Rhein-Neckar, 16. Oktober 2018. (red/pro) Ist man automatisch “Kollege”, wenn man denselben oder einen ähnlichen Beruf hat oder ist die Zurechnung mitunter eine möglicherweise pauschale Diskrimierung? Das ist eine sehr interessante Frage. Vor allem, wenn man sie offensiv angeht. Und vor allem dann, wenn es drängt, genaue Unterscheidungen vorzunehmen. Denn ein Unterschied ist, was einen Unterschied macht. Seit Jahren wird pauschalisiert und solidarisiert, aber leider viel zu wenig unterschieden. Ein Essay.
Kommenatar: Hardy Prothmann
“Grüß Dich”, begrüßt mich Wolfgang Jung, dpa-Korrespondent in Mannheim, freundlich und mit einem Lächeln am 15. Oktober bei einem Hintergrundgespräch zwischen Journalisten und der Stadt Mannheim und langt schnell nach meiner Hand.
Zu meinem Beruf gehört Hände-schütteln. Nicht alle gefallen mir.
Meine Antwort: “Schönen guten Abend, wir sind beim Sie.”
Ein Pressesprecher der Stadt Mannheim zeigte sich irritiert und meint: “Das muss doch jetzt nicht sein.” Meine Antwort: “Das muss genauso sein und jetzt und in Zukunft nicht anders.”
Ich erkläre Ihnen in diesem langen Text genau, warum das gar nicht anders sein kann. Und wenn Sie diesen Text lesen, lesen Sie einen Text, den auch sehr, sehr viele andere Menschen lesen werden und der möglicherweise zu juristischen Konflikten führt.
Wolfgang Jung ist ein umgänglicher und netter Mensch. Dieser Text richtig sich nicht gegen Wolfgang Jung als Person, sondern gegen Opportunisten. Ganz allgemein.
Fast hätte ich mich mit Herrn Jung angefreundet. Wir hatten mehrere private Treffen, haben bei “Speis und Trank” über “Gott und die Welt” geredet. Sehr verständig, sehr offen und sehr interessant und interessiert. Ich habe ihn – kleiner Scherz, obwohl ich Pfälzer und er Saarländer ist – als netten “Kollegen” kennengelernt.
Aber das ist er nicht. Meine Meinung.
Denn es gibt grundsätzliche Probleme. Wolfgang Jung ist ein angestellter Journalist und ich war und bin schon immer ein freier Journalist. Herr Jung ist in einem System eingebunden, ich war das nie.
Herr Jung muss sich immer mit einer Zentrale “verständigen”, ich nur mit meinem Gewissen und meiner eigenen Verantwortung. Kommt es zu juristischen Problemen, zahle ich aus eigener Tasche.
Herr Jung schreibt Texte, die häufig nicht unter seinem Namen erscheinen – ich bin für alle Texte unter meinem Namen (die ich immer unter meinem Namen veröffentliche), aber auch für alle anderen verantwortlich, die unter RNB erscheinen.
Der Arbeitgeber von Wolfgang Jung ist die dpa – Deutsche Presseagentur. Die Deutsche Presseagentur ist eine Journalismusfirma, die hunderten von deutschen Zeitungen und Rundfunkanstalten gehört, die Anteilseigner sind. Die Idee der dpa ist nachvollziehbar – man teilt sich Ressourcen und Korrespondenten.
Der Unternehmenszweck der dpa ist laut Statut die Sammlung, Verarbeitung und Verbreitung von Nachrichten-, Archiv- und Bildmaterial jeder Art. Die Agentur verpflichtet sich, diese Aufgabe „unparteiisch und unabhängig von Einwirkungen und Einflüssen durch Parteien, Weltanschauungsgruppen, Wirtschafts- und Finanzgruppen und Regierungen“ zu erfüllen,
heißt es auf Wikipedia und das ist ingesamt ganz zutreffend beschrieben.
