Rhein-Neckar, 03. Juli 2018. (red/pro) Journalistische Arbeit besteht aus sehr vielen “Skills”. Basis von allem ist die Recherche – und das ist ein sehr weites Feld, das niemand umfassend darstellen kann, weil es zu viele Varianten gibt. Doch es gibt eine überschaubare Zahl von Grundregeln, die auch nicht-Journalisten kennen sollten, die publizistische Inhalte nutzen. Es wäre zudem von Vorteil, wenn Journalisten wenigstens die Basisregeln kennen würden – doch auch das darf man in Zweifel ziehen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag wurde “inspiriert” durch einen Beitrag der größten deutschen Nachrichtenagentur dpa, die was über “Verifikation” veröffentlicht hat. Es obliegt ihrem Vergleich, welche Meinung Sie sich über die jeweilige Veröffentlichung bilden.
Von Hardy Prothmann
Beim Rheinneckarblog gilt ein Kanon von Regeln. Diese sind aus Erfahrung entstanden und nicht von Gott gesandt, sondern von mir.
Die 11 Gebote
- Traue keinem.
- Ohne Vertrauen ist alles nichts.
- Wir beachten die Regeln der deutschen Rechtschreibung und Grammatik.
- Außer, ein Regelbruch funktioniert besser.
- Wir nennen unsere Quellen transparent (außer, diese müssen geschützt werden).
- Unsere Fakten sind immer gecheckt.
- Korrektheit geht vor Schnelligkeit.
- Fehler werden transparent korrigiert.
- Wir beachten den Pressekodex.
- Wir berichten bewusst subjektiv, weil objektiver Journalismus nicht möglich ist.
- Wenn eine Regel fehlt, finden wir eine.
Zu Regel 3: Wir bemühen uns, haben aber kein Geld für einen Korrektor. Rechtschreibfehler passieren also, was wir bedauern. Bei dem enormen Ausstoß an Texten nehmen wir das als Kollateralschaden hin. Wenn Sie sich daran stören, können Sie jederzeit an redaktion (at) rheinneckarblog.de schreiben. Wir korrigieren möglichst schnell, auch sonstige Fehler. Sollten diese bedeutend sein, greift Regel 8.
Basis sind die W-Fragen
Basis einer jeden Recherche sind die W-Fragen. Wer, wann, wo, was, warum? Wir fragen also immer nach den Handelnden (Personen, Tiere, Behörden, Unternehmen usw.). Wir fragen immer nach dem Ort. Wir fragen immer nach der Zeit. Wir fragen immer nach dem Geschehen und der Handlung. Wir fragen immer nach Gründen.
Und je nach Zeit, Ort und Umständen können unsere Fragen mal eindeutig oder nicht eindeutig beantworten werden, selbst, wenn man sie beantworten könnte. Dagegen stehen viele Rechte und Pflichten: Mal wird noch ermittelt, mal geht es um schutzwürdige Personen (Kinder und Minderjährige). Meistens muss man Geduld haben und Ansprechpartnern auch Zeit geben, damit die sich kundig machen und vernünftig (also geprüft) informieren können. Mal wird man aber auch hingehalten. Oder jemand weicht aus, weil klar ist, dass Stress ansteht. Was wann wie vorliegt und wer wie handelt, ist immer wieder neu.
Diese W-Fragen können beliebig erweitert und mehrfach gestellt werden, wenn es mehrere Handelnde gibt, mehrere Orte, mehrere Zeiten und andere W-Fragen, die sich ergeben.
Der Zweifel ist das oberste Gebot
“Traue keinem” als oberstes Gebot habe ich von Christoph Maria Fröhder übernommen, einem renommierten Krisenreporter und investigativen Journalisten, von dem ich viel gelernt habe. Ob er diese Haltung selbst entwickelt hat, weiß ich nicht. Er hat sie aber angewendet und ich habe das von ihm gelernt. Mit “keinem” ist man auch selbst gemeint: Weiß ich, was ich zu wissen glaube? Habe ich wirklich gesehen, was ich zu gesehen zu haben glaube? Erinnere ich mich zutreffend? Mache ich einen Denkfehler?
