Rhein-Neckar, 24. Januar 2012 (red/jt) Nach Bekanntwerden der Insolvenz der Drogeriekette Schlecker herrscht große Unsicherheit – bei Mitarbeitern und bei Kunden. Welche Filialen bleiben bestehen, wo gibt es Schließungen, wer verliert seinen Job? Auch die Metropolregion Rhein-Neckar ist betroffen.
Die Schlecker-Pleite kostet deutschlandweit vermutlich 30.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Viele davon auch in der Region Rhein-Neckar. Im benachbarten Neckar-Odenwald-Kreis hat das Filialsterben bereits angefangen. Die Filiale in Seckach hat laut Rhein-Neckar-Zeitung bereits zum 24. Dezember 2011 ihre Türen geschlossen. Auch die Filialen Buchen, Osterburken und Höpfingen wurden bereits 2011 dicht gemacht.
In der Metropolregion Rhein-Neckar gibt es ebenfalls erste Opfer unter den Filialen. In Ilvesheim schließt man zum 08. Februar die Türen. Die Regale sind schon großenteils leer geräumt.
Ungewiss ist die Zukunft der dortigen Mitarbeiter. „Vermutlich werden wir zunächst Krankheitsvertretung in den Nachbarfilialen machen“, sagt uns eine Mitarbeiterin. Erfahren habe man von der Schließung übrigens erst vor einer Woche.
Um uns ein genaueres Bild von der Lage vor Ort machen zu können, haben wir auch die Filialen in Edingen-Neckarhausen, Heddesheim und Ladenburg persönlich besucht.
Presse nicht erwünscht
In Ladenburg verweist man mich direkt an die Filialleiterin. Die Dame ist um die 50 Jahre alt. Sie räumt gerade Regale ein. Fragen möchte sie keine beantworten. Die anderen Mitarbeiter sehen verstohlen zu uns herüber. Antworten gibt es hier keine, bis auch diese: „Die Presse ist hier nicht erwünscht.“
Ähnlich die Reaktion in Heddesheim. Auch dort verweist man an die Filialleitung. Antworten? Fehlanzeige. Die Nummer der Pressesprecherin könne man uns geben. Diese Auskunft gibt es zwischen Tür und Angel. Von einem Fax oder Brief schreibt die Filialleiterin die Nummer ab. Dazu kommt sie nicht mal aus ihrem Büro hervor. Sie reicht einen kleinen Zettel mit einer Handynummer darauf. Selbst der Name der Ansprechperson fehlt.
Auf die Nachfrage, ob man denn schon etwas zum Schicksal der Filiale weiß, verweist man mich mit einem Lächeln und Augenzwinkern an die Pressestelle. „Netter Versuch!“, soll das wohl heißen.
Verunsicherte Kunden
In Edingen-Neckarhausen antwortet mir ein Mitarbeiter. Die Filialleitung lässt sich nicht blicken. Der Mitarbeiter scheint besorgt. Von der Insolvenz habe man durch die Firmenleitung erfahren, ungefähr zur gleichen Zeit als es auch in den Medien bekannt wurde. Viele Kunden seien verunsichert, würden nachfragen, ob die Filiale erhalten bleibt.
Von der Schließung in Ilvesheim weiß man hier bereits. Wenn die Presse positiv berichtet, könnte das vielleicht helfen. Eine diffuse Hoffnung. Tatsache ist, neben dem Edeka-Markt ist die Schleckerfiliale die einzige Einkaufsmöglichkeit am Ort. Im Ortsteil Neckarhausen wurde der dortige Drogeriemarkt schon vor einiger Zeit geschlossen.
Ein Passant erzählt uns, die Filiale sei so etwas wie ein Tante Emma Laden.
Das ist das einzige Geschäft direkt hier im Ortskern!
Viele ältere Menschen wohnen in Edingen, der Weg zum Industriegebiet ist für sie zu weit und zu beschwerlich. Als wir ein Bild der Filiale machen, witzelt ein weiterer Passant:
„Sie machen wohl das letzte Bild, was?“
Keine Informationen durch die Pressestelle
Zurück in der Redaktion versuchen wir die Pressestelle zu erreichen. Der Anruf unter der uns mitgeteilten Telefonnummer bleibt erfolglos. Wie zu erwarten. Per email fragen wir erneut nach.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen über einzelne Märkte, Städte oder Regionen treffen können.
Das ist der Informationsgehalt der erhaltenen Antwort. Einen Namen des Pressesprechers sucht man hier übrigens vergebens. Die Mail ist lediglich mit „Pressestelle Schlecker“ unterzeichnet.
Deutschlandweite Kritik
Das Thema „Schlecker“ ist zur Zeit fast überall zu finden. Die Unternehmerfamilie Schlecker steht stark in der Kritik. Auch Trigema-Chef Wolfgang Grupp geht hart mit Anton Schlecker ins Gericht.
Gegenüber der „WirtschaftWoche“ äusserte er, Schlecker habe das Geld, das er mithilfe seiner Beschäftigten verdient habe, für sich behalten. Weiter kritisierte er:
Hier werden diejenigen belohnt, die dem Größenwahn und der Gier frönen, während die Anständigen die Dummen sind.
Laut Informationen der Financial Times Deutschland (FTD) soll nun eine sogenannte Planinsolvenz in die Tat umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung. Das Unternehmen legt dem Insolvenzrichter dabei ein Sanierungskonzept vor, mit dem es entschuldet werden soll.
Die Familie Schlecker könnte so Eigentümer der Kette bleiben. Wichtig dabei ist: Der Insolvenzverwalter übernimmt nur die Aufsicht bei einem solchen Verfahren. Die Geschäftsführung bleibt weiter im Amt.
Danach würde auch die Geschäftsführung Pläne vorlegen wie es mit Filialschließungen, Stellenabbau und Kostensenkungen weitergeht, nicht der Insolvenzverwalter.
Auf der Facebook-Seite des Unternehmens kommentiert eine Nutzerin das angekündigte Planinsolvenzverfahren wie folgt:
Das rettet unsere Arbeitsplätze auch nicht mehr. Danke Anton.
Laut Spiegel geht es aber nicht nur um die Arbeitsplätze, auch die Gehälter sind in Gefahr. Mit einer Planinsolvenz kann das Unternehmen auch die bestehenden Tarifverträge mit ver.di ausserplanmässig kündigen. Schlecker wäre sonst bis Juni an einen Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag gebunden gewesen, der Entlassungen nicht möglich macht.
Seit 2010 waren die Kinder von Firmengründer Anton Schlecker für eine Neuausrichtung des Unternehmens zuständig.
Sie versprachen mehr Offenheit – umgesetzt wurde die aber nicht. Das zeigen solche versteckten Schachzüge im Insolvenzverfahren ebenso, wie der mangelhafte Umgang mit Presse und Öffentlichkeit.
Kundennähe und unternehmerische Verantwortung für die Mitarbeiter geht anders.