Mannheim/Berlin 07. März 2021. (red/pro) Die Causa Löbel ist mit dessen Rücktritt als Kreisvorsitzender und dem Abgang im Auswärtigen Ausschuss noch lange nicht beendet. Bundesweit fordern prominente CDU-Parteifreunde die sofortige Niederlegung seines Bundestagsmandats. Der Mannheimer CDU-Kreisverband hingegen bis “spätestens 31. März”. Löbel hatte am Morgen mitgeteilt, dass er die Ämter erst am 31. August 2021 niederlegen will. Das wird er kaum aushalten, denn der Mann ist völlig isoliert.
Von Hardy Prothmann
Die Schockwelle über die ganz offenkundige Verknüpfung seines Abgeordnetenstatus mit Geschäften seiner privaten Löbel Projektentwicklungs GmbH ist gewaltig. Ganz klar – es ist Wahlkampf. Am 14. März stehen die Landtagswahlen in Baden-Würrtemberg und Rheinland-Pfalz an, im Herbst die Bundestagswahl. Die Nervosität durch eine teils völlig unsinnige Corona-Krisenpolitik ist enorm. Auch ohne Löbels Fehlverhalten liegen vielerorts die Nerven blank.
Und dann kommt ein junger Abgeordneter (34) und macht sich mit der Vermittlung von Masken die Taschen voll. In einer Zeit, in der viele ihre Jobs verloren haben oder verlieren werden und die Perspektivlosigkeit gigantisch ist. Eine Viertelmillion Euro ist für Normalbürger nicht ein “bissl Bimbes”, sondern enorm viel Geld und kaum jemand könnte, auch wenn er wollte, solche Geschäfte machen.
Viele Fragen noch offen
Völlig unklar ist derzeit, ob Herrn Löbel auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ins Haus stehen wie dem CDU-Kollegen aus Karlsruhe Land, Axel Fischer und dem CSU-Politiker Georg Nüßlein. Laut Medienberichten gab es in beiden Fällen bereits Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt. Bei Fischer wegen möglicher Gelder aus Aserbaidschan und bei Nüßlein ebenfalls um Zahlungen aus Maskendeals, die er steuerlich nicht korrekt angeben haben soll. Wie immer, gilt natürlich die Unschuldsvermutung – auch für Herrn Löbel.
Tatsächlich wird aber die Bundestagsverwaltung prüfen müssen, ob Herr Löbel private geschäftliche Vorteile in Verbindung mit seinem Mandat erreichen wollte und auch erreicht hat. Auf seiner Biographieseite des Bundestags sind lediglich zwei “Nebentätigkeiten” mit Stufen angegeben. Für sein Amt als Gemeinderat und seine Funktion als stellvertretender Fraktionsvorsitzender enthält das 1,5-fache eines Gemeindrats, also rund 1.500 Euro monatlich. Hinzu kommen Sitzungsgelder. Herr Löbel ist aber auch Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse Rhein Neckar Nord. Hier gibt er eine bezahlte Nebentätigkeit der Stufe 3 an – das bedeutet Einkünfte zwischen 7.000 bis 15.000 Euro im Jahr, wie das Geldinstitut dem RNB mitteilte.
Ansonsten gibt er an, an der Löbel Projektmanagement GmbH Mannheim zu sein. Außerdem Geschäftsführender Gesellschafter Immosites Projektentwicklung GmbH, Viernheim (bis 31.12.2020), sowie Nikolas Löbel pr.marketing.event, Mannheim.
Als Privatmann hatte er 2019 ein Mietshaus in der Neckarstadt-Ost erworben, was im Herbst 2020 einen Skandal verursachte, weil er einen Mieter in einer Drehscheibenwohnung der städtischen GBG untergebracht hatte und mehrere Wohneinheiten an eine AirBnB-Firma vermietet, die deutlich höhere als ortsübliche Mieten verlangt.
