Heidelberg/Mannheim/Stuttgart, 17. Oktober 2018. (red/pro) Laut Innenministerium ist die Suche nach einem neuen Standort für ein Ankunftszentrum beendet. Überraschenderweise wurde keiner der bislang als mögliche Standorte gehandelten Flächen ausgewählt, sondern mit dem Gebiet „Wolfsäcker“ eine gänzlich neue Liegenschaft auf Heidelberger Gemarkung. Der neue Standort wurde „durchgestochen“ und aktuell herrscht ein Informationsvakuum, was eher suboptimal ist. Dabei könnte der neue Standort viele Hängepartien auf ein Mal beenden – wenn der Wille zur Umsetzung möglichst gemeinsam vorangetrieben wird.
Kommentar: Hardy Prothmann
„Nichts genaues weiß man nicht“, ist die aktuell zutreffendste Beschreibung zur Errichtung eines neuen Ankunftszentrums in Nordbaden. Die Rhein-Neckar-Zeitung berichte zuerst über den nun favorisierten Standort „Wolfsgärten“. Das war es aber auch schon. Alle wesentlichen Fragen sind aktuell noch komplett offen.
Rückblick
Im Zuge der erheblichen Massen von Zuwanderern und Flüchtlingen ab Sommer 2015 wurden Fakten geschaffen: In Mannheim wurden vor allem die Konversionsgebiete Benjamin Franklin Village und Spinelli Barracks mit tausenden von Menschen belegt, in Heidelberg Patrick Henry Village. Aus dem anfänglichen Chaos entwickelte sich ein bundesweit beachtetes und vorbildliches System eines Ankunftszentrums, in dem neu im Südwesten angekommene Menschen untersucht und registriert werden sowie ihren Asylantrag stellen können. Und dies im Idealfall innerhalb einer Frist von wenigen Wochen. Planer dieses Systems war der Dossenheimer Hermann Schröder als Landesbranddirektor, der dann als Ministerialdirigent Leiter der Abteilung „Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement“ im Innenministerium Baden-Württemberg wurde.
Im Zuge der deutlich zurückgehende Zuwanderungszahlen wurde vom Land zunächst das Columbusquartier auf Benjamin Franklin Village aufgegeben. Spinelli Barracks soll auf absehbare Zeit folgen. Noch ist der letzte Knopf nicht dran, aber das Innenministerium hat die Verhandlungen zwischen Stadt Mannheim und dem Bundesamt für Immobilienangelegenheiten (BImA) freigegeben, wenn auch nach Informationen des RNB die schriftliche Bestätigung noch fehlt, dass das Land die Fläche nicht mehr beanspruchen will. MWSP-Geschäftsführer Achim Judt bestätigte, dass die Verhandlungen in Gang sind.
In Heidelberg wurde die Nutzung von Patrick Henry Village als Ankunftszentrum mehrmals verlängert, weil ein alternativer Standort fehlte. Zwar wurde Spinelli Barracks weiterhin geführt, dort sind die Planungen für einen Grünzug Nordost, Randbebauungen insbesondere in Käfertal Süd sowie die für 2023 vorgesehene Bundesgartenschau derart weit fortgeschritten, dass dieser Standort nur noch pro forma als „möglich“ genannt werden konnte. Die Tompkins Barracks in Schwetzingen sind aus vielfältigen Gründen kein wirklich überzeugender Standort. Das Hauptaugenmerk lag auf Coleman Barracks im Mannheimer Norden. Doch hier nutzen die US-Streitkräfte Teile des Geländes weiter, nachdem zunächst freigezogen worden war. Wie lange diese Nutzung andauert, ist unklar – viele Jahren werden es noch sein.
Es gibt keinen idealen Standort
Mit dem nun ausgewählten Gelände „Wolfsäcker“ ist eine vermutlich geeignete Fläche gefunden. Ganz sicher ist das kein idealer Standort – doch einen solchen gibt es nirgendwo. Tatsächlich ist diese Auswahl aber eine, die sich zeitnah realisieren ließe ohne andere Planungen zu behindern oder gar zu vernichten. Beide Großstädte benötigen dringend Entwicklungsflächen für Wohnraum, die in Mannheim ganz erheblich fortgeschritten sind und aktuell bietet sich für Heidelberg die Chance, in absehbarer Zeit Patrick Henry Village entwickeln zu können. Dafür müsste eine nach Flächennutzungsplan ausgewiesene Gewerbefläche „Wolfsäcker“ als Tausch herhalten.
Leider verläuft die Kommunikation nicht zum ersten Mal eher unglücklich. Dass der neue Standort bekannt wurde – ohne jegliche weitere Information zu zeitlichen und investiven Planungen, ist suboptimal und erzeugt natürlich Fragen, auf die es zunächst keine Antworten gibt. Dies soll sich kommenden Montag ändern, dann will das Innenminsterium politischen Mandatsträgern die getroffene Auswahl argumentativ präsentieren. Bislang ist nicht vorgesehen, dazu auch Medien einzuladen, doch geht das RNB davon aus, dass es eine Pressekonferenz geben wird – alles andere wäre ein Fehler, weil sonst Debatten geführt werden, die schnell ausarten können. Was nicht eben förderlich für eine zügige Entwicklung wäre.
