Mannheim/Berlin, 23. Oktober 2020. (red/pro) Der CDU-Bundestagabgeordnete Nikolas Löbel (34) hat auf einer Pressekonferenz am Donnerstag Fehler eingeräumt und die Verantwortung für den entstandenen Image-Schaden übernommen. Gleichzeitig hat er umfassend über Details zu Vorwürfen berichtet und sich so lange den Fragen von Medienvertretern gestellt, bis es keine Frage mehr gab. Die Causa Löbel muss differenziert betrachtet werden – Nikolas Löbel hat Fehler gemacht, aber böse Absichten oder Vorteilsnahme zum Schaden der Partei oder der Öffentlichkeit kann man ihm nicht unterstellen. Den größten Schaden hat er selbst – und deshalb ist seine erneute Aufstellung als Bundestagskandidat zumindest keine klare Angelegenheit mehr.
Kommentar: Hardy Prothmann
Regelmäßige Leserinnen und Leser des RNB wissen, dass ich in der Vergangenheit Herrn Löbel schon häufig und hart kritisiert habe. Am 20. Dezember 2014 hatte ich eine politische Analyse mit “Der Chaotisator” betitelt. Es ging um die politischen Karrierebestrebungen des Herrn Löbel und seine möglichen Ziele. Die Analyse ist bis heute lesenswert, enthält aber eine Mutmaßung, die sich später als nicht richtig herausstellte – ich dachte, Herr Löbel wolle Landtagsabgeordneter werden, tatsächlich hatte er den Bundestag im Blick und 2017 sein Ziel auch erreicht.
Zwischenzeitlich gab es reichlich Aufregung über die von RNB exklusiv aufgedeckte Finanzaffäre der Mannheimer CDU – die Partei war mit gut 95.000 Euro hoch verschuldet, es gab eine veritable Schlammschlacht und am Ende blieb nur die Offenbarung, dass es sehr, sehr schlimm stand um die Finanzen der Partei, die sich rühmt, viel wirtschaftlichen Sachverstand zu haben.
Gute Entwicklung
Nikolas Löbel rief mich 2015 irgendwann an und bat um einen Termin, um mal frei zu reden. Das haben wir gemacht, über zwei Stunden lang. Herr Löbel wollte herausfinden, warum ich so kritisch mit ihm umgehe. Das habe ich ihm beantwortet. Zusammengefasst bescheinigte ich ihm ein außerordentliches politisches Talent, aber leider auch einen Hand zur Schluderei, verbunden mit Großspurigkeit, womit er, wenn er das nicht in den Griff bekommt, sich immer selbst im Weg stehen würde.
Und Nikolas Löbel hatte genau zugehört. Er hatte verstanden, dass ich ihm wie anderen nicht böse will, sondern nur meinen Job mache – ich berichte, was ist und ordne ein, immer kritisch, was mal lobend, mal mahnend sein kann. Kritik heißt Auseinandersetzung.
Nikolas Löbel hat dann sehr schnell und hart an sich gearbeitet und sich persönlich und politisch weiterentwickelt. Auch das habe ich berichtet und ihn in Abwägung der Kandidaten aller Parteien letztlich als Bundestagsabgeordneten für Mannheim unserer Leserschaft empfohlen.
Das werde ich erneut machen – in einem noch zu schreibenden Text, weil für mich jetzt schon feststeht, dass Herr Löbel in Berlin die beste Vertretung für Mannheim sein wird.
Reue, aber kein Kotau
Aktuell, das muss man anerkennen, hat er keinen Kotau vollzogen, trotzdem aber Reue gezeigt und sich klar in die Verantwortung gestellt. Auf meine Frage, ob er einen politischen Schaden sehe, wie groß der sei und ob dieser repariert werden kann (siehe Video der Pressekonferenz, 48:25′):
Der politische Schaden ist groß, der Vertrauensverlust ist groß und ich persönlich habe einen immensen Reputationsschaden erlitten, für den ich natürlich auch die Verantwortung trage. Und ich weiß um die Herausforderung, wenn ich jetzt um neues Vertrauen für die Mitglieder werbe. Ich weiß um die Herausforderung wenn ich jetzt bei den Menschen in dieser Stadt um neues Vertrauen werbe. Aber ich bin ein Kämpfer und dem bleibe ich mir treu.
