Mannheim, 16. September 2017. (red/pro) Der emeritierte Prof. Dr. Egon Jüttner (75), CDU-Stadtrat und noch Bundestagsabgeordneter, fühlt sich durch unsere Berichterstattung beleidigt und sieht „den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB“ als „erfüllt“ an. Konkret geht es um unsere Montagsgedanken vom 11. September 2017, in denen wir sein parteischädigendes Verhalten thematisieren. Weiter kündigt er uns rechtliche Schritte an, wenn wir nochmals behaupten sollten, die CDU Mannheim hätte ihn nicht mehr als Bundestagskandidaten aufgestellt. Doch das ist eine Tatsache.
Von Hardy Prothmann
Ist das sein letzter Kampf? Die bundespolitische Karriere des Abgeordneten Prof. Dr. Egon Jüttner endet. Diese hat er zwar weitestgehend auf der so genannten „Hinterbank“ absolviert, trotzdem ist er durch seine langjährige Abgeordnetenfunktion ein öffentliche Person, die sich mehr Kritik gefallen lassen muss, als ein privater Bürger. Herr Jüttner droht uns nun mit juristischen Schritten. Das kann er tun. Im Rechtsstaat kann jeder jeden verklagen. Wer Recht bekommt, ist allerdings bis zum richterlichen Urteil und durch die Instanzen offen.
Herr Jüttner fühlt sich beleidigt, weil wir ihn in einer sehr langen, sehr differenzierten Kolumne in unsere Reihe „Montagsgedanken“ in einer Zwischenüberschrift als „Dreckschleuder“ und im Kontext als „Schänder“ bezeichnet haben. „Dreckschleuder“ haben wir in „Dreckschleudernder“ abgewandelt und „Schänder“ in „schadenbetreibenden“. (Siehe Artikel: „Lassen Sie uns Tacheles reden“) Denn wir sind in der Sache und nicht um unnötige Streitereien um einen konkreten Ausdruck interessiert. (Die Angelegenheit kann man bei den Stuttgarter Nachrichten nachlesen, die anders als wir meinten, den Nicht-Skandal berichten zu müssen.) In der Sache ändert sich nichts an unserer Kritik am Pädagogen der alten Schule Egon Jüttner, der kein Gespräch sucht, sondern die Knute:
Alt, verbittert und voller Wut,
steht über ihn in unserer Kolumne. Offenbar trifft ihn das ganz gut. Denn bis vor einiger Zeit hatten wir einen normalen Kontakt zu dem Politiker – seit klar ist, dass seine politische Karriere beendet ist und wir sein Verhalten kritisiert haben, nicht mehr. Die Stuttgarter Nachrichten schrieben:
Pikant an der Geschichte ist, dass der 31-jährige Löbel gerne Egon Jüttner als Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneter beerben möchte. Der 75 Jahre alte Jüttner, der seit 1990 mit Unterbrechungen viermal in den Bundestag gewählt wurde, tritt nun nicht mehr an. Er hatte bereits bei der Kandidatenaufstellung Löbel nach Kräften zu verhindern versucht.
Herr Jüttner stellt in seiner postalischen Zuschrift fest:
Nach Rücksprache mit meinem Rechtsanwalt weise ich Sie hiermit vorsorglich darauf hin, daß (sic!) Sie mit diesen Bezeichnungen den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt haben.
Das können der Rechtsanwalt und Herr Jüttner so meinen. Letztlich müsste das ein Gericht entscheiden.
Ich halte an den Ausdrücken wie belegt nicht fest, weil das Rheinneckarblog sich lieber um Inhalte kümmert, als um Prozesshanselei. Damit sind wir sehr erfolgreich.
Die Beschreibung, dass Herr Jüttner mit „Dreck schleudert“ und dass er seiner Partei und seinem Nachfolger Nikolas Löbel Schaden zuzufügen trachtet, bestätigte ich allerdings als meinungsbetonte Einordnung über sein Verhalten.
Herr Jüttner möchte ferner nicht mehr lesen müssen, dass er von der CDU Mannheim nicht mehr aufgestellt worden sei. Das ist kurios. Herr Jüttner ist nicht mehr aufgestellt worden. Das ist eine Tatsache.
Herr Jüttner meint, ihm sei:
völlig unklar, wie Sie zu diesem Schluss kommen, denn ich habe weder mit irgendeinem Organ der CDU Mannheim wie etwa dem Kreisvorsitzenden oder dem Kreisvorstand noch mit einem einzigen Parteimitglied (außer meinen Familienmitgliedern) über eine mögliche Kandidatur gesprochen.
Vielmehr habe er die Entscheidung, nicht mehr anzutreten, „um die Jahreswende 2015/2016 gemeinsam mit meiner engsten Familie und aus freien Stücken getroffen“. Er fordert mich als Redaktionsleiter für das Rheinneckarblog auf, „derartige Behauptungen künftig zu unterlassen“. Andernfalls behalte er sich „rechtliche Schritte“ vor.