Wenn da nicht der kleine Systemfehler wäre, dass die dpa mutmaßlich ihre Gesellschafter bevorzugt und andere missachtet, wenn es um exklusive Meldungen geht. Und damit verhält sich die dpa mutmaßlich wettbewerbsrechtlich zumindest verdächtig. Das RNB kann das, wenn dpa Interesse an einem Rechtsstreit hat, an Beispielen belegen.
Das System dpa ist einerseits ein großer Vorteil für die Anteilseigner, doch seit Jahren wird es zum erheblichen Problem. Selbstverständlich erfahren Sie von der dpa und deren Gesellschaftern nichts über dieses Problem. Ich erkläre gerne, was die Gründe sind.
Früher tat die “Heimatzeitung” so, als würde sie nicht nur über die aktuelle Kerwe berichten, sondern mit Korrespondenten aus aller Welt – immer wieder wurde dabei ein “dpa”-Kollege zum eigenen Korrespondenten, der aus Timbuktu oder Moskau berichtet. Wow, dachte sich der Leser, krass, was die Heimatzeitung leistet.
Tatsächlich hat sie im Kollektiv Leistung eingekauft. Das ging solange in Ordnung, bis das Internet und damit verbundene Probleme immer deutlicher machten, dass “die Agenturen” (es gibt noch weitere neben dpa) immer mehr den immer gleichen “Content” (Inhalt) in der angeblich exklusiven “Heimatzeitung” lieferten. Wer mehr “Quellen” nutzt als die eine Heimatzeitung, merkte das schnell und immer schneller – überall dieselben Inhalte.
Doch wegen des Internets und auch klassisch am Bahnhofskiosk wurde immer deutlicher, dass immer mehr Zeitungen absolut identische Informationsinhalte liefern. Kein Wunder, wenn der kritische Leser irgendwann meinte: “Die berichten doch alle dasselbe.” Und dann die Frage stellt: “Ist das irgendwie koordiniert?”
Ist es – über die entsprechenden Agenturen. Und es wird manipuliert, indem Agenturjournalisten als “von unserem Mitarbeiter” benannt werden, obwohl kein Mitarbeiterverhältnis vorliegt, sondern nur vorgetäuscht wird. Häufig nutzen Redakteure Agenturtexte, schreiben sie nur unwesentlich um und setzen ihren Namen drüber. Das sind knallharte Täuschungen – aber normaler Alltag, weil die Eigner der Agentur gleichzeitig die Kunden sind und die will man nicht vergraulen und deswegen gibt es auch keinen Rechtsstreit über den Inhalteklau, der kein echter Diebstahl ist, aber irgendwie “geteilt”.
Weil gleichzeitig die Umsatzressourcen knapp wurden – durch die Medienkrise – schaufelten viele Medien immer mehr “Agentur” in das eigene Angebot, denn die Kosten dafür zahlt man ja nur anteilig und nicht exklusiv. Das rächt sich seit langer Zeit, denn es erweckt den Eindruck von “Mainstream”.
Der Eindruck von “Mainstream-Medien” ist erheblich durch zwei Phänomene geprägt: Terminjournalismus, zu dem alle hinrennen und alle dieselben Statements liefern und wer niemanden schicken kann, bringt halt “Agentur”, was meist etwas professioneller ist, als wenn es – nicht oder kaum bezahlte – Praktikanten machen.
Die Teilnehmer an dieser Journalismusshow, dpa, die Eigner und die Kunden, informieren Sie selbstverständlich nicht über diese Show und die Hintergründe.
Das RNB hingegen schon – wir sind kein Eigner und kein Kunde, sondern in gewissen Köpfen “der Feind”, weil wir diese Hintergründe darstellen, was weder dpa, noch den Eignern, noch den Kunden gefällt. Das ist nachvollziehbar. Wer hat schon Spaß dran, nicht nur als Systemmedium, sondern als Systemfehler thematisiert zu werden.