Der Zweifel beginnt also immer beim Reporter selbst, denn jeder Journalist ist auch nur ein Mensch und kann sich irren. Insbesondere wenn Journalisten hektische Dinge erleben, können viele Dinge trügen. Das Zeitgefühl, der Augenschein, Geräusche. Nichts, aber auch gar nichts darf “für wahr” genommen werden, wenn es nicht verifiziert ist. Und insbesondere, wenn ein Reporter zu wenig Wissen und zu wenig Erfahrung hat, passieren zwangsläufig Fehler. Aber auch, wenn man zu routiniert ist und “Selbstverständliches” nicht immer wieder in Frage stellt.
Sie fragen zu Recht: Kann man also gar nichts glauben? Einfache Antwort: Ja. Die Lösung: Überprüfen. Und was, wenn keine Überprüfung möglich ist? Dann muss der Zweifel überwiegen und im Fall einer “Berichterstattung” deutlich gekennzeichnet sein. Im Zweifel, insbesondere, wenn diese erheblich sind, verzichten wir solange auf eine Berichterstattung, bis wir eine Information, egal welcher Art, “hart bekommen haben”.
Die Quellen
Eine Quelle ist alles, was eine Information übermittelt. Ein Mensch, ein Dokument, ein Foto, ein Film, was auch immer. Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen Primär- und Sekundärquellen. Eine Primärquelle ist der Ursprung einer Information, eine Sekundärquelle eine weitere Bearbeitung dieser Information – dies kann wiederum zu einer Primärquelle werden, wenn die Bearbeitung eine neue Erkenntnis erbringt, die als “Ursprung” gewertet werden kann.
Ein Beispiel: Eine Behörde gibt eine amtliche Information heraus. Das ist die Primärquelle. Ein Medium berichtet darüber. Der Bericht ist damit eine Sekundärquelle. Bearbeitet das Medium das Thema aber derart umfangreich, dass weitere Quellen hinzukommen, die eine neue Erkenntnis erstmalig ergeben, dann ist diese exklusive Arbeit wiederum eine Primärquelle, die sich auf andere Primär- und Sekundärquellen stützt.
Was jeder Journalist und jeder Leser beachten sollte
Beim Umgang mit Informationen, egal, ob als Rezipient, als Nutzer von medialen Inhalten (oder anderer Informationen) oder als Journalist, müssen immer grundsätzliche Prüfmechanismen laufen, die wiederum mit W-Fragen beginnen:
Wer ist der Sender der Information?
Kennt man die Quelle? Handelt es sich um eine “glaubwürdige” Quelle? Handelt es sich um eine Privatperson, eine Firma, eine Behörde? Bei einer namentlichen Nennung: Kennt man den Autor? (Das muss nicht persönlich der Fall sein, wer RNB liest, kennt im Laufe der Zeit die meisten Autorenamen und weiß, dass Hardy Prothmann der Redaktionsleiter ist.) Gibt es ein Impressum? Diese Frage ist wesentlich, weil hier aufgeführt sein muss, wer inhaltlich verantwortlich ist. Sind die Informationen stimmig? Sehen die Angaben vertrauenswürdig aus? Ein Beispiel: Als verantwortlich gibt sich ein Horst Meier aus. Es wird ein Firmenname aufgeführt und eine Adresse. Es lässt sich per Suchmaschine leicht recherchieren, ob es den Mann und die Firma am Standort tatsächlich gibt. In sozialen Netzwerken kann sich jeder Horst Meier nennen – auch hier gibt es eine Impressumspflicht, wenn es sich um ein redaktionelles Angebot handelt.
Wir führen diese Recherchen immer bei jeder Website durch, wenn wird dies nicht an anderer Stelle bereits getan haben.
Wie wird die Information übermittelt?
Eine Zeitung ist eine Zeitung, ein Buch ein Buch. Auch hier finden sich immer bibliografische oder redaktionelle Informationen. Damit sollte jeder vertraut sein. Im Internet gibt es eine Fülle von Inhalten, die mal eine Website sind, mal ein Blog, mal ein Forum oder vielfältige andere Angebote wie Facebook, Youtube, Instagram, Twitter usw. Sie können es aber auch mit einem Brief oder einem Plakat zu tun haben. Oder einer Visitenkarte. “Trägermedien” für Informationen gibt es viele. Auch Radio und Fernsehen gehören dazu.
