Rhein-Neckar/Hamburg, 21. November 2017. (red/pro) Die Rede des FDP-Chefs Christian Lindner zum Ausstieg seiner Partei aus den Sondierungsgesprächen ist aktuell ohne Zweifel das bedeutendste politische Statement. Spiegel online zeigt das Video “in voller Länge” – was falsch ist. Spiegel online zeigt ein geschnittenes und verkürztes Video.
Selbstverständlich ist es zulässig, Informationen zu kürzen oder neu zu ordnen. Dafür gibt es aber journalistische Regeln. Es muss erkennbar sein, ob es sich um eine originale Wiedergabe oder eine bearbeitete Wiedergabe handelt.
Nicht jeder Medienkonsument weiß, dass es die Technik gibt, per “Blitzer” einen Schnitt anzuzeigen. Spiegel online wendet das drei Mal in diesem Video an – beim ersten und dritten Blitzer wurde das Video tatsächlich verkürzt. Beim zweiten gibt es allerdings keinen Schnitt – es sieht aber so aus.
Spiegel online kündigt das Video aber “in voller Länge” an – das ist ganz klar eine Falschinformation. Bei Spiegel online dauert das Statement von Herrn Lindner 2:57′ Minuten, im Original sind es 4:21′ Minuten – tatsächlich fehlt also gut ein Drittel der Aussagen mit durchaus wichtigen Inhalten.
Spiegel online gibt auch den Text der Rede wieder. Dadurch sind wir auf die Manipulation aufmerksam geworden, weil wir den Text gelesen und gleichzeitig das Video haben laufen lassen. Schon nach den ersten Sätzen wurde klar, dass die Aussagen im Video nicht identisch mit dem Text sind.
Wer nur das Video schaut, erhält also nur eine verkürzte Version der Äußerungen zu dieser Nachricht, über die gestern alle politischen Medien berichtet haben. Spiegel online “informiert” aber, dass es die Äußerung in “voller Länge” sei. Damit wird der Nutzer vorsätzlich getäuscht.
Hinweis: Nachfolgender der Text bei Spiegel online. Wörter in Klammern sind solche, die Herr Lindner gesagt hat, die im Text aber nicht vorkommen und von uns ergänzt worden sind. Durchgestrichen sind die Sätze, die Herr Lindner gesagt hat, die aber im Video “in voller Länge” bei Spiegel online herausgeschnitten worden sind. Merke: Man kann redaktionellen Informationen bei Spiegel Online nicht uneingeschränkt vertrauen. Ob es sich um eine bewusste Manipulation oder nur schlampiges journalistisches Handwerk handelt, können wir nicht beurteilen.
Hinweis: Sie lesen diesen Artikel frei zugänglich und nehmen damit eine akribische Leistung in Anspruch. Sie wollen unsere Arbeit honorieren? Dann zahlen Sie gerne mit Selectyco durch Klick auf den Button oder via Paypal einen von Ihnen festgelegten Betrag.
Video bei der FDP im Original: Facebook-Seite der FDP
Artikel bei Spiegel online mit geschnittenem Video “in voller Länge”: “Keine gemeinsame Vertrauensbasis”
“FDP-Chef Christian Lindner hat den Ausstieg seiner Partei aus den Jamaika-Sondierungsgesprächen verkündet. Hier ist seine Erklärung im Wortlaut.
Es war kurz vor Mitternacht, als Christian Lindner in Berlin vor Journalisten trat und verkündete: Seine Partei, die FDP, habe sich aus den Gesprächen über eine mögliche Jamaikakoalition zurückgezogen. Die Verhandlungen von CDU, CSU, Grünen und Liberalen sind damit nach rund vier Wochen gescheitert. Die Erklärung Lindners im Wortlaut:
“Ja, meine Damen und Herren,
wir haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen, und heute am Tag länger als wir uns ursprünglich (ja) vorgenommen haben hatten. Wir haben als Freie Demokraten in den letzten Wochen zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet, unter anderem (ganz) zu Beginn in der Steuerpolitik, in der Europapolitik, in Fragen der Einwanderung, (und) in der Bildungspolitik. Denn wir wissen, dass Politik vom Ausgleich lebt. Und mit knapp elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren.
Schnitt per Blitzer angezeigt
Unsere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in Regierungsbeteiligungen in den Ländern mit Union, mit SPD und mit den Grünen.
Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Und dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind (sie,) diese Übereinkünfte erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären. Da ist wieder auch eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen. Aber am heutigen Tag wurde keine Bewegung, keine neue Bewegung, keine weitere Bewegung, erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch erzielte Kompromisslinien noch einmal infrage gestellt worden sind.
Schnitt per Blitzer angezeigt – hier ist aber nichts herausgeschnitten worden.
Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee, sie wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren.
Wir wissen nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt zukommt. Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, bei dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, nach so langer Zeit und so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dafür, dass auch auf das Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann.
Schnitt per Blitzer angezeigt
Wir werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien und unsere Haltung.
Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer dynamischen Gesellschaft, die auf sich vertraut, die war nicht hinreichend repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute an diesem entscheidenden Tag nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre.
Die Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden. Und wer dieses Dokument ansieht, sieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nichts unrealistisch, sondern maßvoll. Wir sind für die Trendwenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft und bis zur Stunde auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik.
Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten, viele der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das wofür wir Jahre gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt sind. Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.”