Mannheim, 19. März 2019. (red/pro) CDU-Stadtrat Thomas Hornung (44) hat hart aufgelegt auf Facebook und die Vorgänge um Turley massiv kritisiert. Im Interview mit RNB erläutert er seine Positionen – sehr viel sachlicher. Er bleibt aber insgesamt bei seiner Kritik und der Sorge, dass die Vorgänge um den Verkauf von 22.000 Quadratmeter Gelände auf Turley an den Investor Tom Bock, der weniger Jahre später dieses Gelände für den gut dreifachen Preis weiterveräußerte, nicht aufgeklärt werden.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Hornung, Sie haben sich äußerst kritisch gegenüber dem Verhalten des Oberbürgermeisters in der Sache Turley, insbesondere auf Facebook geäußert. Warum wählen Sie einen durchaus scharfen und persönlichen Ton?
Thomas Hornung: Der Ton mag scharf sein, persönlich ist er nicht. Ich würdige, dass der Oberbürgermeister sich ausführlich zur Sache Turley geäußert hat. Aus meiner Sicht jedoch nicht ausführlich und detailliert genug. Er hat seine Sicht der Dinge dargestellt. Das ist sein gutes Recht und das ist ja auch unsere Erwartungshaltung an ihn, daran gibt es nichts zu kritisieren. Was es zu kritisieren gibt ist der Weg, den er beschritten hat, nämlich außerhalb der Tagesordnung vor einer Gemeinderatssitzung, als wir Gemeinderäte um 16 Uhr zur Sitzung versammelt waren. Uns Gemeinderäte als Kulisse zu gebrauchen, nenne ich trickreich. Hut ab, er kennt die Gemeindeordnung, das hat er aus seiner Sicht geschickt gemacht. Das mag legitim sein, mich als Stadtrat hat es aber maßlos geärgert, weil er uns vorgeführt hat. Wir waren Zuschauer seines Auftritts – und weil das ja außerhalb der Gemeinderatssitzung war, konnten wir uns dazu nicht äußern.
Ich ärgere mich auch über uns Stadträte
Jetzt müssen wir mal Tacheles reden. Wenn Sie das Verhalten als „trickreich“ bezeichnen, bekommt das schon eine persönliche Ebene. Denn „einen Trick anwenden“ könnte man auch als „falsch spielen“ interpretieren und das wäre nicht sehr ehrenhaft. Anderseits stellen Sie fest, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten gehandelt hat, der ihm gestattet, dieses Verfahren zu wählen. Was also werfen Sie ihm vor?
Hornung: Trickreich zu sein heißt nicht falsch zu spielen, sondern seine Möglichkeiten bis ans Äußerste auszureizen. Und alle Verfahrenskniffe anzuwenden. Der OB hat ganz ausschließlich in seinem Interesse seine Sicht in den Raum gestellt und den Gemeinderat als Kulisse genutzt. Wäre er fair gewesen, hätte er in der Gemeinderatssitzung die Debatte eröffnet und eine Aussprache darüber zugelassen.
Naja, Herr Hornung. Auch die Fraktionsvorsitzenden und auch jeder einzelne Gemeinderat hätte einen Geschäftsordnungsantrag stellen können, Sie also auch. Warum haben sie keinen gestellt?
Hornung: Ein Geschäftsordnungsantrag ist nach meinem Wissen nur zu einem Tagesordnungspunkt zulässig…
… am Ende jeder Tagesordnung gibt es den Punkt „Verschiedenes“.
Hornung: Bis zu diesem Tagesordnungspunkt vergehen mutmaßlich in der Regel mehrere Stunden. Und damit haben Sie ein Statement vor der Sitzung und eine Aussprache ganz am Ende. Das ist, was ich so unschön finde, dass wir keine Möglichkeit hatten, unmittelbar im Anschluss Fragen zu stellen oder Stellung zu nehmen. Das kritisiere ich. Aber richtig, ich hätte mich auch mit einer Erklärung melden können. Das haben weder ich noch andere noch die Fraktionsvorsitzenden getan. Ich ärgere mich auch über uns Stadträte, da nehme ich mich selbst nicht aus.