Nach den jetzt vorliegenden Informationen handelt es sich um einen Ansehensschaden, aber keinen finanziellen für die Partei. Eine Vorteilnahme ist nicht zu erkennen, ebenso keinerlei Veruntreuung oder ähnliches.
Viel erreicht – unnötiger Schaden
Für Nikolas Löbel, der sich mit seinen erst 34 Jahren als politisches Gewicht etabliert hat, wäre es Gelegenheit gewesen, hier letztmalig “jugendlichen Leichtsinn” ins Feld zu führen. Das hat er nicht gemacht und damit klar gestellt, dass er sich als politisch voll erwachsen sieht.
Das kann er auch – für Mannheim hat er seit 2017 tatsächlich viel erreicht, was ihm auch sein Kritiker Chris Rihm umfänglich bestätigt. Der Kernfehler, den Nikolas Löbel begangen hat – er hat sich zu sehr auf sich und seine Arbeit konzentriert und offenbar andere in der Partei, darunter im Kreisvorstand zu wenig mitgenommen.
Praktisch ist nicht gleich praktikabel
Dazu kommt sein Pragmatismus. Nicht alles, was vordergründig “praktisch” ist, ist auch “praktikabel”. Wenn seine Firma Löbel Projektmanagement GmbH Büroräume angemietet hätte und er von dort aus auch Arbeiten als Bundestagsabgeordneter und Stadtrat erledigt hätte – wen hätte das interessiert? Niemanden. Da er aber als Untermieter mit seiner Firma Räumlichkeiten der CDU nutzt, was formal und juristisch so nicht zu beanstanden zu sein scheint, hat er zwar praktisch gedacht, aber politisch völlig instinktlos gehandelt, was er auch einräumt: “Ich habe den Instinkt zuweilen verloren.”
Wenn dann noch Unregelmäßigkeiten bei den Zahlungen auftauchen, die sonst “privat” gewesen werden, hier aber politisch wurden, dann wird es blöd. Und wenn dann noch Verträge geändert werden müssen, wegen “Formfehlern”, dann darf man die Frage nach Kompetenzen stellen.
Unterm Strich hat die CDU finanziell davon profitiert, dass er als Firmeninhaber und als Bundestagsabgeordneter zwei Räume in der Kreisgeschäftsstelle angemietet hat. Das bringt monatlich zwei mal 190 Euro in die CDU-Kasse, also 380 im Monat und 4.560 Euro jährlich. Auch dieses Geld wird dazu beitragen, dass er mit anderen zusammen das Ziel erreichen wird (nach eigener Aussage), dass die CDU Ende 2020 schuldenfrei sein wird. Eigentlich ein schöner Erfolg, der durch die Debatten aktuell nicht mehr so schön glänzen mag.
Aktivitäten müssen getrennt werden
Nach meiner Auffassung wird die Prüfung der Staatsanwaltschaft Mannheim, ob hier möglicherweise strafbare Handlungen vorliegen, eingestellt werden. Private Klagen sind nicht in Sicht – ebensowenig ein finanzieller Schaden. Aktuell hat Nikolas Löbel das einzig Richtige getan – umfangreich für Transparenz gesorgt, sich der Kritik gestellt und alle Fragen zugelassen und beantwortet.
“Den Kinnhaken”, wie er es selbst nannte, hat er sich selbst verpasst und deutlich gespürt – ausgenockt hat ihn das nicht.
