Rhein-Neckar, 21. Februar 2020. (red/pro) Am vergangenen Mittwoch, 19. Februar 2020, startete der Berufungsprozess am Landgericht Mannheim gegen Hardy Prothmann, Herausgeber des Rheinneckarblog, der im Januar 2019 vom Amtsgericht Mannheim zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt worden war, weil er angeblich den öffentlichen Frieden durch die Androhung von Straftaten gefährdet hätte. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. Die Sache (Az: 15 Ns 806 Js 10181/18) muss neu verhandelt werden – aber es ist zweifelhaft, ob dies unabhängig geschieht. Strafverteidiger Maximilian Endler stellte, neben vielen weiteren, zwei Anträge wegen Befangenheit der Vorsitzenden Richterin Spannagel-Schärr – aus Gründen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wer meine journalistische Arbeit kennt, weiß, dass ich ein unermüdlicher Verteidiger des Rechtsstaats bin – oder war. Ich bin bislang fest davon ausgegangen, dass die rechtsstaatlich-demokratische Grundordnung dafür sorgt, dass in diesem Land alles mit rechten Dingen zugeht, die Unschuldsvermutung heilig ist und nur dann Strafen erlassen werden, wenn die Schuld eines Angeklagten zweifelsfrei bewiesen ist.
Ich muss feststellen, dass ich daran leider erheblich zweifeln muss – in eigener Sache, aber seit diesem Erlebnis grundsätzlich auch in anderen Sachen.
Nach einer Veröffentlichung eines Artikels über einen fiktionalen Terroranschlag in Mannheim auf dem Rheinneckarblog (hier der Originaltext, hier der Text mit allen Fakes), ermittelte die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen mich und erwirkte einen Strafbefehl (den bekommt man ohne rechtliches Gehör übergebraten) von 9.000 Euro gegen mich. Dagegen habe ich Beschwerde eingelegt.
Im Dezember 2018 und Januar 2019 fand gegen mich als Angeschuldigtem der Prozess vor dem Amtsgericht Mannheim statt. Das Ergebnis – ich wurde für schuldig befunden und sollte nun 12.000 Euro bezahlen und wäre bei Akzeptanz des Urteils „vorbestraft“. Dagegen habe ich über meinen Strafverteidiger Maximilian Endler Berufung eingelegt.
Dieser Berufungsprozess startete am vergangenen Mittwoch am Landgericht Mannheim, den 19. Februar 2020, unter Vorsitz der Richterin Spannagel-Schärr, 15. Strafkammer. Das Gericht ist mit der Berufsrichterin und zwei Schöffen besetzt. Im Sitzungssaal 1, da, wo häufig schwere Straftaten verhandelt werden, der „Saal für die Mörder“. Es gab eine sitzungspolizeiliche Anordnung, drei Justizbeamte kontrollierten mehr als 20 Zuschauer, darunter vermutlich acht Journalisten.
Mein Strafverteidiger Maximilian Endler stellte mit Prozesseröffnung einen Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden Richterin Spannagel-Schärr wegen „Besorgnis der Befangenheit“. Er begründete diesen Antrag mit einer Aussage, die die Richterin rund einen Monat zuvor bei einem anderen Gerichtstermin zum „Prothmann“ geäußert haben soll:
„Da wollen Sie auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht noch einmal beim mir Station machen.“
Dies Aussage ist unerhört und stellt aus meiner Sicht klar und unmissverständlich eine Vorverurteilung dar. Das reicht noch nicht aus meiner Sicht – ich empfinde das als empörende, weil erniedrigende Aussage der Richterin gegenüber sich selbst und gegenüber dem Landgericht Mannheim, wo nach meiner bisherigen Einschätzung die Richter, die ich als journalistischer Prozessbeobachter kenne, niemals ein Zweifel an Vorverurteilungen gegeben war. Ganz zu schweigen gegenüber dem Rechtsstaat an sich.
