ einzustellen. Nach unseren Informationen noch 2017. Die Unterhaltung eines Fleischmarktes zur Belieferung von Metzgereien, Gastronomie und weiteren Großkunden, bleibt bestehen. Das vorerst letzte Wort hat am 25. Juli der Gemeinderat.
Von Moritz Bayer
Seit dem Rückzug des größten Schlachtkunden (Edeka) im Juli 2016 hat sich die wirtschaftliche Situation der FVZ gravierend verschlechtert. Bereits in den Jahren zuvor mussten zunehmend höhere Verluste aufgrund von Kostensteigerungen in sämtlichen Bereichen verzeichnet werden. Die Mieteinnahmen von Großhändlern und Fleischverkäufern reichen bei weitem nicht aus, um die Kosten zu decken.
Da bisher kein neuer Großkunde gewonnen werden konnte, bleibt den Gesellschaftern wohl nichts andere übrig, als den defizitären Schlachtbetrieb einzustellen. Auch ein branchenerfahrener Unternehmensberater konnte keine signifikanten Kostenreduzierungen aufzeigen. Die Erlöse von den verbliebenen Bestandskunden können das jährlich entstehende Defizit von zuletzt rund 1,1 Millionen Euro bei weitem nicht decken.
Massiver Rückgang der Schlachtzahlen
Ein Blick auf die Rückgänge der Anzahl geschlachteter Schweine verdeutlicht die angespannte Lage:
- 2012: 470.435 Stück
- 2013: 460.460 Stück
- 2014: 446.524 Stück
- 2015: 403.058 Stück
- 2016: 253.031 Stück
Die geschlachteten Rinder, Ziegen und anderen Tiere machen mit Zahlen unter 3.000 Tieren einen vergleichsweise geringen Teil aus.
Defizit zwingt die Stadt Mannheim zum Handeln
Das Defizit wirkt sich auf das Betriebsergebnis der SMB negativ aus. Die FVZ ist laut Stadt aktuell der größte Verlustbringer innerhalb der SMB-Gruppe. Daher entsteht bei der Gesellschafterin Stadt Mannheim (Gesellschafterin des FVZ ist die SMB) ein erhöhter Handlungsdruck.
Die Geschäftsführung von FVZ und SMB haben sich juristisch und betriebswirtschaftlich beraten lassen. Dabei wurden drei Handlungsalternativen aufgezeigt, die den Aufsichtsräten vorgestellt und auf der Klausurtagung intensiv diskutiert wurden: Eine Liquidation der FVZ, eine Verschmelzung mit der GrossMarkt Mannheim GmbH (GMM) und anschließende Stilllegung des Schlachtbetriebs sowie der Fortbestand der FVZ mit Fortführung des Vermietungsgeschäftes und Einstellung des Schlachtbetriebs.
Schwierige Suche nach Investoren
Auf letztere Variante haben sich die Aufsichtsräte mit den Geschäftsführungen geeinigt, dies sozialverträglich umzusetzen. Eine spätere Liquidation oder Verschmelzung mit der GMM ist damit nicht ausgeschlossen. Auch könnte eine Lösung sein, den Betrieb durch einen Privatinvestor zu retten. Die bisher erfolglose Suche nach einem solchen gestaltet sich aber auch deswegen schwierig, weil dieser zuerst große Summen in Sanierungsarbeiten der Räumlichkeiten und Anlagen setzten müsste.
Die endgültige Entscheidung wird durch den Gemeinderat am 25. Juli getroffen. Zuvor werden die Mitglieder der Aufsichtsratssitzung der SMB (3. Juli), des FVZ (5. Juli) sowie des Hauptausschusses (18. Juli) darüber beraten, beziehungsweise abstimmen.
Bei Schließung drohen weitreichende Folgen
Das drohende Aus für den Schlachtbetrieb mag auf den ersten Blick eine Kostenfalle für die Stadt Mannheim beseitigen. Doch die Folgen könnten weitreichend und für Endverbraucher nach kurzer Zeit auch merklich spürbar werden. Wolfgang Guckert, der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Rhein-Neckar e.V., warnt:
Das FVZ Mannheim ist der drittgrößte Schlachthof Baden-Württembergs. Eine Schließung würde bedeuten, dass sich jeder Landwirt, der seine Tiere bisher dorthin gebracht hat, die Frage stellen muss, ob es sich für ihn lohnt, nach Alzey oder Crailsheim (die nächstgelegenen Schlachthöfe, Anm. d. Red.) zu fahren. Besonders kleine Betriebe können dies mit Sicherheit nicht leisten und werden ihre Viehzucht einstellen.
Die Betriebe, die es zumindest versuchen wollen, müssen aufgrund der weiten Strecken deutlich höhere Fahrtkosten einkalkulieren, die sie letztendlich an die Kunden weitergeben müssen. Auch sind Viehtransporte ab einer bestimmten Fahrtlänge problematisch und bedeuten zusätzlichen Stress für die Tiere.
Die logische Folge ist, dass lokale Verkäufer dem Endkonsumenten vermehrt Fleisch aus Versandschlachtereien anbieten müssen. Damit treten sie aber in Konkurrenz zu den großen Supermarktketten – ein aussichtsloser Kampf. Zahlreiche Schließungen und ein stark vermindertes Angebot sind somit absehbar. Betroffen sind davon dann nicht nur Mannheim, sondern auch Heidelberg und der gesamte Rhein-Neckar-Kreis, sowie die anliegenden Pfalzgemeinden.
Ob der Fleischmarkt weiter durch das FVZ betrieben wird oder dem Großmarkt angegliedert wird, ist noch offen.
Eine im vergangene Jahr durch die von uns als dubios eingeordnete Organisation „Peta“ gestellte Strafanzeige gegen das FVZ führte zu keinem Verfahren. Die Ermittlungen wurden eingestellt.