Mannheim, 19. September 2017. (red/pro) Viele Medien thematisieren einen “langweiligen” Wahlkampf. Ist das so? Wir finden nicht. Denn die kommende Bundestagswahl wird erhebliche Veränderungen bringen – durch den Einzug der AfD in den Bundestag. Auch die FDP hat gute Chancen, wieder vertreten zu sein. Damit werden im 19. Bundestag erstmals sieben Parteien vertreten sein. Spannend ist in Mannheim nicht nur, wer das Direktmandat holt, sondern auch, dass eine – aus unserer Sicht – Extremistin in den Bundestag einzieht. Der AfD-Kandidat wird keine Chance haben – spannend wird aber sein, wie die AfD in der Stadt abschneidet.
Von Hardy Prothmann
Schon vor dem Wahlausgang ist mehr oder weniger klar, wer als Abgeordneter im 19. Bundestag vertreten sein wird. Zum einen ist das Dr. Gerhard Schick (45), der auf Platz vier der Landesliste von Bündnis90/Die Grünen kandidiert. Das die Grünen an der fünf-Prozent-Hürde scheitern, halten wir für unwahrscheinlich. Tatsächlich könnte aber ein durchaus schlechteres Ergebnis als die 8,4 Prozent aus der Bundestagswahl 2013 ins Haus stehen. Für Dr. Schick stellt das auf seinem Listenplatz kein Problem dar. Wenn den Grünen der Einzug gelingt, ist er wiederum Mitglied des Bundestags.
Es gibt eine äußerst schlechte Nachricht. Auch Die Linke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder im deutschen Bundestag vertreten sein. Das war noch nicht die schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass die Mannheimer Stadträtin Gökay Akbulut (35) auf Listenplatz 3 in Baden-Württemberg kandidiert. Aktuell gibt es fünf Abgeordnete aus Baden-Württemberg von Die Linke, von denen drei aufhören, darunter der bisherige Mannheimer Abgeordnete Michael Schlecht, auf den Frau Akbulut auf dem Spitzenplatz folgt. Die kurdischstämmige Mannheimerin war beim “Kurdenkrawall” Sprecherin der Veranstalter – 2012 wurden über 70 Polizisten überfallartig verletzt. Sie behauptete damals, die Polizei habe die Teilnehmer provoziert, weil Beamte einem Jungen eine PKK-Flagge abnehmen wollten. Eine echte Distanzierung von ihrer Seite zu diesem Gewaltakt gibt es bis heute nicht. Sie ist eindeutig eine Sympathisantin der als Terrororganisation eingestuften kurdischen PKK.
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Es kann nur einen Direktmandatsgewinner geben
Ebenso wie die Kandidaten von Grünen und die Linke haben zwei weitere keinerlei Chancen auf ein Mandat: Die Kandidaten von AfD und FDP. Robert Schmidt (AfD) war früher mal SPD-Mitglied. Der Gewerkschafter (41) ist Direktkandidat, steht aber nicht auf der Landesliste. Der FDP-Kandidat Florian Kußmann (42), Gastronom, steht zwar auf der Landesliste seiner Partei, aber auf Platz 25. Gelingt der FDP der Wiedereinzug nach den aktuellen Umfragen, werden lediglich die ersten Plätze über die Liste einziehen können.
Den Kampf um das Direktmandat liefern sich Nikolas Löbel (CDU) und Stefan Rebmann (SPD). Spannend ist hier, dass Mannheim über viele Jahrzehnte als SPD-Hochburg galt. 1994 erreichte Egon Jüttner (75) erstmals das Direktmandat, auch 2009 und 2013 gewann er den Wahlkreis klar vor dem SPD-Konkurrenten. Stefan Rebmann scheiterte als Kandidat 2005 und 2009 im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen. 2011 rückte er für den ausgeschiedenen Peter Friedrich nach. 2013 unterlag er klar dem CDU-Konkurrenten Jüttner.
In Summe hat die SPD also 15 Mal das Direktmandat gewonnen, die CDU nur 3 Mal – allerdings die vergangenen zwei Wahlen und das deutlich. Kann Nikolas Löbel (31) diesen Erfolg wiederholen? Er tritt nicht gegen einen starken Kandidaten an, Herr Rebmann (55) ist wie Herr Jüttner eher ein Hinterbänkler und konnte noch keinen Wahlkreissieg verbuchen. Aber er “ist im Amt”, hat also ein Bundestagsmandat. Hinzu kommt, dass der scheidende Jüttner nicht etwa seinen Nachfolger unterstützt, sondern Herrn Rebmann. Wird sich dieser Affront auswirken? Positiv oder negativ – für wen? Herr Jüttner holte bei der vergangenen 39,8 Prozent bei der Erststimme, Herr Rebmann 32,4 Prozent. 7,4 Prozentpunkte sind ein Polster für die CDU – wird das aber reichen für den neuen Kandidaten Nikolas Löbel?