Die Vorsitzende Richterin Spannagel-Schärr dementierte die Aussage nicht, veränderte sie aber in:
„Wir sind hier wahrscheinlich nur die Durchgangsstation zum Bundesverfassungsgericht.“
Auch gegen diese Aussage hat mein Strafverteidiger Maximilian Endler Beschwerde eingelegt und anwaltlich versichert, dass das Wort „wahrscheinlich“ nicht gefallen sei – damit bezichtigt Herr Endler die Richterin indirekt interpretiert der Lüge.
Lassen wir das Wort „wahrscheinlich“ weg, dann ist die Aussage:
„Wir sind hier nur die Durchgangsstation zum Bundesverfassungsgericht.“
Nehmen wir das Wort „wahrscheinlich“ ernst, was von der Richterin mutmaßlich wahrheitswidrig eingefügt wurde, dann sollte man die genaue Wortbedeutung beachten – es ist scheinlich wahr, also zu erwarten. Was die Richterin als „Relativierung“ erfunden hat, belegt eigentlich nur den Vorwurf ihrer gegebenen Befangenheit.
Damit ist eindeutig klar, dass dieser Berufungsprozess eine Farce ist, dass die Vorsitzende Richterin Spannagel-Schärr mich verurteilen wird, denn sonst müsste es ja nicht weiter zum Bundesverfassungsgericht gehen – wobei es vorher zur Revision an das Oberlandesgericht Karlsruhe gehen würde.
Ich bin als Angeschuldigter heillos entsetzt über diesen Vorgang. Seit den Ermittlungen gegen mich wird mein persönlicher Ruf und meine berufliche Reputation einer nunmehr fast dreißigjährigen journalistischen Tätigkeit in den Schmutz gezogen. Es entsteht ein enormer psychologischer Druck und in Summe hat mich die Ermittlung, die Anklage und der erste Prozess gut 45.000 Euro an seitdem entgangenen Werbeeinnahmen gekostet, weil frühere Kunden sich von mir distanziert haben. Dazu kommen die Prozesskosten.
Bis zu einer Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht werden nochmals gut zwei, drei Jahre ins Land gehen – ich werde spätestens dort freigesprochen werden, bin dann aber vermutlich beruflich und finanziell vernichtet.
Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass dies durch eine solch fatale Haltung einer Berufsrichterin ausgelöst wird, die „flapsig, scherzhaft“ über mein Schicksal entscheidet und gegen jeden Grundsatz einer vorbehaltlosen und unabhängigen Beweisaufnahme bereits ihr Urteil gefällt hat.
Nach meiner Meinung ist das Landgericht Mannheim gut beraten, diese Richterin auszustauschen – hier wird man abwägen, welcher Schaden größer ist. Der der Richterin oder des Landgerichts, dass es überhaupt so weit kommen konnte oder der eines Angeschuldigten, also meiner Person. Auch diese Frage wird – neben der juristischen Prüfung – relevant sein. Und auch hier befürchte ich, dass es einer Behörde im Zweifel herzlich egal ist, ob in der Abwägung, wer den Schaden hat, eine Einzelperson den schwarzen Peter zieht.
Am Mittwoch wurden der Tenor und die Begründung des Amtsgerichtsurteils verlesen – dieses ist voller Fehler und falscher Tatsachenbehauptungen. Welche das sind, nenne ich nicht, denn damit würde ich mir Nachteile verschaffen.
Weiter wurden drei Zeugen gehört, der damals im Dienst befindliche stellvertretende Polizeiführer vom Dienst (PvD) E., der ermittelnde Beamte des Staatschutzes F. sowie der Polizeipräsident a. D. Thomas Köber.
Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch die Staatsanwältin Tieg, hatte keinerlei Fragen.
Meine Fragen und die meines Verteidigers brachten folgendes zutage:
Der Beamte F. bestätigte, dass auf Verlangen der Staatsanwaltschaft auch gegen mich wegen „Du verfickte Missgeburt“ ermittelt wurde. Mein Verteidiger Maximilian Endler fragte nach, ob das tatsächlich wahr sei, dass gegen mich, obwohl ich massiv beleidigt und durch weitere Aussagen an Leib und Leben bedroht worden sei, ermittelt wurde.