Checken Sie also das Trägermedium und prüfen Sie, ob es “wahrhaftig” ist. Ein Plakat oder eine Visitenkarte sind leicht zu fälschen. Man könnte auch die Website von RNB fälschen – technisch machbar ist das, wenn Hacker beispielsweise eine Seite übernehmen und verändern. Aber das ist enorm aufwändig und eher selten der Fall. Wenn Sie eine Radiofrequenz wählen oder einen TV-Sender, können Sie fast sicher sein, dass sie beim Original landen – auch das wäre theoretisch zu manipulieren, aber das ist eher unwahrscheinlich. Und wenn Sie vor einem Gebäude (Trägermedium) stehen, auf dem “Rathaus” steht, stehen Sie vermutlich vor einem Rathaus. Es könnte aber auch ein früheres Rathaus sein. In Mannheim finden Sie beispielsweise frühere Rathäuser, an denen noch Rathaus steht, obwohl sie keine mehr sind. Häufig befinden sich darin Bürgerdienste, also Verwaltungseinheiten des tatsächlichen Rathauses, aber die sind nicht “das” Rathaus. Und der Rat, also der Gemeinderat tagt im Stadthaus und nicht im Rathaus. Es kommt also immer auf die Details an.
Wie ist die “Anmutung” der Information?
Wenn Sie den Sender und das Trägermedium gecheckt haben, geht es an die Information an sich. Wie ist diese aufgemacht, wie ist also die “Anmutung”? Sieht das echt aus? Wirkt das glaubwürdig? Wirkt es seriös oder schräg? Kennen Sie sich mit der Information aus oder nicht? Können Sie also “auf den ersten Blick” erkennen, dass es sich vermutlich um eine echte, also verifizierbare Information handelt? Je besser Sie eine Quelle kennen, umso eher können Sie das beurteilen. Alle Fotos, Grafiken oder Videos im Internet können grundsätzlich gefälscht oder in der Aussage verändert sein – selbst, wenn sie bei seriösen Medien erscheinen. Denken Sie an die manipulierten Bilder der Regierungschefs beim Trauermarsch in Paris nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Es sah so aus, als gingen sie zusammen mit Bürgern, tatsächlich gab es sehr große Sicherheitsabstände zum Schutz der Funktionsträger. Wie ist die Sprache, seriös oder reißerisch? Tauchen merkwürdige Wörter auf, die man in seriösen Informationen nicht erwartet? Richtet sich die Information wahrnehmbar gegen gewisse Personen? Gibt es dafür plausible Gründe, werden diese genannt?
Wann wird eine Information übermittelt?
Behörden und Ämter informieren in aller Regel Montag bis Freitag zu den jeweiligen Geschäftszeiten. Teils hat sich das durch das Internet verändert, teils gibt es aber rund um die Uhr Informationen, Beispiel: Polizeimeldungen. Dennoch ist die genaue Feststellung des Datums von großer Bedeutung. Beispiel: Irgendjemand teilt auf Facebook eine “aufregende” Nachricht. Andere teilen diese und wie bei einem Schneeballsystem geht diese Nachricht “viral”, verbreitet sich also in Windeseile. Wer jetzt nicht prüft, von wann die Information ist, fällt auf die Nase. Denn häufig werden bereits alte Informationen neu “kommentiert” und irgendwo eingestellt. Durchaus auch mit glaubwürdigen Inhalten, also ein Bericht eines seriösen Mediums. Doch der Check des Datums zeigt: Ui, das war ja schon vor vier Jahren.
-Anzeige- |
Was ist der Inhalt der Information?
