Stuttgart/Rhein-Neckar, 27. November 2017. (red/pro) Der ehemalige Drogerieunternehmer Anton Schlecker (73) ist vom Landgericht Stuttgart zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Seine Kinder Lars (46) und Meike (44) müssen für zwei Jahre und acht Monate beziehungsweise zwei Jahre und neun Monate in Haft. Die früheren Unternehmer mussten sich wegen vorsätzlichen Bankrotts, Insolvenzverschleppung und Untreue verantworten. Fast 23.000 Gläubiger warten noch auf Entschädigung – das wird allerdings noch dauern. Der Insolvenzverwalter konnte bislang rund ein Drittel der angemeldeten Forderungen sichern.
Die von Anton Schlecker 1975 gegründete Drogeriekette hatte in Hochzeiten bis zu 55.000 Mitarbeiter. 2012 ging das Unternehmen pleite, rund 24.000 Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze.
Die Staatsanwaltschaft ist nach Abschluss der äußerst umfangreichen Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem Unternehmen Schlecker seit Ende des Jahres 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohte, was die Angeklagten Anton, Lars und Meike Schlecker spätestens am 31.12.2010 subjektiv auch erkannt haben. Die Krise des Unternehmens Schlecker wirkte sich auch auf die Logistikfirma LDG, deren Gesellschafter Lars und Meike Schlecker waren, aus mit der Folge, dass diese im Januar 2012 am Rande der Überschuldung stand. Gleichwohl wurden dem Einzelunternehmen Schlecker e. K. bzw. der Logistikfirma LDG durch die Angeklagten auf unterschiedlichste Weise in erheblichem Umfang Gelder entzogen und beiseitegeschafft,
teilte die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung zum Tatvorwurf mit. Und weiter:
Durch die Zahlung überhöhter Stundensätze nach dem 31.12.2010 an die Logistikfirma LDG entstanden dem Unternehmen Schlecker e. K. Verluste in Höhe von insgesamt knapp 9,3 Millionen Euro und dem Tochterunternehmen SHS solche in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Darüber hinaus schaffte der Angeklagte Anton Schlecker nach diesem Zeitpunkt auch Vermögenswerte in Höhe von insgesamt ca. 5 Millionen Euro beiseite um diese dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Lars und Meike Schlecker haben nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ihrem Vater in mehreren Fällen dabei geholfen, dem Unternehmen Vermögenswerte zu entziehen. Darüber hinaus haben sie als faktische Geschäftsführer der LDG diese um 7 Millionen Euro geschädigt, indem sie sich diesen Betrag als angeblichen Gewinn aus dem Geschäftsjahr 2011 ausschütten ließen, obwohl das Unternehmen – wie sie wussten – in diesem Geschäftsjahr nur Verluste erwirtschaftet hatte und sie mit dieser Gewinnausschüttung die Überschuldung des Unternehmens herbeiführten. Außerdem unterließen sie es als faktische Geschäftsführer der LDG bewusst pflichtwidrig, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.
22.738 Gläubiger – Forderungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro
Zum Prüfungstermin im Juli 2012 hatten 22.738 Gläubiger Forderungen angemeldet. Die Forderungssumme belief sich bereits damals auf 1.074.791.544 Euro.
Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sagte in einigen Interviews, dass er eine Inhaftierung des Firmenpatriarchen für sehr hart hielte. Er habe allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einige Transaktionen als kritisch ansehe, teilte uns dessen beauftragte Presseagentur auf Anfrage mit.
Die insolvenzrechtlichen Anfechtungen hat die Familie Schlecker bereits nach einem Vergleich 2013 bezahlt. Das waren damals 10,1 Millionen Euro. Darüber hinaus hat Herr Geiwitz den Strafprozess genau verfolgt. Die Staatsanwaltschaft habe mehr Möglichkeiten, etwa auch im Ausland geparkte Werte aufzuspüren:
Ein verborgener Schlecker-Schatz, den Herr Geiwitz für die Gläubiger hätte heben können, ist nicht aufgetaucht.
Dass Herr Geiwitz im Laufe des Verfahrens noch weitere Zahlungen der Familie Schlecker über insgesamt vier Millionen Euro zugunsten der Gläubiger der Insolvenzmasse der Anton Schlecker e. K. vereinnahmen und buchen konnte, sei überraschend gewesen.
Entschädigungen erst in einigen Jahren
Die Einnahmen der Veräußerungsmasse liegen in einem mittleren dreistelligen Millionenbereich. Die Ermittlung der Quote und die Verteilung vorhandener Gelder werden erst nach Verfahrensabschluss stattfinden. Zahlungen seien bislang an Gläubiger mit Sicherungsrechten gegangen – vor allem Lieferanten. Nach Verfahrensabschluss werden erst die Schlecker-Mitarbeiter und die anderen Masseverbindlichkeiten entschädigt und nur wenn dann noch Geld im Topf ist, die mehr als 22.000 Insolvenzgläubiger.
Dass die Familie nicht ausreichend Mittel hatte, um die Restrukturierung aus eigener Kraft zu stemmen, entspreche der Wahrheit.
Ohne die Kartellverfahren hätte das Verfahren in den kommenden ein bis zwei Jahren beendet werden können. Aber mit dem Risiko, dass sich der Insolvenzverwalter durch die Instanzen prozessieren muss, könnte sich das Insolvenzerfahren deutlich verlängern. Man gehe davon aus, dass das Schlecker-Insolvenzverfahren insgesamt noch vier bis fünf Jahre andauern wird.
Ob die Verurteilten Rechtsmittel einlegen werden, ist noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft hatte für Anton Schlecker eine Haftstrafe von drei Jahren gefordert und will sich in den nächsten Tagen zu dem Urteil äußern und bekannt geben, ob sie Rechtsmittel einlegen wird. Der Gericht hatte ihn zu zwei Jahren und einer Geldstrafe von 54.000 Euro verurteilt – das sind 360 Tagessätze zu je 150 Euro.
Für die Familie stehen weitere juristische Klagen im Raum: In Zwickau und im österreichischen Linz beginnen Mitte Dezember zwei Zivilprozesse gegen die Familie. Insgesamt geht es laut Zeit Online um Forderungen in Höhe von 21,4 Millionen Euro.