Mannheim, 06. Februar 2019. (red/pro) Die Kür der CDU-Kandidaten am 26. Januar 2019 für die anstehende Kommunalwahl war keine – niemand musste Kür laufen, sondern nur Pflicht erbringen. Ans Mikro, vorstellen, fertig. Dissens gab es keinen, es ging zügig seinen sozialistischen Gang. Die spirituellen Rektoren der Wohlfühlveranstaltung waren Claudius Kranz als Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat sowie Nikolas Löbel, der Kreisvorsitzende. Insbesondere ein Kandidat auf der Liste wird als Gewinn betrachtet, tatsächlich ist dieser ein Problemfall. Und bei genauerem Hinschauen gibt es sehr viele Probleme bei dieser Liste.
Von Hardy Prothmann
Erstmals treten für die CDU Mannheim gleich viele Frauen wie Männer als Kandidaten an und der Altersdurchschnitt sei mit 48 Jahren „so niedrig wie noch nie“, freut sich die CDU Mannheim. Das klingt gut, hat aber zwei Schönheitsfehler: Unter den ersten zehn Kandidaten sind es vier Frauen und sechs Männer und der Altersdurchschnitt dieser Plätze liegt bei 48,8 Jahren.
Konfigurierte Listen
Die Listenplätze sind wichtig, wenn Wähler einfach nur die Liste gesamt wählen. Doch nutzen viele das Kumulieren (Häufen) und Panaschieren (Verteilen) von Stimmen. Sie wählen also gezielt Personen über mehrere Listen und geben diesen bis zu drei ihrer insgesamt 48 Stimmen. So war der aktuell auf Platz 1 gesetzte Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz bei der Wahl 2014 auf Platz 2 gesetzt, erreichte aber tatsächlich nur Platz 5. Auch der Kreisvorsitzende Nikolas Löbel fiel vom siebten auf den neunten Platz ab, während der auf Platz 20 gesetzte Prof. Dr. Egon Jüttner im Ergebnis auf Platz 2 kam.
Die Parteien und Wählervereinigungen versuchen, ihre Listen so zu gestalten, dass auf den vorderen Plätzen Kandidaten stehen, die unbedingt gewählt werden sollen oder die durch die gute Platzierung eine bessere Chance haben sollen. Garantiestimmenbringer setzt man weiter nach hinten, weil man davon ausgeht, dass diese sowieso gezielt gewählt werden. Durch diese Listentechnik versucht man möglichst viel Listenstimmen einzusammeln. Ein Beispiel dafür ist Alexander Fleck: 2014 war er auf Platz 8 gesetzt und erreichte bei der Wahl nur Platz 15. Da die CDU nur 12 Sitze gewonnen hatte, reichte es also nicht für ein Mandat. Aktuell ist er auf Platz 4 gesetzt, sollte er wieder sieben Plätze abrutschen, käme er auf Platz 11 und wäre gewählt, sofern die CDU mindestens 11 Sitze erreicht.
Kandidat Chris Rihm wiederum war 2014 auf Platz 28 gesetzt und erreichte Platz 23. Aktuell steht er auf Platz 5 der Liste und hat damit ordentliche Chancen, tatsächlich gewählt zu werden – insbesondere weil Garantiestimmenbringer wie Dr. Jens Kirsch (17 auf 11), Wolfgang Pföhler (5 auf 3), Konrad Schlichter (13 auf 12), Dr. Adelheid Weiß (10 auf 7) nicht mehr antreten. Auch Rebekka Schmitt-Illert tritt nicht mehr an (3 auf 8). Peter Pfanz-Sponagel (16 auf 10) musste das Mandat aufgeben, als er bei einer städtischen Tochtergesellschaft zum Prokurist aufgestiegen war, es folgte Katharina Dörr (12 auf 13, aktuell 3). Der erstplatzierte Listengewinner und langjährige Fraktionsvorsitzende Carsten Südmersen hatte durch einen Jobwechsel zur Stadt Mannheim sein Mandat ebenfalls zurückgeben müssen, es folgte Bernd Kupfer (15 auf 13, aktuell 9).