Allen, wirklich allen Informationen, die irgendwie “sensationell” sind, die “außergewöhnlich” sind, die irgendwie “emotionalisieren”, also bedrückt machen oder erschrecken oder wie auch immer eine Gefühlsreaktion auslösen, ist immer erstmal absolut zu misstrauen. Wer auf eine solche Information stößt, sollte auch innerlich auf Distanz gehen. Insbesondere dann, wenn irgendeine Verschwörung benannt wird und die Information unvollständig ist. Bei allen derartigen Informationen muss dringend gecheckt werden, ob es diese oder ähnliche Informationen insbesondere bei seriösen Anbietern auch gibt. Auch hier gelten die W-Fragen: Eine lokale “Sensation” werden Sie nur vielleicht nicht bei überregionalen Medien finden, weil diese die Information für nicht so relevant halten. Beispiel: Der Mord an einer Studentin in Freiburg. Die Tagesschau schätzte das Thema zunächst völlig falsch ein und entschied sich trotz Kenntnis, nicht darüber zu berichten. Umgekehrt ist es eher unwahrscheinlich, dass lokale Medien “exklusive” Themen aus weiter entfernten Orten oder gar dem Ausland haben, denn in aller Regel hat man dort keine eigenen Mitarbeiter. Auch Top-Ereignisse, die erwartet werden, sollten sie kritisch betrachten. Beispiel: Der angebliche Rücktritt von Horst Seehofer wurde von verschiedenen Medien am vergangenen Sonntag als Fakt berichtet, weil man als erster mit der Nachricht raus wollte – doch der Mann ist bis heute im Amt.
Hinweis: Bei uns erkennen Sie immer die Quellen, schon im Vorspann. Dort finden Sie eine Klammer (red/xx). Wir beginnen immer mit red, wenn es sich um redaktionelle Inhalte handelt. Sonst steht hier beispielsweise Anzeige. Dann folgt die weitere Quelle: pol steht für Polizei, pm für Pressemitteilung, fw für Feuerwehr (die Abkürzungen finden Sie im Impressum). Zusätzlich geben wir vor dem Text fast immer die Quelle an, außer bei kleineren Beiträgen, wo diese aber in der Klammer genannt sind.
Bei Informationen von Dritten, die wir interessant für unsere Leserschaft finden, aber nicht selbst erarbeitet haben, steht immer vorab: Information von xy. Hinweis: Sehr viele seriöse Medien betrügen täglich ihre Rezipienten, indem sie solche Meldungen etwas umschreiben und als eigene Leistung ausgeben. Umschreiben ist keine redaktionelle Leistung, sondern nur eine Täuschung von Lesern, Hörern und Zuschauen.
Steht bei uns ein Name über dem Text, ist das der oder die Autor/in. Alle Autoren sind verpflichtet, benutzte Quellen kenntlich zu machen (Regel 5). Wer dagegen verstößt, fliegt raus. Und das ist leider schon einige Male passiert – allerdings fast 100 Prozent vor Veröffentlichung, weil meine Nachfragen klare Regelverstöße aufgedeckt haben und damit die Zusammenarbeit beendet war. Ich kann auf Basis meiner Erfahrung fast immer sofort erkennen, ob es ein Problem gibt. Beim RNB gibt es keine Lesertäuschung.
Unsere Regel 5 bedeutet aber auch, dass wir manchmal, sehr selten, aber durchaus, massiv Informationen zu Quellen bewusst verfälschen. Ein einfaches Beispiel: Eine 30-jährige Frau, ledig, kinderlos, aus Mannheim informiert uns über Missstände in einer Firma. Aus der Frau wird möglicherweise ein 25-jähriger Mann aus Ludwigshafen, verheiratet in zweiter Ehe mit drei Kindern. Zum Schutz der Quelle verfälschen wir also bewusst persönliche Informationen.
Ein Beispiel finden Sie in diesem Artikel: “Welcome to the jungle“. In diesem Artikel werden Schilderungen von Flüchtlingen dargestellt, die wir nicht überprüfen konnten. Mal angenommen, jeder der vielen Personen hätte die Wahrheit erzählt, könnte das für die Personen selbst in Deutschland oder nach einer Abschiebung ins Heimatland möglicherweise lebensgefährlich sein. Wir haben also die Details der Schilderungen einmal ordentlich umgerührt, so dass sich nicht erkennen lässt, wer was erzählt hat und einen Hinweis im Artikel gegeben.