Mein persönliches Problem mit Wolfgang Jung ist, dass es ein persönliches und ein systematisches gibt. Denn er hat den persönlichen Zugang zur mir ausgenutzt. Er hat viel von meinem Wissen gerne abgesaugt und als es eng wurde für mich, hat er geliefert. Gegen mich – und das nehme ich halt persönlich. Ich habe keine “Vorteilsnahme” erwartet, weil man sich kannte, aber mindestens Fairness. Da habe ich Herrn Jung überschätzt. Meine Meinung. Er ist nur ein Angestellter und seinem Auftraggeber verpflichtet – so ist das halt.
Als der sehr umstrittene Text eines mutmaßlichen “Terroranschlags in Mannheim” auf dem RNB veröffentlicht worden ist, hat er “den Affen Zucker gegeben” – also den Anteilseignern und Kunden von dpa. Denn der “Mainstream” war klar – dem Prothmann und dem RNB sollte ordentlich eingeschenkt werden und das wurde es auch. Immerhin waren viele Zeitungen seit Jahren erheblich in der Kritik des RNB und warteten eine günstige Gelegenheit ab, um die Rechnung zu begleichen. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern nachlesbar.
Herr Jung hätte einen exklusiven Zugang haben können. Er hätte sich bemühen können – Fragen zu stellen. Er hätte sich bemühen können, mehr als andere zu verstehen. Hat er aber nicht. Er hat geliefert, was von ihm erwartet wurde. Mainstream.
Damit waren von meiner Seite aus die zunächst fast freundschaftlichen Begegnungen sofort beendet. Stimmt nicht ganz. Ich habe ihn sehr verärgert angeschrieben und ein Gespräch gefordert – Herr Jung antwortete nicht. Warum nicht, weiß ich nicht. Vielleicht hat er die email nicht erhalten, vielleicht hatte er keine Zeit, vielleicht war er einfach feige.
“Grüß Dich”, empfand ich aktuell am Montagabend als absolut respektlos und hat mein Bild von ihm bestätigt. Natürlich hat er meine email erhalten und natürlich wusste er, dass wir irgendwann wieder aufeinandertreffen und eigentlich beim “Sie” sind – wie opportunistisch und respektlos kann man sein? Diese Frage wird nirgendwo öffentlich beantwortet werden – schon gar nicht von dpa.
Was ich weiß ist, dass ich mit niemandem eine Freundschaft pflege, der nicht bereit ist, Fragen zu stellen und sich ein eigenes Bild zu machen. Ich verstehe jede Abhängigkeit – davon gibt es viele im Leben. Aber man kann auch abseits davon miteinander reden – wer das nicht tut, stellt sich nicht abseits, sondern konform. Wer als Journalist nicht bereit ist zur Recherche – unabhängig vom Umgang miteinander – ist mir als “Journalist” höchst suspekt. Umso mehr, je größer der Wirkungskreis ist. Und der von dpa ist der wirkungsgrößte.
Herr Jung ist da nicht alleine auf weiter Flur – die Chefredakteure von MM, RNZ und SWR, ebenso der Intendant Peter Boudgoust und andere habe ich schon häufig thematisiert.
Mit RNF habe ich mich auch kritisch auseinandergesetzt: Vor einigen Wochen haben ich mich persönlich bei Herrn Siegelmann entschuldigt. Nicht für meine grundsätzliche Kritik, sondern für manche Spitzen. Insbesondere deshalb, weil es nun RON-TV gibt, dessen Chef Thomas Präkelt für mich, meine Meinung, ein Journalistendarsteller ist, mit dem ich kurz zu tun hatte und froh bin, dass dieses Übel an mir vorbeigegangen ist.
“Kollege” meint übrigens, dass man sich auf ein gemeinsames “Gesetz” beruft. Das “Gesetz” (lex) ist, was man lesen (legere) kann – “kol” meint gemeinsam.