Angst vor dem Mannheimer Norden
Hinzu kommt – beide Kandidaten fürchten sich vor dem Mannheimer Norden, wo die AfD der SPD bei der Landtagswahl 2016 das letzte, verbliebene Direktmandat im Südwesten abnehmen konnte. Vollständig überraschend – oder auch nicht? 1992 kam es hier im Stadtteil Schönau gegen ein Flüchtlingsheim zu einem Pogrom. Und der Mannheimer Norden ist im Land am stärksten mit der Flüchtlingsunterbringung durch die Kasernenstandorte konfrontiert. Im Gespräch ist ein Ankunftszentrum für bis zu 3.500 Menschen auf der Kaserne Coleman – die CDU spricht sich gegen die Pläne des CDU-Innenministers Thomas Strobl aus, während der SPD-Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz keine ablehnende Haltung einnimmt. Wird das also dem SPD-Kandidaten schaden und dem CDU-Kandidaten nutzen? Oder profitiert vor allem die AfD zu Lasten von SPD und CDU?
Kampf um die Erststimme ist entscheidend
Spannend ist auch die Ausgangslage: Nikolas Löbel muss das Direktmandat gewinnen, sonst erhält er kein Mandat, weil er nicht über die Landesliste abgesichert ist. Im Gegensatz zu Stefan Rebmann – der steht allerdings auf Platz 20 der Landesliste und das könnte knapp werden. Bei den vergangen 23,5 Prozent für die SPD gab es genau 20 Abgeordnete aus Baden-Württemberg in Berlin. Fällt die SPD unter diesen Wert – und danach sieht es aus – wird Platz 20 für Herrn Rebmann nicht mehr reichen, um erneut gewählt zu sein. Zudem hat die SPD auch bei der Landtagswahl krachend Verluste einstecken müssen. Deswegen wird auch er unbedingt das Direktmandat gewinnen wollen.
Entscheidend wird der Kampf um die Erststimme sein – Löbel oder Rebmann, wer macht das Rennen? Interessant wird dabei das Verhalten der Wahlberechtigten sein: Wie hoch ist die Wahlbeteiligung? Tendenziell gilt eine niedrige Wahlbeteiligung als günstig für kleinere Parteien, weil diese ihre Wähler eher mobilisieren können. Andererseits ist es der AfD mehrfach gelungen, die so genannten Nichtwähler zu mobilisieren.
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Und sehr spannend ist die Frage, wie strategisch die Wähler/innen vorgehen. Jede Erststimme, die nicht an Herrn Löbel oder Herrn Rebmann geht, darf als “verloren” gelten, weil die anderen vier Kandidaten auch nicht ansatzweise die Chance haben, das Direktmandat zu holen. Entscheidend ist die Zweitstimme für diese Kandidaten, aber auch nur für Herrn Dr. Schick und Frau Akbulut. Herr Schmidt (41) und Herr Kußmann (42) nutzt diese nichts. Aber die Zweitstimme nutzt der jeweiligen Partei, die gewählt wird. Sie ist also entscheidend vor allem für das Wahlergebnis von Grünen und FDP, die Linke ist in Baden-Württemberg zwar schwach, aber das stabil.
Werden sich also Wähler der Grünen, FDP, Die Linke und AfD bei der Erststimme für Herrn Löbel oder Herrn Rebmann entscheiden oder kalkulieren sie den Stimmverlust ein? Insbesondere CDU-Wähler gelten als treu und neigen eher nicht zum Stimmensplitting, obwohl auch bei der vergangenen Wahl das Ergebnis der CDU bei der Zeitstimme mit 35,1 Prozent deutlich schlechter war, was heißt, dass das Kreuz von einigen Wählern einer anderen Partei gegeben worden ist.
FDP und AfD – wenigstens ein Achtungserfolg?
Für die Herren Kußmann und Schmidt wird das Ergebnis in Mannheim auch ohne Mandat trotzdem aufzeigen, wie erfolgreich sie sich für ihre Parteien positionieren konnten. Immerhin holte die FDP 2009 unter Dr. Birgit Reinemund satte 15 Prozent. 2013 kam der Absturz auf 5,5 Prozent. Jedes Ergebnis darüber ist also ein Erfolg für Herrn Kußmann.
Die AfD hatte 2013 keinen Direktkandidaten in Mannheim und somit auch kein Erststimmenergebnis – aber bei den Zweitstimmen holte sie 6 Prozent, also deutlich mehr als die 4,7 Prozent bundesweit.
Die CDU schaffte mit 35,1 Prozent deutlich mehr als die SPD mit nur 27,5 Prozent, die nicht gerade für eine “SPD-Hochburg” sprechen. Die Grünen holten nur 11,1 Prozent, Die Linke schaffte 7,5 Prozent.
Drei oder vier Abgeordnete für Mannheim?
Wie berichtet, wird mit der Erststimme der Wahlkreiskandidat gewählt – 299 Abgeordnete werden hier bundesweit direkt gewählt, im Südwesten sind es 38 Wahlkreise. Die Zweitstimme ist entscheidender, weil hier nach der Verhältniswahl die anderen 299 Mandate vergeben werden, dazu kommen Überhangs- und Ausgleichsmandate. Der aktuelle Bundestag hat so 631 Abgeordnete.
Wie viele Abgeordnete aus Mannheim nach Berlin ziehen, ist also offen. Herr Dr. Schick und Frau Akbulut dürften als gesetzt gelten. Sollte Herr Löbel das Direktmandat gewinnen, entscheidet das Gesamtergebnis, ob es für Herrn Rebmann noch reicht. Es könnten also vier Abgeordnete werden. Gewinnt Herr Rebmann das Direktmandat, bleibt es bei drei Bundestagsabgeordneten, weil Herr Löbel nicht über einen Listenplatz einziehen könnte.
Anm. d. Red.: Bitte beachten Sie auch die unten verlinkten älteren Beiträge.