Handelt es sich um nicht regelmäßige Autoren steht entweder Gastbeitrag dabei oder an anderer Stelle wird darauf aufmerksam gemacht. Manchmal im Vorspann, manchmal im Text, manchmal am Ende. Die Person wird aber immer eingeordnet, außer, es gibt Gründe, warum nicht, dann wird dies aber auch mitgeteilt.
Gegencheck
Eine journalistische Regel lautet, dass Informationen immer von zwei unterschiedlichen (glaubwürdigen) Quellen belegt sein sollten. Im Alltag stößt man hier häufig an Grenzen der Recherche. Beispiele: Die Polizei macht eine Mitteilung. Wie soll man eine zweite Quelle finden, wenn man keine der beteiligten Personen kennt? Oder eine Gemeindeverwaltung informiert, dass man zwei Millionen Euro plus im Haushalt hat – wie soll man dies überprüfen? Eine Privatperson kann das kaum, Journalisten haben höhere Auskunftsrechte, aber kein Recht auf Einsicht in alle Akten. In beiden Fällen handelt es sich um Offizialquellen, also behördliche Informationen, die nach entsprechenden umfassenden Regeln erstellt werden und zunächst glaubwürdig sind. Sie können trotzdem Fehler enthalten oder auch bewusst gefälscht sein. Dies ist aber so gut wie nie auf Anhieb zu überprüfen.
Stoßen Sie auf eine Information, die Sie nach allen bereits genannten Kriterien als mindestens “ungewöhnlich” empfinden, schauen Sie, ob sie bei seriösen Quellen ähnliche Informationen finden. Achten Sie, sofern Sie fündig werden, aber sehr darauf, auf welche Quellen sich diese anderen Quellen beziehen und ob die Inhalte ähnlich oder gleich sind. Agenturtexte finden Sie zum Beispiel ständig gleich bei allen möglichen Medien. Mal im Original, mal umgeschrieben, mal ergänzt oder gekürzt. Die gemeinsame Quelle ist die Agenturmeldung. Was aber, wenn die Agentur einen Fehler gemacht hat oder tendenziös berichtet? Nennt die Agenturmeldung ihrerseits Quellen? Kann man die Originalinformation dort finden? Oder schreiben die einen Medien von anderen ab, ohne das kenntlich zu machen (gibt es immer häufiger, beispielsweise werden wir gerne kopiert, ohne das wir genannt werden, insbesondere auch von “seriösen” Medien).
Sind die Inhalte plausibel? In einem Bericht steht, die USA investierten “Billionen” in die Rüstung. Ist das plausibel oder nur ein Übersetzungsfehler, weil aus englisch billion eine Billion und nicht richtigerweise deutsch Milliarde wurde? Kann es sein, dass es in Mannheim 80.000 Unfälle in einem Jahr gegeben hat, also im Schnitt 220 am Tag oder hat sich da aus Versehen eine Null dazugeschmuggelt und es waren 8.000, also 22 am Tag, was viel plausibler ist. Spricht eine zitierte Person für sich oder gibt sie wieder, was sie aus dritter Hand hat? Wer wird zitiert? Ein Beamter (zur Wahrheit verpflichtet) oder irgendein “Augenzeuge”? Handelt es sich bei der Quelle um eine seriöse Person oder um eine, die eigene oder fremde Interessen verfolgt? Wenn es Politiker sind, ist immer Vorsicht geboten: Insbesondere bei solchen, die bekannt dafür sind, dass sie sich eben nicht seriös äußern, sondern gerne mal etwas verdrehen, auslassen oder missverständlich formulieren. Was sagen andere Politiker zum gleichen Thema? Möglicherweise auch nur die halbe Wahrheit.
Kann es wirklich sein, dass nur eine Quelle eine Information hat, insbesondere, wenn es sich um ein außergewöhnliches Naturereignis handelt? Um ein schlimmes Verbrechen? Um ein sonstiges Thema, das außergewöhnlich ist? Kann es sein, dass irgendein Internetnutzer mit irgendeinem Namen bessere Informationen hat als professionelle Behörden und Medien?
Welche weiteren Quellen werden in der Information genannt. Sind diese seriös und erreichbar? Ist die Quelle selbst erreichbar? Dann sollte man sie kontaktieren – per Telefon, email oder sonstigen Angaben.