Auch Nicht-Aufklärung könnte schaden
Der Vortrag war ein sehr konzentrierter Text, in dem der Oberbürgermeister doch die politische Berechtigung einer Debatte zu dem Vorgang und künftigen Konsequenzen betont hat. Er hat klar signalisiert, dass sich Fragen stellen, die teils schon beantwortet wurden, wie die Falschinformation einer Tageszeitung, der Aufsichtsrat der MWSP sein nicht über den Verkauf informiert worden. Der OB hat zugesagt, dass der Vorgang aufgearbeitet wird. Die Anträge dreier Fraktionen hat er angesprochen und dass diese im Ältestenrat vorbesprochen werde. Hier wird über das Antragsziel möglichst sach- und fachgerecht diskutiert, um die Anträge rund zu machen.
Hornung: Ich sage nicht, dass der OB nicht Fragen beantwortet hat. Er hat sie aber nicht vollumfänglich beantwortet und nicht in dem Detaillierungsgrad, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich sage auch nicht, dass der OB unser Aufklärungsinteresse nicht anerkennt. Mir fehlt jedoch der Glaube, dass der Aufklärungswille über den Weg des Ältestenrates die Tiefe erreicht, die ich mir wünsche. Ich denke, dass es in diesem Fall angebracht ist, einen Akteneinsichtsausschuss einzusetzen. Ich werde den Weg über den Ältestenrat wohlwollend beobachten. Der OB hat angekündigt, dass bis zu dieser Sitzung die Fragen geklärt sind. Ich bin gespannt, wann wer welche Informationen erhält und wie diese belegt sind und ob dann noch Fragen offen sind.
In der gemeinderätlichen Praxis ist es häufig so, dass Gemeinderäte über öffentlich interessante Informationen verfügen, die aber in Abwägung mit Interessen Dritter sehr sorgfältig behandelt werden müssen – auch, um rechtliche Folgen abzuwenden. Könnte es sein, Herr Honung, Sie sind ja ausgebildeter Journalist, dass da gerade zwei Herzen in Ihrer Brust miteinander kämpfen? Der Journalist mit seinem Aufklärungsinteresse und der Gemeinderat, der auch hinnehmen muss, mal Dinge für sich zu behalten, die einer Klärung bedürfen, bevor Sie öffentlich werden?
Hornung: Ich sehe das eindeutig als Politiker, der auch ein Interesse an öffentlicher Aufklärung haben muss, bei Wahrung der Interessen der Stadt, sodass kein Schaden eintritt. Wenn Sie den Antagonismus aufmachen, Aufklärung versus Schaden, würde ich einen Gegenantagonismus aufmachen und sagen: Nicht-Aufklärung könnte auch schaden – könnte! Und wenn es nur ein Vertrauensschaden ist. Ich schätze den Oberbürgermeister als Person und als Amtsträger – ich wünsche ihm keinen Schaden und der Stadt keinen Aufklärungsschaden in der Sache Turley. Aus meiner Sicht würde er auch in seinem eigenen Interesse handeln, hier vollumfänglich aufzuklären.
Ist denn alles richtig, was man gemacht hat?
Es gab einige Informationen zu den historischen Umständen wie diese Vertragsgestaltung mit dem Investor Tom Bock zustande gekommen ist. Die damals verantwortlichen Gemeinderäte haben mit Mehrheit der Konstruktion der MWSP zugestimmt. Ist das nicht zu akzeptieren, dass die MWSP diese definierte Rolle hat und auch ausfüllt?
