Rhein-Neckar/Berlin, 25. September 2017. (red/pro) Das Ergebnis der Bundestagswahl ist nicht wirklich überraschend, aber doch überraschend deutlich. CDU und SPD bleiben die größten Fraktionen und sich gleichzeitig doch die größten Verlierer. Die AfD holt um die 13 Prozent und wird in den kommenden vier Jahren ein dauerhafter Störfaktor werden. Ist das schlimm? Nein, meint Hardy Prothmann in einer ersten kommentierenden Analyse. Schlimm ist nur, wenn man keine oder die falschen Schlüsse zieht.
Kommentar: Hardy Prothmann
Ich kann das Gepinse schon lange nicht mehr hören. Und es reicht jetzt. Echt!
Ja, die AfD ist im Bundestag und mal vom kurzen Anlauf 2013 eigentlich aus dem Stand heraus drittstärkste Kraft geworden. Vor Die Linke, vor den Grünen, vor der FDP, die auch wieder mitdiskutieren darf.
Ist das jetzt schlimm? Nein, das ist Demokratie. Es gibt Parteien, die kann man wählen und die werden so gewählt, wie die Wähler sich entscheiden. Alles klar? So geht Demokratie. Ob einem das Ergebnis gefällt oder nicht.
Abgestraft wurde die große Koalition aus CDU/CSU und SPD. Und zwar saftig. Voll auf die Zwölf. Beide fahren historisch schlechteste Ergebnisse ein. Im Arbeitsleben würde man das schon nicht mehr Abmahnung nennen, sondern einen drohenden Rauswurf. Wie reagieren diese Parteien? Sie reden sich den Konkurs schön.
Wie kommt das eigentlich, dass das Rheinneckarblog als kleines Medium eine so hohe Trefferquote bei der Beurteilung von politischen Prozessen und anderen Entwicklungen hinbekommt? Das kann ich Ihnen sagen: Wir machen uns viel Arbeit. Wir prüfen sehr sorgfältig. Wir halten Kritik aus und lassen uns nicht beirren.
Im Gegensatz zu vielen Politikern und anderen Medien. Was hat das Gekreische der vergangenen zwei Jahre gebracht? Überall Erfolge für die AfD. Der sei es gegönnt, wobei sich die AfD überhaupt nichts darauf einbilden muss, denn sie überzeugt nicht durch Leistung, sondern profitiert nur von der Nicht- oder Fehlleistung der anderen.
Oh, sagen jetzt wieder gewisse Leute, sieh mal an, der Prothmann wieder, der ist doch ein AfD-ler. Solchen Nixblickern kann ich nur entgegnen, dass sie nichts blicken. Ich habe mit der Erststimme Nikolas Löbel in Mannheim gewählt und mit der Zweitstimme SPD, damit die nicht vollends abrauscht. Also die beiden Verliererparteien.
Die Mietpreise knallen durch die Decke, große Unternehmen können sich schlimmer verhalten als jede Mafia-Connection ohne Konsequenzen zu fürchten, eine EU eiert vor sich hin und fremde Menschen, für die man enorme Ressourcen aufwenden muss, kommen nach Deutschland. Das sind nur vier Themen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen und die den Erfolg der AfD zementiert haben.

So schauts aus. Unrasiert, seit Wochen keine Zeit für den Friseur, gebügeltes Hemd war nicht zur Hand, aber zur Wahl nach 17 Uhr hat es gereicht. Hardy Prothmann ist Chef vom Rheinneckarblog, Journalist aus Leidenschaft, aber zunehmend unwirsch: „Wenn die Politik so weitermacht, gibt es nur eine Richtung und die ist bergab. Wenn immer weniger Bürger sich für Journalismus interessieren, um sich eine Meinung zu bilden, sondern nur noch eine Bestätigung für ihre Vorurteile suchen, geht erst der Journalismus zugrunde und dann die Bürgergesellschaft, also die Demokratie. Andere Optionen? Keine!“
Ich bin mir sicher, dass die Menschen viel Geduld und Verständnis haben. Manches braucht seine Zeit, nicht alles gelingt immer sofort gut und anderes ist echt kompliziert und erklärungsbedürftig. Wenn man aber keinen Fortschritt sieht, dann verliert man das Vertrauen. Gehen Sie noch zu einer Werkstatt, bei der Sie keinen Termin bekommen oder Ihr Auto nach der Reparatur kaputter ist als vorher? Sicher nicht. Sie gehen auch nicht zum Bäcker, der ihnen keine Brötchen verkaufen kann oder wenn, zu horrenden Preisen, die dann noch fad schmecken.