“Diskrimieren” meint, dass man sich “abscheidet, sondert, trennt”. Ist alles “lateinisch”, aber kein unverstehbares Latein, deswegen führe ich das an.
Das RNB steht schon immer für einen Journalismus, der sich nicht gemein macht, sondern unterscheidet.
Der inhaltliche Geist ist “lex”, also unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Grundgesetz, das geschrieben ist und das man lesen muss. Gerne gemeinsam, also im “Kollektiv” – kol-legere, gemeinsam lesen.
Das RNB ist als Medium kein “Grüß-Onkel” zum Austausch von Nettigkeiten, sondern ein anspruchsvolles Medium, das noch nie “Mainstream” geboten hat, aber eine “hauptsächliche Strömung” verfolgt – klare und kritische Information, lokal und regional unter Berücksichtigung von nationalen und internationalen Einflüssen.
Dabei macht das RNB unter meiner Leitung keinen Kuschelkurs, um irgendjemandem zu gefallen.
Sie können davon ausgehen, dass dieser Text bundesweit in sehr, sehr vielen Redaktionen gelesen werden wird. Ebenso bei Lobbyisten.
Es wird keine offiziellen Reaktionen geben, aber viele Schweißausbrüche.
Denn die Zeit, des “Grüß Dich” unter “Kollegen” ist seit längerem vorbei. Weil bei vielen die journalistische Haltung, um es freundlich zu formulieren, “im Arsch” ist. Ich bin grundsätzlich mit niemandem “kollegial”, also gemeinsam lesend, wenn Recherche und inhaltliche Auseinandersetzung nicht als Grundhaltung verstanden werden.
Ich werde dabei von vielen “Mainstream-Journalisten” als Nestbeschmutzer verunglimpft werden – mindestens hinter den Kulissen, aber auch offensiv. Die Überbringer der schlechten Botschaft waren noch nie gut gelitten – das war in der Antike auch schon so. Die Netzreiniger kümmern sich meist um ganz eigennützige Belange.
Was ich mache, ist auch nicht gerade neu, aber vielleicht der Erinnerung wert – ich drehe den Spieß um. Ich frage nach Haltung, nach Redlichkeit, nach Regeln und stoße seit langer Zeit auf eine Atmosphäre des “kollektiven” Schweigens des Mainstreams. Diese Branche, die sich auf Kritik von anderen viel einbildet, ist vollständig unfähig zur Eigenkritik.
Stattdessen sind die “Kollegen” sehr gespannt, ob ich im Dezember möglicherweise als “Straftäter” verurteilt werden könnte. Ich vermute, einige hätten daran erhebliche Freude. Ich weiß sicher, dass kein einziger bislang den Mumm hatte, selbst zu recherchieren und Fragen zu stellen. Und keiner ist so intelligent, sich mal zu fragen, was das eigentlich bedeuten würde, wenn man selbst mal nicht mainstream wäre? Falsch, natürlich ist man intelligent (interlegere – dazwischen lesen) genug, man traut sich nur nicht.
Das ist eine “kollegial-kollektive” Diskriminierung, die ich bewusst feststelle. Deswegen diskriminiere ich mich auch freiwillig und aus Überzeugung von dieser Journaille. Die hassen mich dafür umso mehr. Na und?
Und das in Zeiten, wo sich der deutsche Journalismus gerne mit Pseudojournalisten in aller Welt solidarisiert und Propagandisten anderswo in “Kollegen” umdefiniert, um irgendeine Story zu haben.
Tiefer kann man nicht sinken.
Und deswegen bin ich entschlossen und mit Haltung auch beim Sie gegenüber dem Mainstream-Kollegen Wolfgang Jung. Journalisten, die keine Fragen stellen, die sich nicht um Aufklärung bemühen, sind nur Handlanger.
Ich gebe immer die Hand. Das ändert aber nicht meine Haltung.