Hornung: Es zu akzeptieren entbindet mich nicht davon, Herr Prothmann, das heute zu hinterfragen. Evaluierung ist ein völlig normaler Vorgang und wird auch von Politik erwartet. Die MWSP arbeitet ordentlich. Die Konversion ist ein gigantisches, in vierhundert Jahren Mannheim noch nie dagewesenes Projekt. Haken dran. Das heißt für mich nicht, der ich relativ neu in der Verantwortung bin, dass ich nicht grundsätzlich die Aufgaben von städtischen Tochtergesellschaften hinterfragen kann und hier im konkreten Fall hinterfragen muss. Wenn ich frage, ist das denn alles richtig, wie man das gemacht hat, dann sage ich nicht, dass es falsch läuft, im Gegenteil. Vieles läuft ausgesprochen gut und ich habe vor allen Respekt, die darin involviert sind.
Es gibt einen weiteren kritischen Punkt. Eine Lokalzeitung hat Sie zu einer nicht-öffentlichen Sitzung zitiert. Sie gehen nicht inhaltlich in die Tiefe, lassen sich aber über einen „angefressen aussehenden Oberbürgermeister“ aus. Auch das sind Informationen aus nicht-öffentlicher Sitzung, die Sie gegenüber Journalisten öffentlich machen. Nachdem der OB in seinem Vortrag explizit darauf hingewiesen hat, dass man aushalten muss, nicht-öffentliche Informationen für sich zu behalten, wenn ein Status vorliegt, der eine öffentliche Debatte nicht befördert. Wollen Sie Nicht-Öffentlichkeit abschaffen?
Hornung: Ich dementiere den Vorwurf…
“Hornung erklärt auf Anfrage”, schreibt die Lokalzeitung…
Es geht um eine Stimmung…
Hornung: Den Satz mit dem angefressen Oberbürgermeister habe ich aus öffentlicher Sitzung gepostet.
Ok, dann das konkrete Zitat: „Die Vorwürfe von OB und Ralf Eisenhauer wegen meiner Posts auf Facebook zeigen die Nervosität und Unsicherheit der beiden. Ich habe den OB gestern so dünnhäutig wie selten erlebt.“ Das ist eine persönliche Beschreibung Ihrer Wahrnehmung.
Hornung: Der Ausdruck der Dünnhäutigkeit bezog sich auf den Gesamteindruck des Oberbürgermeisters. Es mag sein, dass ich hier bis an die Grenze des Legitimen gegangen bin. Ich mache mir aber keinen Vorwurf, weil ich keine Informationen in der Sache preisgebe. Es geht hier um eine Stimmung, insbesondere als Gesamtvorgang. Der Oberbürgermeister hat mit seinem Verfahren einen Weg gewählt, dessen Ziel war, dass der Gemeinderat nicht dazu diskutieren kann. Dass wir Stadträte da nicht schneller reagiert haben, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Ich finde aber, da das Thema in nicht-öffentlicher Sitzung wieder aufgegriffen wurde, mit persönlichen Angriffen gegen mich, dass der Oberbürgermeister dies beendet hätten sollte und sich nicht noch selbst aktiv daran beteiligen sollte. Aber gut, es ist wie es ist.
Zurück zu Turley. Das hat verschiedene Dimensionen. Der Oberbürgermeister selbst hat den Verkaufspreis als „durchaus empörend“ bezeichnet, während er gleichzeitig eine Wertsteigerung anerkannt hat, wenn auch nach seiner Auffassung zu hoch bemessen. Trotzdem handelt es sich um ein privates Geschäft zwischen Tom Bock, der beteiligt bleibt und neuen Investoren. Der OB sieht die Situation als Chance, weil die Entwicklung ins Stocken geraten waren. Die neuen Investoren wollen noch in diesem Jahr mit den Bauarbeiten beginnen und zwar für Mietwohnraum und nicht wie vorher geplant, für Eigentum. Was gibt es genau zu kritisieren, insbesondere wenn man die privaten Verträge gar nicht kennt und nicht durch einen Akteneinsichtsausschuss in Erfahrung bringen wird.