Hängepartien könnten zügig beendet werden
Mannheim plant nach RNB-Informationen damit, dass Spinelli bis spätestens Ende 2019 freigezogen wird. Das muss auch so sein, denn der Zeitplan für den geplanten Grünzug, der durch den „Motor“ Buga2023 entwickelt werden soll, ist eh schon als sportlich ambitioniert anzusehen, doch machbar. Aber nur, wenn es keine Verzögerungen mehr gibt. Und ein weitere Ungewissheit muss durch das Innenministerium zügig beendet werden. Alles andere wäre unverantwortlich.
Coleman liegt auf unbekannte Zeit auf Eis, was eine Entwicklung angeht. Schwetzingen kann Tompkins entwickeln und auch hier erhebliche Bedarfe befriedigen. Und Heidelberg kommt ebenfalls in den Genuss, PHV entwickeln zu können. So betrachtet, ist die Auswahl des neuen Geländes eine „Ideallösung“, um erhebliche kommunale Bedürfnisse zufriedenzustellen. Insbesondere, wenn man sich den Charakter des Ankunftszentrum vor Augen hält: Es ist eben kein „Ankerzentrum“, in dem Menschen, die wenig Aussichten haben, in Deutschland bleiben zu dürfen, bis zur Abschiebung verwahrt werden. Ein Ankunftszentrum ist nur eine temporäre Station, um wesentliche Verwaltungsakte systematisch und konzentriert vornehmen zu können, danach geht es für die Menschen weiter in die Anschlussunterbringung in den Kreisen.
Heidelberg würde zudem im Genuss des „LEA-Privilegs“ bleiben. Standorte von Landeserstaufnahmeeinrichtungen sind von der Anschlussunterbringung und der kommunalen Unterbringung von Asylbewerbern ausgenommen. Unklar ist die Situation in Mannheim. Hier gibt es die LEA-Außenstelle Industriestraße/Pyramidenstraße, die noch bis Ende 2020 genutzt werden soll. Was, wenn das Land diese aufgibt? Nach Schätzungen der Stadt Mannheim könnte das bedeuten, dass Mannheim rund 4.000 Asylbewerber aufnehmen müsste, die der Kommune zugewiesen werden. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz hat im Hauptausschuss am Dienstag angekündigt, weiter zu verhandeln, dass Mannheim ausgenommen wird, wegen des erheblichen Zuzugs (12.-15.000) von Südosteuropäern aus Rumänien und Bulgarien, die seit Jahren eine erhebliche Herausforderung für die Stadt darstellen.
Es braucht zügig klare Informationen
Erste Reaktionen von Kommunalpolitikern in Heidelberg, insbesondere von CDU und Grünen, kommen vollständig verfrüht – denn inhaltlich kann man erst Stellung beziehen, wenn die grundsätzlichen Rahmenbedingungen vorgestellt sind. Auf welche Zeit und mit welcher Bebauung soll das Gelände entwickelt werden? Welche Nutzung wird festgeschrieben? Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt werden? Kauft das Land das Gelände oder wird es gepachtet? Welche Mittel werden benötigt, um den neuen Standort zu realisieren? Bis wann könnte der neue Standort fertiggestellt sein und in Betrieb genommen werden?
Da ist erheblich viel Planungsarbeit zu leisten. Das Gelände (7,9 Hektar) muss umgewidmet, Baurecht geschaffen werden. Infrastrukturelle Anbindungen sind zu klären und natürlich auch Sicherheitsaspekte für die Menschen im Ankunftszentrum wie für die Bevölkerung.
Nach der jahrelangen Hängeparty, in der sich die Stadt Heidelberg befindet, könnten klare Verhältnisse geschaffen werden. Das Konzept des Ankunftszentrums funktioniert hervorragend und die dezentrale Lage an der Autobahn im Stadtteil Wieblingen ist kein Nachteil, weil die Menschen dort nur eine kurze Zeit verweilen und Integrationsaspekte nur eine untergeordnete bis keine Rolle spielen.
Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Heidelberg könnten Berlin ein Beispiel geben, wie man Lösungen für Probleme findet, die auch anderswo als Vorlage dienen können. Wesentlich dafür werden klare und transparente Informationen sein und der Wille, die aktuelle Hängeparty auf PHV absehbar zu lösen.
Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner erklärte aktuell:
Ich bin froh, dass das Land jetzt endlich das Gutachten vorlegt und so eine Freimachung der dringend benötigten Fläche auf PHV möglich wird. Unsere Planung für dieses Areal mit Wohnungen, Wissenschaft und Freizeitangeboten für bis zu 15.000 Menschen ist bereits weit fortgeschritten. Nur mit dieser Fläche können wir dringend benötigten Raum für Wohnen und Arbeiten schaffen, ohne den Grüngürtel um Heidelberg zu beeinträchtigen. Dass von den untersuchten Alternativflächen für ein Ankunftszentrum in der Region nun der Standort Wolfsgärten die höchste Priorität erfahren hat, kann ich ohne Bewertung des Gutachtens noch nicht kommentieren. Aber es ist richtig: Der Standort ist im Eigentum der Stadt und im Flächennutzungsplan als potenzielles Gewerbegebiet ausgewiesen. Ich werde den Wunsch des Landes auf Nutzung dieses Standortes in die gemeinderätlichen Gremien geben. Ich halte den Standort nicht für ideal, aber machbar.
Da es keinen Idealstandort geben wird, sollte man sich auf einen „machbaren“ einigen. Das wäre für alle Beteiligte von Vorteil.
Anm. d. Red.: Das RNB hat aktuell noch einige Rechercheanfragen laufen. Der Text wird aktualisiert, sobald die Antworten eintreffen.