Der Staatsschutzbeamte meinte: Ja, wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
Mein mutmaßliches Vergehen war, dass ich, um den anonymen Bedroher zu identifizieren, dessen Hass-Tirade auf meinem Anrufbeantworter als Aufnahme öffentlich gemacht habe.
Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind üblicherweise ein Antragsdelikt, das heißt, derjenige, der sich verletzt fühlt, muss Strafanzeige erstatten. Das wird häufig wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen.
Eine solche private Anzeige gab es nicht, denn dann hätte der Antragsteller sich wegen Beleidigung und Bedrohung verantworten müssen. Der Staatsanwaltschaft Mannheim war das egal – man suchte einen weiteren Grund für meine „Schuldigkeit“.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelte zunächst auch wegen des Verdachts des Betrugs gegen mich, weil der Text vollständig nur gelesen werden konnte, wenn man sich registrierte.
Der Verdacht – ich hätte Leser vorsätzlich getäuscht, um Abonnenten zu gewinnen. Dieser Verdacht konnte nicht aufrecht erhalten werden, weil eine Registrierung für 30 Tage kostenfrei ist, also keine „Täuschung“ vorlag, um Gelder zu generieren.
Tatsache ist, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim offenbar nichts unversucht ließ, um mich „dranzukriegen“.
Über die Gründe kann ich nur mutmaßen – die sind vermutlich in einem kritischen Umgang mit dieser Behörde zu sehen, die häufig zweifelhafte Arbeit machte, was ich jounalistisch thematisiert habe. Ein Stichwort: Kachelmann. Hinzu kommt, dass ich mehrfach Rechtsaufsichtsbeschwerden geschrieben habe, weil die Staatsanwaltschaft Mannheim früher bei Auskünften aus meiner Sicht willkürlich gehandelt hat. Heißt: Ich habe mir dort wenige Freunde gemacht.
Die Causa „Prothmann“ ist spätestens mit dem Flurspruch der Richterin Spannagel-Schärr ein Politikum. Aus meiner Sicht geht es aus „Gründen“ gegen mich als kritischen Journalisten mit allen Mitteln eines repressiven und eben nicht mehr unabhängigen und vorurteilslosen Staatsapparats.
Ich habe nur wenig Hoffnung, dass andere Medien entsprechendes Interesse zeigen, um hier für Aufklärung zu sorgen. Es waren einige Medienvertreter, darunter die dpa, anwesend, aber nur Alexander Albrecht von der Rhein-Neckar-Zeitung erschien nach der Mittagspause und verfolgte den Prozesstag bis zum Ende.
Am 02. März, 9:00 Uhr wird der Prozess öffentlich fortgesetzt.
Ich erwarte einen neuen Vorsitz bei der Verhandlung – man darf gespannt sein, ob das so sein wird und wenn nicht, wie das Landgericht Mannheim eine „Unbefangenheit“ der Richterin Spannagel-Schärr wird erklären wollen.
Und ich erwarte eine faire, unvoreingenommene Verhandlung. Ich bin unschuldig und es ist nicht an mir, das zu beweisen, sondern die Staatsanwaltschaft Mannheim muss meine angebliche Schuld beweisen und die Strafkammer diese feststellen, wenn diese zu der Überzeugung gelangt.
Dann wäre das Landgericht Mannheim tatsächlich nur eine „Durchgangsstation“, weil ich über meinen Verteidiger Maximilian Endler selbstverständlich Revision einlegen werde und letztlich das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angerufen würde.
Es gibt gute Gründe, warum spätestens in Karlsruhe dieser Spuk ein Ende haben wird.
Am Mittwochabend hat ein mutmaßlicher Täter neun Menschen gezielt erschossen, danach vermutlich seine Mutter und dann sich selbst. Meine mitfühlenden Gedanken sind bei den Opfern und deren Familien.
Was ich darüber hinaus denke, lesen Sie hier in einem weiteren Text, der eine dringend notwendige Debatte im Umgang mit Terror einfordert. Keine Ahnung, ob ich mich da wieder „schuldig“ mache, die Staatsanwaltschaft Mannheim wird es sorgsam prüfen. Jeden Nebensatz, jedes einzelne Wort.
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