Von hinten nach vorne
Einkalkuliert ist, dass Egon Jüttner zu Lasten der Erstplatzierten die Listenplätze nach unten drückt. Bei der Wahl 2014 schafften es unter den ersten 12 Kandidaten drei nicht und eine erst als Nachrückerin: Alexander Fleck (8 auf 15, aktuell 4), Alexander Manz (9 auf 16, nicht mehr nominiert), Dr. Christoph Gutknecht (10 auf 19, nicht mehr nominiert). Katharina Dörr (12 auf 13) verfehlte knapp und rückte später nach. Ein vorderer Listenplatz ist also keine Garantie für ein tatsächliches Mandat.
Auf der aktuellen Liste steht der Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz (43) auf Platz 1 (2014: 2 auf 5). Dieser Kandidat wird gewählt werden. Spannend ist nur, ob der Rechtsanwalt Platz 1 halten kann. Vor ihm lagen damals Carsten Südmersen (1 auf 1), Egon Jüttner (20 auf 2), Wolfgang Pföhler (5 auf 3), Steffen Ratzel (4 auf 4). Südmersen und Pföhler stehen nicht mehr auf der Liste – sollte Egon Jüttner die Liste gewinnen, was durchaus möglich ist, wäre das ein wenig peinlich für den „Spitzenkandidaten“. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die CDU eigentlich gerne auf den früheren Bundestagskandidaten verzichtet hätte, weil dieser sich als erbitterter Feind seines 2017 gewählten Nachfolgers Nikolas Löbel zeigt. Aber Jüttner ist ein Garantiestimmenbringer und wird deshalb lieber auf der eigenen Liste gebraucht. Eine Nicht-Nominierung und das Risiko, dass Herr Jüttner eine eigene Wählerliste aufmacht, wollte niemand eingehen.
Viel Hoffnung setzt die CDU auf die Konditormeisterin Martina Herrdegen (43). Sie soll wie andere neue Kandidaten für frischen Wind sorgen. Sie wird den zweiten Platz vermutlich nicht halten können (Jüttner, Kranz und andere werden stärker abschneiden). Konferenzmanagerin Katharina Dörr (35) hingegen rutschte 2014 nur von Platz 12 auf 13, hat also mit dem dritten Platz gute Chancen, unter die ersten zehn zu kommen. Als wackelig kann Platz 4, Rechtsanwalt Alexander Fleck (41) gelten. 2014 rutschte er sieben Plätze ab. Würde sich das wiederholen, käme er auf Platz 11, was bei aktuell 12 Sitzen reichen würde. Aber parteiintern kalkuliert man mit 10 Sitzen, 11 wären ein gutes Ergebnis, 12 sehr gut und an 13 oder 14 Sitze glaubt eigentlich niemand.
Chris Rihm (41) hingegen hat gezeigt, dass er Potenzial nach oben hat. Der Reisebürokaufmann und Einsatzleiter Rettungsdienst ist sozial engagiert, hat durch das Ehrenamt ein hohes Ansehen und tritt im Norden an, wo er vermutlich auf Konrad Schlichter-Wähler hoffen kann, da dieser nicht mehr antritt. Der Jurist Steffen Ratzel (51) ist eine sichere Bank. 2014 auf Platz vier gesetzt und gewählt, ist Platz 6 eine sichere Position für ihn. Ebenso „Hausfrau“ und Seckenheimer Urgestein Marianne Seitz (70), die auf Platz sieben sicher gewählt werden wird (2014: 6 auf 6).
Spannend ist die Personalie Thomas Hornung (44). Der ausgebildete Journalist ist persönlicher Referent von Nikolas Löbel und rückte im Gemeinderat nach – allerdings zunächst nach dem Tod von Wolfgang Raufelder für Bündnis90/Die Grünen (8 auf 9). Im Herbst 2017 wurde er Referent des Direktmandatsgewinners Löbel und wechselte zeitgleich von den Grünen zur CDU, die seither wie die SPD 13 Sitze hat. Wie wird die CDU-Wählerschaft darauf reagieren? Persönlich ist Hornung eloquent mit einem freundlichen Auftreten. Als Referent macht er einen herausragenden Job und bringt seinen Chef häufig in die Medien – der Mann ist ein Profi, was Öffentlichkeitsarbeit angeht. Für die Grünen ist er ein herber Verlust, die CDU kann sich glücklich schätzen, so einen Profi in den Reihen zu haben – aber er hat eben keinen CDU-Stallgeruch.
