Berlin/Rhein-Neckar, 27. November 2017. (red/pro) Die SPD ist nun doch für Gespräche über eine mögliche Fortsetzung der großen Koalition bereit. Nur eine Woche nach einem wiederholten Nein und neun Wochen nach dem ersten kategorischen Nein. Was die Republik erlebt, wirkt wie Theater, ist aber keins. Es geht um Posten und Macht. Wie immer. Und alle spielen mit.
Von Hardy Prothmann
Wo, das frage ich mich schon lange, sind die scharfzüngigen Analytiker in den großen Medien, die klipp und klar fordern, dass Martin Schulz zurücktreten muss? Der Mann hat auf ganzer Linie versagt. Ob vollständig selbst oder mit kräftiger Unterstützung seiner Partei ist dabei vollständig nebensächlich. Jemand, der selbst Auge in Auge mit dem kommenden Desaster noch davon spricht, Kanzler zu werden und mit der historischen Wahlniederlage die totale Opposition ausruft, um nur wenige Wochen später doch Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren, ist, mit Verlaub, nicht mehr ernst zu nehmen.
Die gleiche Forderung könnte man in Richtung der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel stellen, die es versäumt hat, das Ende ihrer politischen Karriere zu regeln, als sie noch mit erhobenem Kopf hätte gehen können.
Stattdessen arbeiten sich die Medien an Horst Seehofer ab, dem dritten Verlierer in der Runde. Hier wird wild spekuliert, wie dessen politisches Ende oder so eine Art Vorruhestand zu regeln sei. Dabei ist das nicht das drängendste Problem. Wirklich dringend ist es, eine Regierung zu bilden. Ob große Koalition oder Minderheitsregierung.
Frau Dr. Merkel hat sich verzockt. Die SPD und Herr Schulz noch mehr. Frau Dr. Merkel konnte nicht wissen, dass die SPD zunächst auf total stur stellen würde und die SPD hätte wissen müssen, dass das Ziel, größte Fraktion zu werden, ein Hirngespinst war. Martin Schulz leuchtete zunächst hell. Wie eine Wunderkerze, aber die sind bekanntlich auch schnell abgebrannt.
Es hätte längst ein neues Kabinett geben können – hätte sich die SPD nicht verweigert. In das Dilemma haben sich die Sozialdemokraten selbst gebracht. Was nun folgt ist weiteres Geplänkel. Die SPD wird Forderungen stellen, die die Unionsparteien nicht akzeptieren werden. Dabei wird es am Ende darauf ankommen, dass die SPD mit irgendetwas punkten kann, um der Weltöffentlichkeit zu zeigen, wie hart verhandelt worden ist und dass man letztlich der Sieger sei. Zumindest denkt die SPD das jetzt noch.
Das ist die Chance für Überraschungen und für Königsmorde. Wenn es jemandem gelingt, der nicht zur Riege der lautstarken Wortführer gehört, das Feld von hinten aufzurollen, werden vorne Behinderungen weggekegelt und durch neue Hoffnungen ersetzt. Dann hat man sich der Aufgabe gestellt, klare Positionen bezogen und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Was in den kommenden Wochen passieren wird, ist ein Warten auf Fehler. Der erste kommt schon wieder von Martin Schulz, der Bedingungen ankündigt. Der nächste Fehler wird sein, diese zum sine qua non als alternativlos festzunageln. Frau Dr. Merkel tut derzeit, was sie am Besten kann: Sich im Vagen aufhalten und aussitzen.
Die SPD geht fehl, wenn sie denkt, sie könne noch den großen Zampano geben. Nicht sie hat die Macht in der Hand und kann die CDU/CSU lenken, sondern sie hat die Chance, sich nicht selbst noch weiter zu beschädigen, als sie es gerade ist. Das ist perspektivisch nicht dasselbe.
Denn am Ende des Tages wird die Kanzlerin Dr. Angela Merkel heißen, egal ob sie einer großen Koalition oder Minderheitsregierung vorsteht.
Wie alle auf so einem Posten, ist auch Frau Merkel eitel. Sexy macht sie die Macht. Und wie alle eitlen Menschen hat sie Angst vor einem Bedeutungsverlust. Deswegen ist eine Minderheitsregierung so gar nicht nach ihrem Geschmack. Selbstverständlich will sie lieber eine große Koalition, denn dann kann sie weiter durchregieren.
Sie kann sich aber auch zur Minderheitskanzlerin wählen lassen, um später eine große Koalition zu vereinbaren, sofern die Mütchen sich beruhigt haben und nicht das letzte Porzellan zerschlagen sein sollte, was man bei einem Martin Schulz und einem Rolf Stegner mittlerweile befürchten muss.
Denn sie hat etwas zu bieten, was sonst keiner bieten kann: Posten, Macht und die Chance, etwas zu gestalten. Das weiß sie und deswegen merkelt sie sich durch, wartet ab, wer sich ihr so andient, dass sie weitermachen kann. Das wird die SPD sein. Die Frage ist nur – wer in der SPD kommt auf welchen Posten?