Für die CDU Mannheim könnte es einen finanziellen Schaden geben, der aber vermeidbar ist. Herr Löbel muss seine Aktivitäten trennen und mit seiner Ein-Mann-Firma die Räumlichkeiten des Kreisverbands verlassen. Als Bundestagsabgeordneter kann er Mieter bleiben, dann verliert die CDU diese Einnahme nicht. Wenn Herr Löbel als Unternehmer arbeitet, muss er das woanders tun und sich neu organisieren. Alles andere löst die Situation nicht auf.
Und auch als Unternehmer kann er Zeichen setzen. Nicht bei den Mietpreisen, die er in seiner Immobilie in der Neckarstadt verlangt – wenn er hier hart kalkuliert hat und diese Einnahmen benötigt, um das Objekt finanzieren zu können, ist moralisch nicht verwerflich, wenn er zumindest kostendeckend kalkuliert, er darf selbstverständlich auch gewinnorientiert kalkulieren. Die vier Wohnungen, die er an eine andere Firma vermietet und die dort AirBnB-Vermarktung betreibt, muss er dem “normalen” Wohnungsmarkt zurückgeben, damit er seine Glaubwürdigkeit wieder herstellt. Da wird kein Weg dran vorbeigehen.
Den größten Schaden hat Herr Löbel selbst
Unterm Strich hat aktuell nur einer Schaden genommen – das ist Herr Löbel selbst. Er sieht sich als “smarten Macher”. Das geht auch in Ordnung – aber dabei muss man ständig die Instinkte wachhalten, was geht und was nicht geht. Zumindest vom Ansehen her, nicht nur juristisch und unternehmerisch betrachtet.
Weiter muss er sich erneut weiterentwickeln – was Menschenführung angeht. Die immer wiederkehrenden Streitereien innerhalb der CDU Mannheim schaden der Partei und dafür sind alle verantwortlich, die sich daran beteiligen. Hier muss mehr Ruhe in den Laden kommen. Und Herr Löbel wird lernen müssen, andere mehr einzubeziehen und sie auch in die Pflicht zu nehmen, also aufzubauen und verantwortlich zu machen.
Wenn heute Abend der oder die Kandidat(in) gewählt wird, haben das die CDU-Mitglieder hoffentlich abwägend im Blick. Hier ein Kandidat, der sich als sehr fleißig und erfolgreich bewiesen hat, aber auch Fehler macht, sich aber verantwortlich zeigt, auf der anderen Seite eine politisch vollständig unbedeutende Gegenkandidatin Dr. Maike-Tjarda Müller, die zudem im Vorstand der “Werteunion Rhein-Neckar” sitzt.
CDU muss umsichtig sein
Die CDU Mannheim ist gut beraten, sich auf konservative Werte zu besinnen, denn Mannheim ist nicht so rotgrün, wie es immer heißt, was man auch im Gemeinderat sieht – hier gibt es eine kleine rot-rot-grüne Mehrheit gegenüber den Konservativen und Liberalen. Wer aber in der Mannheimer Stadtgesellschaft auf die erzkonservative und in Teilen rechtspopulistische “Werteunion” setzt, wird die Partei mit Sicherheit weiter schwächen.
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen, dass es der CDU in Zukunft nicht einfach machen wird – der tendenzielle “Linksdrall” vieler Medien und vor allem des Mannheimer Morgen. Selbst ohne Fehl und Tadel der CDU werden die Grünen, die SPD und selbst Die Linke von der Tageszeitung seit langem mehr als deutlich bevorzugt. Zwar verliert die Zeitung kontinuierlich an Auflage (und liegt im vergangenen Quartal das erste Mal bei der gedruckten Abo-Auflage unter 50.000 Exemplaren, was nur durch “epaper” als über 50.000 gehalten werden kann), sie ist aber immer noch größter Player in Mannheim.
Auch hier ist ein strategisch kluger Parteivorsitzender samt Mannschaft künftig gefragt, um nicht nur nach innen, sondern auch nach außen nachvollziehbar zu kommunizieren.
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