Ja, ich finde es, obwohl es mir nicht gefällt, gut, dass die AfD auch den Einzug in den Bundestag geschafft hat.
Spitzenkandidat Alexander Gauland kommentierte das Ergebnis mit: „Wir werden sie jagen.“ Was soll man dazu sagen? Ist das schlimm? Das ist schlimmer als schlimm, das ist widerlich.
Er hätte sagen können, dass man ein Stachel im Fleisch sein werde, dass man anderen auf die Finger guckt, dass man andere vor sich her treibt. Alles nicht nett, aber das hat er nicht gesagt. Er ist und bleibt ein Provokteur, von dem keine anständigen Inhalte zu erwarten sind.
Und ja, genau das gefällt mir an der AfD nicht. Ich glaube nämlich nicht, dass hier eine starke, inhaltliche Opposition mitgestaltet und für Dampf auf dem Kessel sorgt. „Ihr seid Versager“, kann man schon feststellen. Und weiter? „Ich habe einen besseren Vorschlag“, ist das, was ich mir wünsche.
Dabei habe ich kaum eine Hoffnung, den von Die Linke, den Grünen oder der FDP zu hören. Die suhlen sich in „gerade nochmal gutgegangen“ oder „wir sind wieder da“. Und weiter? Grüne und FDP werden jetzt ausloten, wie gut ihr Yoga ist und ob sie den Spagat schaffen, in eine Jamaika-Koalition zu gehen.
Jamaika? Mal ehrlich? Wo sind wir denn? Da würden drei zusammenkommen, von denen nur zwei Mal zwei zusammenpassen könnten, aber zwei andere gar nicht. Wenn das kommt, grinst sich am Ende nur die AfD einen. Die wird 2021 nämlich noch stärker sein und möglicherweise für die CDU der einzige „rechnerische“ Regierungspartner werden. Oha, höre ich da Bedenken? Ok. Denken Sie an meine Analyse, wenn es soweit ist.
Ich sehe aktuell nur eine Option: CDU/CSU und FDP trauen sich eine Minderheitsregierung und hoffen auf den politischen Sachverstand von SPD und Grünen, um Mehrheiten zu organisieren. Das ist wackelig und nicht unbedingt tauglich über eine volle Legislatur. Aber einen Versuch wert.
Wenn es die Jamaika-Koalition wird, gibt es genausowenig eine volle Legislatur und am Ende gewinnt nicht die SPD, die sich gerade in der Schmollecke zusammenrollt, sondern wieder die AfD.
Dann lieber gleich das Scheitern einer Regierungsbildung vermelden und im neuen Anlauf hoffen, dass es besser wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die Zeiten sind herausfordernd. Es kann für alle Demokraten nur ein Ziel geben. Gemeinsam und rechtsstaatlich das Ziel zu verfolgen, dieses Land gut zu gestalten. Zum Wohl der Bürger und zur Abwehr von Schaden.
Wenn es drückt, muss man manchmal trotzdem weitermarschieren und dann hilft nur eins: ‚Zsammepetze.
Persönliche Anmerkung: Ja, der Kommentar ist schnell geschrieben und vermutlich kein Meisterstück. Dafür, dass ich seit Jahren im Galopp unterwegs bin, ist er ziemlich gut. Ansonsten stehe ich dazu. Die Feinarbeit kommt noch und wird sicher vielen gar nicht gefallen. Ich mach den Job auch nicht als Clown, so wie andere, die gerne nur gefallen möchten.