Hornung: Der OB hat diesen Glauben, und ich habe aus öffentlicher Sitzung auf Facebook gepostet, dass mir der Glaube fehlt. Denn der, der seinen Zusagen nicht nachkam, ist ja weiter Teilhaber in dem die Flächen aufkaufenden Unternehmen. Ich finde es legitim, hier Zweifel zu haben. Bei dieser hohen Kaufsumme auf den Quadratmeter gerechnet kann ich mir nicht vorstellen, dass hier halbwegs preisgünstiges Wohnen herauskommt. Aber, das sind erfahrene Leute, die hier jetzt investieren. Ich lege denen keine Steine in den Weg. Sollen sie machen und mir das Gegenteil beweisen. Das wäre super, nur, der bisherige Inhaber ist ja mindestens teilweise gescheitert – nachdem er weiter an Bord ist, fällt es mir schwer zu glauben, dass das jetzt besser wird. Er hat verkauft, ist aber wieder Teilhaber und ich frage mich: Was sind denn das für Konstruktionen? Vielleicht wird das ja nachvollziehbar beantwortet. Aktuell sind wir nach viel Lob für den früheren Investor auf die Nase gefallen.
Fehler müssen korrigiert werden
Zum Ende nochmals eine Frage an Sie als gelernter Journalist. Es gibt eine Berichterstattung mit falschen Zahlen, anonymen Zitaten, die Falschaussagen transportieren, die Verdächtigung eines kleinen Kreises von sechs Personen, die Mitglieder des Aufsichtsrats – und Meinungsbeiträge, es habe Mauscheleien und Gutsherrenpolitik betrieben. Das wird öffentliche diskutiert, aber die Falschinformationen werden nicht korrigiert. Wie finden Sie das?
Hornung: Ich mache mir das nicht zu eigen. Es sieht danach aus, dass Fehler gemacht worden sind. Ich betone Fehler – die können fahrlässig passieren, auch grob fahrlässig. Deshalb will ich Antworten auf meine Fragen, um das bewerten zu können. Vielleicht war ja damals alles gut gemeint. Wenn Fehler passiert sind, müssen die korrigiert werden, politisch wie journalistisch.
Ich fasse mal zusammen: Es bleibt spannend.
Hornung: Da schließe ich mich an.
Anm. d. Red.: Das Gespräch wurde am 14. März 2019 von 19:00-19:32 Uhr geführt und hat bis auf wenige Korrekturen der Transkription in genau diesem Ablauf stattgefunden. Interviews sind immer “Kunstformen”, weil von mündlicher in schriftliche Rede transkribiert wird. RNB-Interviews sind in aller Regel Wortlautinterviews, die das stattgefundene Gespräch tatsächlich wiedergeben. Wir behalten uns Kürzungen vor oder auch Umstellungen, was hier nicht der Fall war. Herr Hornung wollte eine Autorisierung. Das bieten wir immer an, um hier und da “Präzisierungen” vornehmen zu können. “Umschriebe” oder wesentliche Veränderungen lassen wir redaktionell nicht zu. Herr Hornung hat nur marginal “korrigiert” – es fiel nichts weg, es kam nichts hinzu, hier und da hat er sprachlich angepasst, was in Ordnung geht. Wir veröffentlichen den Text heute, weil es vorher aus redaktionellen Kapazitätsgründen nicht möglich war. Auch dieser Hinweis ist wesentlich: Im Alltagsleben duzen sich Thomas Hornung und Hardy Prothmann und führen immer wieder mit offenen Worten einen regen Austausch. Das Verhältnis ist professionell – es gibt weder für Herrn Hornung noch für die CDU Mannheim irgendeine Form einer “Beratungsleistung”, wie immer mal wieder gemutmaßt wird. Wo im RNB Journalismus drauf steht, ist Journalismus drin.
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