Fazit
Der korrekte Umgang mit Informationen will gelernt sein, wie dieses Basis-Darstellung zeigt. Das journalistische Geschäft ist eigentlich sehr einfach und lässt sich auf die W-Fragen als Ausgangspunkt reduzieren. Aber diese W-Fragen können mit jeder weiteren Informationen enorm anwachsen und erfordern immer hohe Konzentration und Präzision. Und vor allem müssen sie gestellt werden: Wer keine oder nicht die richtigen Fragen stellt, bekommt meist keine oder keine richtigen Informationen.
Journalismus basiert zudem vor allem auf Erfahrung und Kontakten, die man nur über Jahre hinweg erarbeiten kann. Siehe Regel 2: Man muss zu einer Vielzahl von Kontakten Vertrauen aufbauen. Verlässlich sein, viele Hintergrundgespräche führen, ohne sich dabei “verhaften” zu lassen, also Teil von irgendetwas zu werden. Nähe und Distanz müssen immer abgewogen werden. Journalisten dürfen niemals “Komplizen” sein – von wem auch immer.
Journalismus ist wie niemand im Besitz der Wahrheit, weil es “die Wahrheit” nicht gibt. Guter Journalismus arbeitet transparent und damit überprüfbar und rechtsstaatlich verantwortlich. Guter Journalismus zieht alles in Zweifel und macht Zweifel auch kenntlich, wenn eine Verifizierung nicht möglich ist. Guter Journalismus verzichtet auf die Weitergabe von ungeprüften Informationen. Klar muss auch eine “Verdachtsberichterstattung” möglich sein, aber das ist immer der Ausnahmefall.
Wer alles erstmal “glaubt”, ist mit verantwortlich für Fake News, insbesondere, wenn man ungeprüft alles Mögliche teilt. Und mit verantwortlich, dass immer mehr Menschen glauben, dass irgendwie alles “gefaket” ist.
Leider ist zutreffend, dass es auch bei eigentlich seriösen redaktionellen Angeboten tendenziöse Berichte gibt. Teils aus ideologischer Überzeugung, weil Journalisten nicht mehr unterscheiden zwischen der Rollenverteilung als Informationsübermittler vs. Aktivist, teils aus Unvermögen und häufig aus Zeitdruck und Überlastung oder – und das ist besonders verwerflich – aus wohl kalkulierter Skandalisierung, um Schlagzeile zu machen.
Diesem Vorwurf mussten auch wir uns stellen, als wir eine sehr ungewöhnliche Veröffentlichung vorgenommen haben. Dazu stelle ich fest: Wir haben Einiges unternommen, um den fiktionalen Terroranschlag als Fiktion erkennbar zu machen. Mit “Schlagzeile” verdienen wir kein Geld, weil Klicks auf unsere Seite keinerlei Einnahmen bedeuten. Ganz im Gegenteil haben wir rund 10.000 Euro Werbeerlöse verloren, insbesondere durch einen Kunden, der einen Vertrag nicht verlängert hat.
-Anzeige- |
Nach unserer Veröffentlichung am 25. März geschah am Wochenende danach der, ja was jetzt? Mord, Anschlag, erweiterter Suizid in Münster. Und sofort ging das los, was wir in unserem Text thematisiert haben: Die Angst vor Terror, die mangelhafte Vorbereitung der Bevölkerung, vieler Behörden und Medien und damit als Folge sehr viele Fake News.
Lesen Sie nach dieser Lektüre nochmals den von uns veröffentlichten Artikel, der mit der Beschreibung eines Terroranschlags in Mannheim beginnt.
Massiver Terroranschlag in Mannheim
Und dann lesen Sie die Auflösung – hätten Sie alle fragwürdigen Stellen erkannt? Wir schon, jede markierte Stelle wäre für uns überprüft worden, sofern möglich. Und wenn nicht, wären sie zweifelhaft geblieben.
Alle Fakes zum angeblichen Terroranschlag im Überblick
Und weiterhin gilt:
Denken statt “liken”
Achten Sie bei unseren Artikeln auf die Schlagworte unterhalb der Texte, hier finden Sie per Klick andere Texte zum Thema.
Die Auflösung zum obigen Bild und weitere Fotos: