Rhein-Neckar/Berlin, 26. September 2017. (red/pro) Insbesondere zwei Zitate des AfD-Spitzenmanns Alexander Gauland haben in der jüngeren Vergangenheit für Aufregung gesorgt – einmal, dass er die Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) in “Antolien entsorgen” lassen wolle und aktuell zur Bundestagswahl sein Auspruch: “Wir werden sie jagen.” In beiden Fällen hat er plagiiert und sich die Grundlage seiner Sprüche einmal bei Sigmar Gabriel (SPD) aus 2012 und dann beim früheren Grünen-Sprecher Ludger Volmer aus 1994 “geliehen”.
Von Hardy Prothmann
Ist das noch Zufall oder hat das schon Methode? Beide Zitate sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig ähnlich, sondern gezielt eingesetzt worden. Motto: Erst provozieren, dann ein wenig die Sache hochkochen lassen, um dann zu blamieren. Ätsch – das hat der Siggi doch auch gesagt und ganz früher mal der Ludger.
Die AfD führt damit andere Politiker oder Medien vor, indem sie einen Spiegel vorhält. Darf ein AfD-Politiker nicht sagen, was einer von SPD und einer von den Grünen gesagt hat, ohne dass es eine Empörungswelle gab?
Natürlich können sich auch AfD-Politiker Zitate ausleihen und bearbeiten. Andere machen das auch. Doch meist mit einer vordergründig zunächst anderen Intention – sie wollen sich ein meist positives Image verschaffen, indem sie sich ein Zitat zu eigen machen. AfD-Politiker hat das abgewandelt. Sie nutzen erst die Provokation, um sich dann entweder als Gleiche unter Gleichen darzustellen oder die Verlogenheit der anderen zu betonen. Dagegen ist schwer anzukommen, wenn es sich eben nicht um klar rechtsradikales Gedankengut handelt.
Andere Gauland-Zitate wie “sie wollen einen wie Boateng nicht als Nachbar haben” oder “andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen” von Armin Paul Hampel, AfD-Chef in Niedersachsen, bedienen klassisch Ressentiments. Dubravko Mandic (Baden-Württemberg) nannte Ex-Präsident Barack Obama einen “Quotenneger” – “Quotenschwarze” sind unter anderem aus dem Filmgeschäft bekannt. Die Überspitzung durch die Ersetzung von Schwarzer durch Neger ist natürlich kein Zufall.
Ein perfides Spiel, das mindestens zwei Mal Erfolg hatte, indem man andere vorführte. AfD-Chef Jörg Meuthen jedenfalls teilt auf Facebook mit:
Und Heuchler sind es, denn sie wären nur dann glaubhaft, wenn sie schon in der Vergangenheit bei gleicher Wortwahl genauso reagiert hätten. Haben sie aber nicht!
Er fordert ein Ende der “Sprachpolizei” beim “Staatsfunk”. Das Wort benutzt übrigens bereits auch Julian Nida-Rümelin (SPD) 2001 in der Debatte um ein “Sprachschutzgesetz”.
“Was wir sagen, wird skandalisiert, was andere sagen, wird gar nicht wahrgenommen”, sagte Gauland am 02. September beim “Kyffhäusertreffen”. Und weiter:
Und wir haben das Recht stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.
Was das Gauland-Zitat zum “Stolz auf die Leistung deutscher Soldaten” angeht – auch hier könnte er sich bedient haben. Bei Konrad Adenauer. Im Protokoll der 240. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 03. Dezember 1952 heißt es (11141(A)):
“Ich möchte heute vor diesem Hohen Hause im Namen der Bundesregierung erklären, daß wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Namen der hohen soldatischen Überlieferung ehrenhaft
zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, daß der gute Ruf und die große Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserem Volke noch lebendig sind und auch bleiben werden.” (Anm. d. Red.: Fettung durch uns)
Sehr interessant: Am 08. Juni 2017 taucht beim islamfeindlichen Blog von Henryk M. Border “achgut.com” ein Text “Zur Bundeswehr-Vergangenheit” eines Rainer Grell auf, Ministerialdirektor a. D. aus Baden-Württemberg. Der wurde bekannt durch einen kritisierten “Gesprächsleitfaden zur Einbürgerung von Muslimen”. In dem Beitrag für achgut tauchen wie in der Rede von Herrn Gauland der Ex-Kanzler Helmut Schmidt auf, Verteidigungsministerin von der Leyen und Generalfeldmarschall Rommel – und das Adenauer-Zitat.
Ist das Zufall, dass aus “anerkennen” das “Recht auf stolz sein” wird und aus “die große Leistung des deutschen Soldaten” die “Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen”? Oder bedienen sich Herr Gauland und seine Redenschreiben bei rechtspopulistischen Blogs? Oder arbeitet Herr Grell gar als Autor zu? Oder gibt es sogar ein größeres Netzwerk zwischen Politikern der AfD und “Publizisten”?
Für die Zukunft sollte man drauf achten, wo sich Plagiator Gauland und andere bedient haben könnten.
Ansonsten bleibt: Beide jüngeren Gauland-Zitate sind widerlich – ebenso wie die früheren von Herrn Gabriel und Herrn Volmer.