Damit ist hier dokumentiert, dass Herr Jüttner in Absprache mit seiner engsten Familie nicht mehr kandidieren wollte. Was ändert das an der Tatsache, dass die CDU Mannheim ihn nicht mehr aufgestellt hat? Herr Jüttner bestätigt unsere Berichterstattung durch das Schreiben, dass es auch nicht den Hauch eines Interesses der CDU Mannheim gab, weder durch den Kreisvorsitzenden noch durch den Kreisvorstand, ihn erneut aufzustellen. Sonst hätte man ihn doch gefragt oder sogar gebeten? Oder verstehen wir hier was falsch? Wogegen will er rechtliche Schritte einleiten? Gegen eine von ihm bestätigte Tatsachenbehauptung? Das könnte juristisch interessiert werden.
Ich zitiere einen Absatz aus der Kolumne „Montagsgedanken“:
Er steckte eine email in die Schublade mit der Aufschrift: Giftschrank. Und als es ihm nützlich war, zog er die Giftspritze auf. Herr Jüttner ist ein Heckenschütze, der sich lieber mit der SPD gemein macht, als seiner Partei und seinem Nachfolger zu dienen. Nicht aus hehren, sondern aus niederen Gründen. Aus der eigenen parteipolitischen Sicht könnte man Herrn Jüttner auch für eine große Schande halten. Die konkurrierende parteipolitische Sicht hält den schadenbetreibenden Jüttner für ein willkommenes Instrument und offenbart damit die eigene Verderbtheit. Ja, wir reden von der CDU und der SPD und nicht über meine politischen Präferenzen.
Selbstverständlich ist die Beschreibung mit der Giftschrankrhetorik eine Parabel. Herr Jüttner sollte als ehemaliger Professor wissen, was eine Parabel ist. Dass ich ihm keine hehren, sondern niedere Beweggründe unterstelle, ist klar eine Meinungsäußerung. Der nächste Satz ist im Konjunktiv geschrieben und abhängig vom Standpunkt des Betrachters, ebenso die folgende Einordnung. Nachweislich gab es viele SPD-Mitglieder, die „anonyme“ Hinweise auf einen angeblichen Verstoß des Bundestagskandidaten Nikolas Löbel gegen die Parteienfinanzierung skandalisieren wollten. Verhält man sich so vorbildlich? Herr Jüttner muss sich das fragen lassen.
Das Problem: Es handelt sich um interne Schreiben der CDU, wovon uns welche zugespielt worden sind, die wir als nicht ausreichend eingeordnet haben, um einen Skandal zu erkennen. Gleichzeitig haben wir uns aber nach der Verantwortung des Herrn Jüttner gefragt:
Das ist sieben Jahre her und wenn das ein Skandal sein sollte, muss sich Herr Jüttner fragen lassen, wieso er das so lange unter Verschluss hielt? Er müsste sich auch Fragen lassen, ob er die Anfrage des damals 24-jährigen Löbel nicht gedeckt habe und somit Teil des angeblichen Skandals war? Wo war damals seine transparente Empörung zu erfahren? Nirgendwo.
Herr Jüttner soll uns verklagen, wenn er meint, seine letzte Schlacht schlagen zu müssen. Einen würdevollen Abgang innerhalb der CDU Mannheim hat er bereits verloren. Wir hatten damals berichtet:
Während der Veranstaltung im Kulturhaus Käfertal sitzt Prof. Dr. Egon Jüttner (74) ganz hinten. Fast isoliert. Nur zwei Personen sitzen bei ihm, der Rest der Tischreihe ist leer. Herr Jüttner war vor 26 Jahren das erste Mal in den Bundestag gekommen. Drei Mal gewann er das Direktmandat, zwei Wahlperioden schaffte er den Einzug nicht.
Offenbar schafft er den Abgang nicht, ohne noch mehr Schaden erzeugen zu wollen.
Das ist irgendwie tragisch, aber auch symptomatisch für die Generation „böse alte Wutbürger“. Um das klar festzustellen. Das ist eine Meinungsäußerung – ich halte Herrn Jüttner für einen bösen, alten Mann, der nicht einsehen will, dass seine öffentliche Wirkungszeit vorbei ist. Sehr tragisch finde ich, dass er mit Würde und Anstand die öffentliche, politische Bühne hätte verlassen können, aber offenbar den Streit und das Zerwürfnis sucht. Warum auch immer. Es gibt andere Beispiele wie den Altkanzler Dr. Helmut Kohl, die sich ähnlich verhalten haben, wobei ich zu beachten gebe, dass Herr Jüttner auch nicht ansatzweise das Format und die Bedeutung dieses Altkanzlers hat.
Früher gab es mal die „elder statesmen“, die im öffentlichen Raum für sich einstanden und keine drohenden Briefe schreiben mussten. Einer war Dr. Heinrichjosef Georg Geißler (Heiner Geißler), gerade verstorben. Gott hab ihn selig.
Ich finde, dass Herr Jüttner sich seinem Lebensabend in Anstand widmen kann. Den hat er sich verdient. Weniger gut fände ich, wenn er sich und andere noch mehr als nötig beschädigt. Denn daran kann niemand ein Interesse haben.
Sollte er sich besinnen, kann er 2019 auch seine Karriere als Stadtrat beenden. Es wird freundliche Worte geben, wenngleich keine sehr freundlichen Worte. Sollte Herr Jüttner allerdings weiter rumwüten, wie er das aktuell tut, könnte es sein, dass die CDU-Fraktion überlegen sollte, ihn wegen parteischädigenden Verhaltens zügig auszuschließen.