Kandidat Bernd Kupfer (54) rückte ebenfalls nach (15 auf 13). Der Handwerksmeister ist in der Sport- und Vereinswelt bestens bekannt und hat ebenfalls gute Chancen, unter den ersten zehn zu landen. Für Roswitha Henz-Best hingegen ist ein Mandat unwahrscheinlich. 2014 trat sie auf Platz 21 an und erreichte Platz 27 – das spricht nicht für Luft nach oben. Der Landwirt Wilken Mampel (49) ist ebenfalls bestens bekannt, kam aber von Platz 14 nur auf Platz 17 bei der Wahl 2014. Er wird Stimmen bringen, ein Mandat ist eher unwahrscheinlich.
Löbel mit Risikoplatz
Ein gewisses Risiko geht Nikolas Löbel (33) ein. Der Bundestagsabgeordnete steht auf Platz 12 (7 auf 9) und muss sich verbessern, wenn es für 12 Sitze nicht reichen sollte. Von hinten wird sein Gegenspieler Jüttner sicher gewählt werden.
Und auf Platz 13 präsentiert die CDU eine Personalie, die das Potenzial auf einen sehr guten Erfolg hat, was doppelt problematisch ist: Prof. Dr. Alfried Wieczorek (64). Die CDU feierte die Personalie als Erfolg – immerhin ist der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen eine prominente Persönlichkeit in Mannheim, ein Dr. bringt immer Zusatzstimmen. Aber es gibt bereits viele Stimmen, die hier einen Wahlbetrug unterstellen. Er wird als Trojaner gesehen – einer, der Stimmen auf sich zieht, aber letztlich nur Fassade ist. Denn als Angestellter der Stadt Mannheim kann er zwar kandidieren, aber das Ehrenamt nicht antreten. Erst 2020 wird er mit seinem Vertragsende und als Rentner als „Nachrücker“ zur Verfügung stehen, sofern jemand sein Mandat abgibt. Anders als eine Lokalzeitung es darstellt, ist noch längst nicht ausgemacht, dass er der erste Nachrücker wäre – das hängt von den jeweiligen Stimmergebnisse ab. Und er ist weder jung noch weiblich – dabei gab man sich doch so stolz, erstmals gleich viel Frauen wie Männer aufgestellt und eine so junge Liste zu haben.
Man stelle sich folgende Konstellation vor: Die CDU gewinnt 11 Sitze. Herr Jüttner gewinnt Platz 1 oder 2. Herr Wieczorek kommt ebenfalls unter die ersten 11, Herr Löbel aber nur auf Platz 12 und hätte damit kein Mandat, das er aber als Nachrücker erhält, weil Herr Wieczorek seines nicht annehmen kann? Das würde nicht nur wie Postengeschacher aussehen, das würde so begriffen werden.
Die CDU will im Wahlkampf mit Familien- und Verkehrsthemen punkten. Beides wichtige Politikfelder. Wer aber Geschlechtergleichheit propagiert, tatsächlich aber eine Liste aufstellt, in der das Verhältnis Männer-Frauen 60-40 auf den vorderen Plätzen ist und davon eine Kandidaten wenig Chancen hat, es also eher 70:30 steht, der muss sich Augenwischerei vorwerfen lassen.
Die CDU hat eine weitere Unbekannte in ihrer Liste – es kandidieren 8 von aktuell 13 Stadt/rätinnen – fünf Mandate werden also an neue Personen durch Wal vergeben werden. Man will stärkste Fraktion werden, kann das mit so vielen Unbekannten realistisch sein?
Nein – das Umfrafentief arbeitet gegen die SPD, aber auch gegen die CU. Hauptprofiteure sind die Grünen, in Mannheim aber eher schwach aufgestellt. Sehr viel wird davon abhängen, wie stark die AfD abschneiden wird. 10 Plätze sind für die CDU realistisch ein Erfolg, auch wenn es aktuell 13 sind. Jeder Platz mehr ist ein Gewinn.