Offenbar versteht Herr Löbel noch nicht die Tragweite seines unmoralischen Handelns
Für große Verwunderung sorgte, dass er in der Kreisgeschäftsstelle als Bundestagsabgeordneter Räume für diese Tätigkeit angemietet hatte. Was man eventuell noch nachvollziehen kann, doch auch seine Projektmanagement GmbH wurde Mieter. Deren Geschäftszweck ist laut Gesellschaftervertrag von 2015: “Die Beratung von Unternehmen und Institutionen im Bereich Kommunikation, strategische Marktpositionierung und Vertriebsoptimierung sowie die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und Marketingmaßnahmen. Darüber hinaus sind Gegenstand des Unternehmens die Projektentwicklung sowie das Projektmanagement im Bereich der Immobilienwirtschaft, die Erbringung von Immobiliendienstleistungen, insbesondere der Ankauf von bebauten und unbebauten Grundstücken zum Zwecke der Bebauung mit Wohn- und Gewerbeimmobilien im Sinne einer Bauträgertätigkeit, der Verkauf, die Vermittlung sowie die Vermarktung von Immobilien.”
Ganz offenbar ist ihm bis heute nicht die Tragweite seines mindestens moralisch verwerflichen Handelns bewusst. Um 10:18 Uhr versendete er seine Erklärung, die Ämter aufzugeben und sich aus der Politik zum 31. August 2021 “zurückzuziehen”. Als ob er das allein in der Hand hätte. Um 14:18 Uhr folgte die Erklärung des CDU-Kreisvorstands, der vermutlich eine Brücke bauen wollte, dass man erwarte, er solle bis spätestens 31. März seine Ämter niederlegen. Gleichzeitig äußerten sich bundesweit Parteikollegen, dass sie das sofort erwarten.
Wenn die CDU Mannheim den Schaden wirklich einzugrenzen versucht, muss diese handeln. Man kündigt die Untermietverträge mit Löbel in der Elisabethstraße 3 und wirft ihn aus der Fraktion. Was soll er dann tun? Den Sitzungen im Gemeinderat und Bundestag fernbleiben oder trotzig trotzdem teilnehmen? Kaum vorzustellen, dass er das durchhält, wenn alle ihn meiden müssen, weil eine Distanzierung sonst niemals glaubhaft wäre.
Herr Löbel ist politisch nicht nur belastend, sondern ab sofort nutzlos
Was kann Nikolas Löbel als Mannheimer Einzelabgeordneter in Berlin noch erreichen? Die Antwort ist einfach: Nichts, außer seine Diäten einstreichen. Und wenn er das tut – wie steht er dann als Unternehmer dar? Als Macher oder Handaufhalter?
Die Causa Löbel hat noch andere Folgen – egal wann, wird der Gemeinderatssitz frei und Dr. Alfried Wieczorek, Landtagskandidat im Mannheimer Süden ist der nächste Nachfolger auf der Liste. Hat die CDU Mannheim hier “strategisch” überlegt, dass es besser sei, dies erst nach der Wahl stattfinden zu lassen? Kann man strategisch so instinktlos sein?
Und wen will die CDU Mannheim für die Bundestagswahl aufstellen? Den früheren Abgeordneten Prof. Dr. Egon Jüttner, der sich Löbel beugen musste? Frau Dr. Maike-Tjarda Müller, die Löbel im vergangenen Herbst gnadenlos bei der Nominierung unterlegen war? Die CDU Mannheim hat ein echtes Personalproblem, weil im System Löbel niemand diesem selbst gefährlich werden durfte und dementsprechend kann man nicht nur nicht aus dem Vollen schöpfen, sondern muss verzweifelt erkennen, dass man eigentlich keinen geeigneten Kandidaten hat.
CDU Mannheim vor einer Krise, die größer ist als “Froschkönig”
Der Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz ist politisch erfahren genug, aber auch ein erfolgreicher Anwalt, der sich mit einem Bundestagsmandat wirtschaftlich deutlich schlechter stellen würde.
Dann sind da noch die Mitarbeiter von Herrn Löbel. Klar, die wissen, dass sie Zeitverträge abschließen, die immer nur für die Legislatur gelten. Aber der Rufschaden trifft möglicherweise auch sie. Kann man sich erfolgreich irgendwo bewerben mit der Referenz “Löbelianer” gewesen zu sein?
Jeder politisch interessierte erinnert sich an die Froschkönig-Affäre, die der Anfang des Niedergangs der damals dominanten CDU-Fraktion war (heute nach Grünen und SPD auf Platz 3). Damals ging es um schmutzige Kampagnen, jetzt um schmutziges Geld.
