
Der neue Slogan "For you. Vor Ort." soll "niedrigere und mittlere Bildungsniveaus" ansprechen. Dazu zählt Schlecker 95 Prozent seiner Kunden, so Unternehmensprecher Florian Baum in einer ersten Reaktion auf Kritik am denglischen (deutsch-englischen) Werbespruch. Foto: soso
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Rhein-Neckar, 29. Oktober 2011. Ein bislang nicht bekannter Briefschreiber beschwert sich bei Schlecker über den neuen Werbe-Slogan „For you. Vor Ort“. Der Unternehmenssprecher Florian Baum antwortet auf diesen Brief und sorgt mit seiner Antwort für das, was man gut und gerne einen Kommunikationsgau nennen kann. Danach haben die meisten Schlecker-Kunden ein „niedriges bis mittleres Bildungsniveau“. Das Unternehmen versucht sich nun in Schadensbegrenzung.
Von Hardy Prothmann
Bekannt wurde der Brief durch die Fachzeitschrift „Deutsche Sprachwelt“, die das Schreiben zugespielt bekommen und veröffentlicht hatte. Daraufhin entwickelte sich im Internet ein „Shitstorm“ – eine wütende Kettenreaktion mit Kritik am Unternehmen. (Hier Reaktionen auf Twitter.)
Wie man die Antwort von Schlecker-Sprecher Florian Baum zu werten hat, bleibt jedem selbst überlassen. Sehr viele Kundinnen und Kunden haben sich aber mehr als geärgert.
In einer Antwort auf eine Kritik am neuen Werbe-Slogan „For you. Vor Ort“ schreibt Baum, dass er persönlich die Kritik verstehen kann. Immerhin ist er „Geisteswissenschaftler“ und fühlt sich dem „Sprachgebrauch der Latinitas verpflichtet“ – sprich, persönlich würde er so einen Slogan nicht verwenden.
Aus Unternehmenssicht aber schon. Und dafür liefert er eine Begründung, die wenig schmeichelhaft für die Kundinnen und Kunden ist:
„Das Motto sollte die durchschnittlichen Schlecker-Kunden, die niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen sind, ansprechen.“
Und weiter:
„Die Zielgruppe unseres Werbeslogans sind auch nicht die vielleicht 5 Prozent der Bevölkerung, zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner gehören (nämlich promovierte Akademiker, Philologen und andere reflektierte Sprachverwender) – sondern die übrigen 95 Prozent.“
Wie soll man das verstehen? Dass die „übrigen 95 Prozent“ nicht reflektiert mit der Sprache umgehen? Oder das Schlecker die 5 Prozent gar nicht im Blick hat und auch nicht als Kunden gewinnen will, weil denen der „denglische“ Werbeslogan zu blöd ist?
Die Financial Times Deutschland schrieb: „Schlecker hält die eigenen Kunden für blöd.“ Ein Schluss, den wohl viele aus dem arroganten Schreiben des Unternehmenssprechers Baum ähnlich gezogen haben dürften. Das Handelsblatt formuliert: „Schlecker nennt Kunden ungebildet.“

Das dachten viele nach dem Brief von Schlecker, der für viel Empörung gesorgt hat.
„Und ja, wir stehen zu diesem Motto, wie wir auch zu einer unserer wichtigsten Zielgruppen stehen: Menschen mit einfachem bis mittlerem Bildungsniveau.“
Vollkommen unverständlich, wie ich meine. Denn Schlecker verknüpft das „Bildungsniveau“-Thema ohne Not mit den eigenen Kundinnen und Kunden. Und lässt auf den ersten Fehler den zweiten folgen. Und selbst ein richtiger Ansatz, um aus dem Desaster rauszukommen, wird wieder mit der Verknüpfung „Bildungsniveau-Dummheit“ verwendet:
„Wer will, mag unser Unternehmensmotto diskutieren, gut finden oder für dümmlich halten. Unsere Mitarbeiter, die zum überwiegenden Teil schon seit 15 und mehr Jahren im Unternehmen arbeiten, wie auch unsere Kunden sind es ganz sicher nicht.“
Die andauerende Verknüpfung von Bildungsniveau und Dummheit in bezug auf die eigenen Kundinnen und Kunden ist das Problem dieser Kommunikationspanne, durch die viele unterstellen, Schlecker habe keine besonders gute Meinung von der eigenen Klientel.
Eine positive Formulierung dieser Art hätte Schlecker und der Klientel sicher mehr gedient:
„Wie achten und schätzen unsere Kundinnen und Kunden als gute Menschen. Wer bei uns einkauft, ist schlau – denn wir bieten gute Ware zu günstigen Preisen. For you. Vor Ort.“
Das ist aber der „Unternehmenskommunikation“ und dem „Geisteswissenschaftler“ Florian Baum nicht eingefallen. Was man auch indirekt als Beweis anführen könnte, dass eine akademische Bildung und eine Zugehörigkeit zur „Latinitas“ nicht unbedingt vor Dummheit schützt.

Diese Aussage sorgte für jede Menge Verärgerung.
Vielleicht sollte sich Schlecker zuallererst einen neuen Unternehmenssprecher suchen, der die Kundenansprache besser beherrscht.
Wer den Brief nachlesen möchte, findet ihn beim Facebook-Account von „Deutsche Sprachwelt.“
Weitere Infos:
Siehe auch einen Bericht des Mediendienstes „meedia“ zum Thema.