Und wie reagieren die Mitglieder? Die Frage ist aktuell nicht, ob und wie viele Neumitglieder man überzeugen kann, in die Partei einzutreten, sondern ganz massiv, wie man eine erhebliche Austrittswelle verhindert. Insbesondere die Basis von Parteien sind überwiegend Menschen, die für ihre Überzeugungen Zeit opfern und damit ihr Privatleben. Sie organisieren Veranstaltungen, kleben Plakate, machen sich “für lau” nützlich und müssen dann erkennen, wie jemand wie Löbel selbstverständliche Werte mit Füßen tritt? Soll das motivieren oder führt das nur zu grenzenlosem Frust und innerer wie faktischer Abkehr? Die Beispiele Prof. Dr. Andreas Pitz und Chris Rihm im vergangenen Herbst sprechen Bände – beide habe sich das System Löbel nicht mehr gefallen lassen und ihre Konsequenzen gezogen.
Nikolas Löbel hat in Berlin durchaus erfolgreich Gelder und Unterstützungen für Mannheim eingeworben – auch das ist schlagartig vorbei. Wer will in den kommenden Monaten vor der Wahl noch in Zusammenhang mit Herrn Löbel genannt werden? Wie soll ein Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz mit dieser Person zusammenarbeiten?
Man stelle sich vor, Herr Löbel meint es ernst und tritt erst am 31. August 2021 politisch ab? Welcher Politiker soll nach Mannheim kommen, um hier den Wahlkampf zu unterstützen? Welche Wahlkampfhilfe kann die CDU Mannheim in anderen Gemeinden leisten? Keine?
Enorme Bewährungsprobe
Die Bewährungsprobe für die CDU Mannheim ist enorm. Seit vielen Jahren hat Herr Löbel sich den Kreisverband zurechtgestrickt, wie er das für seine Ziele brauchte. Kritiker wurden weggebissen oder verließen freiwillig den Verband. Wenn die CDU Mannheim nun mitteilt: “Wir werden zeitnah alle erforderlichen Schritte abstimmen und einleiten, die für eine personelle Neuaufstellung des CDU-Kreisverbandes Mannheim erforderlich sind. Über diese weiteren Schritte werden wir zu gegebener Zeit informieren”, wie soll das gehen? Auch, wenn man immer noch ungelöste Personalien wie Egon Manz im Kreisvorstand hat, dem eine erhebliche Nähe zu Rechtsradikalen vorgeworfen wird?
In der CDU Mannheim, schon fast traditionell von Lagerkämpfen geprägt, wird man sich erst sortieren müssen, neu ausloten, wer “Freund oder Feind” ist. Löbel-Getreue werden sich gegen Veränderungen sperren und wie Stockholm-Syndromierte dafür kämpfen, “das nicht alles schlecht” war. Andere werden dagegenhalten und zu Recht feststellen, dass Herr Löbel einen Maximalschaden angerichtet hat.
Brutalstmöglicher Schaden aus eigennützigen Motiven erzeugt
Das wird nicht nur lokal Auswirkungen haben, sondern systematisch insgesamt: Jeder CDUler, der noch alle beisammen hat, wird sehr argwöhnisch auf Mannheim schauen und was er von den dortigen Parteifreunden zu halten hat, welches Risiko man eingeht, wenn man mit Mannheim in Verbindung gebracht wird.
Auch das muss sich die CDU Mannheim fragen lassen. Die fragwürdigen Maskendeals soll Herr Löbel im April 2020 getätigt haben. Waren das alle oder kommt da noch mehr? Spätestens im Herbst zur “Immobilienaffäre” hätte Herr Löbel erkennen müssen, welche (Geld-)Bombe er noch im Keller hat. Es war genug Zeit, das zu analysieren und sich Gedanken zu machen, wie man aus der Nummer wieder rauskommt. “Ich wollte helfen, habe auch als Geschäftsmann gedacht, was ja nicht verwerflich ist und in dieser sehr aufregenden Zeit nicht erkannt, dass ich ein solches Geschäft nicht hätte machen dürfen. Das bereue ich und spende deshalb ohne Abzug den Gewinn an die gemeinnützige Einrichtung xyz.” Geld weg, Ruf aber nicht futsch, wäre das Ergebnis gewesen. Chancen, als reuiger, einsichtiger Sünder gerade für die Hoffnung auf das Gute zu stehen? Nicht schlecht oder sogar ganz gut.
So aber hat er sehenden Auges alles vor die Wand gefahren. Seine eigene politische Karriere. Das Berufsleben seiner Mitarbeiter. Die Reputation der CDU Mannheim.
Und alle, beispielsweise die Gegner der vorgesehen Rheindamm-Sanierung, verlieren einen Fürsprecher, weil garantiert für die kommende Zeit niemand einen Auftritt mit Nikolas Löbel in Kauf nimmt.
Dafür gärt, siehe oben, die Angst, ob es möglicherweise für Die Linke reichen könnte, in den Landtag von Baden-Württemberg einzuziehen. Warum sollen Wutbürger nicht links statt AfD wählen? Dann könnte es eine Grün-rot-rote Regierung im Südwesten geben. Worauf man sich da einstellen muss, sieht man in Berlin.
Und obwohl man mit Nikolas Löbel kein Mitleid haben muss – auch für ihn wird die Zeit schwer. Der frühere Vorsitzende der Jungen Union Baden-Württemberg, Kreisvorsitzende, Gemeinderat, Bundestagsabgeordnete hat aktuell keine Möglichkeit mehr, sich in der Öffentlichkeit in Szene zu setzen, so, wie er das lange gewohnt war. Das wird nicht einfach werden, nur noch Ablehnung und negative Darstellungen erleben zu müssen, bevor es ganz still wird. Politische Einflussmöglichkeiten machen auch etwas mit einem selbst – wenn man das nicht mehr erkennt, kann es auch persönlich schwierig werden.
Als politischer Journalist möchte ich noch anfügen: Ich habe 2017 eine Wahlanalyse vorgelegt, die insgesamt zutreffend war. Meine Empfehlung lag bei Nikolas Löbel. Aus strategischen Gründen, weil meiner Auffassung nach eine konservative Vertretung in Berlin wichtig für die Stadtgesellschaft war und ist, wenn Mannheim schon keinen konservativen Abgeordneten im Landtag hat. Zu dieser Überlegung stehe ich immer noch. Bei Herrn Löbel hatte ich nach einigen Jahren der kritischen Begleitung den Eindruck, dass er sich positiv entwickelt hätte und an Format gewinnt. Hier gestehe ich ein, mich geirrt zu haben.
Bitte beachten Sie die unten verlinkten früheren Artikel. Über die Schlagworte oder die Suche finden Sie weitere Informationen bei Rheinneckarblog.de
Wir erhalten keine Zwangsgebühren, deren gescheiterte Erhöhung nun vor dem Bundesverfassungsgericht durch öffentlich-rechtliche Medien eingeklagt werden soll – unser unabhängiger Journalismus kostet aber Geld. Wir verlieren aktuell alle unsere Werbeeinnahmen, die den Hauptteil unserer Einnahmen ausmachen.
Wir brauchen deshalb Ihre Solidarität und Ihre Überzeugung, unser Angebot mit Zahlungen weiter finanzierbar zu halten. Wenn das nicht möglich ist, schließen wir halt irgendwann ab. Kritischen Journalismus, der sich was traut, finden Sie dann nicht mehr. Versprochen.
Wenn Sie zahlen möchten: Sie können Steady hier abschließen. (Sie werden dort Kunde, Steady behält eine Gebühr ein und zahlt den Rest an uns aus. Sie haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln. Die ersten 30 Tage sind kostenfrei und Sie müssen erneut bestätigen, wenn Sie gegen Gebühr weiter Zugriff haben möchten. Das Abo ist monatlich kündbar.)
Sie können hier einen Rheinneckarblog-Plus-Pass kaufen. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln.)
Sie zahlen per Paypal. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln für ein Jahr.)
Sie überweisen direkt aufs Konto. (Sie werden bei uns Kunde und bei Steady freigeschaltet, sofern Sie mindestens 60 Euro zahlen und haben Zugang zu allen kostenpflichtigen Artikeln für ein Jahr. Sie können natürlich auch einfach so ein Spende überweisen.)
Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Sie können für alle Inhalte, Texte, Fotos, Videos, Nutzungsrechte erwerben. Anfragen an: verlagsleitung (at) rheinneckarblog.de.
Hypovereinsbank
Kontoinhaber: Hardy Prothmann
BIC (BLZ): HYVEDEMM489
IBAN (Kto.): DE25670201900601447835