Mannheim, 11. Dezember 2018. (red/pro) Heute verhandelt der Hauptausschuss unter TOP 1.5 eine Neuregelung für die Finanzierung der Gemeinderatsarbeit. Erstens soll die Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit leichter erhöht werden, zweitens steht eine viel wesentlichere Entscheidung an: Künftig sollen Fraktionen ab 10 Mitglieder als große Fraktion gelten, bislang waren dafür 13 Mitglieder nötig. An der Definition hängen erhebliche Finanzierungsgelder.
Von Hardy Prothmann
Die Kommunalwahl 2019 wirft ihre Schatten voraus: Bereits 2014 sollte die für eine große Fraktion notwendige Mitgliederzahl auf 10 Stadträte abgesenkt werden. Damals hatte die CDU 3 Sitze verloren, kam nur noch auf 12 Stadträte und war damit mittlere und nicht mehr große Fraktion. Die Folge: Je eine halbe Sachbearbeiter- und Sekretärinnenstelle weniger und auch kein Volontär. Der Fraktionsvorsitzende einer mittleren Fraktion erhält zudem nur das 2,4-fache der Aufwandsentschädigung (große Fraktion 2,6-fach, kleine Fraktion 2,2-fach).
Man könnte nun eine Debatte über „Selbstbedienung“ anführen. Wer sich als ahnungsloser Nörgler hervortun möchte, kann das tun. Tatsächlich ist die neue Regelung vermutlich entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Gemeinderats nach der Kommunalwahl am 26. Mai 2019. Und im Gegensatz zu 2014 versucht man nicht die Regelung nach der Wahl neu zu gestalten, sondern in ausreichendem Abstand vor der Wahl.
Sitzverlust einkalkuliert
Das politische Mannheim rechnet fest damit, dass sowohl SPD als auch CDU Sitze verlieren werden. Beide haben aktuell 13 Sitze (Thomas Hornung wechselte vor einem Jahr das Parteibuch von Grün auf CDU) und sind damit große Fraktion. Verlieren beide nur einen Sitz, gäbe es keine große Fraktion mehr im Mannheimer Gemeinderat. Die Ausstattung der Fraktionen ist aber eine wesentliche Unterstützung für die Gemeinderatsarbeit.
Stadträte, die ihr Ehrenamt mit Energie ausfüllen, bringen es locker auf 20 Stunden die Woche. Wenn nun die Entschädigung von 910 auf 975 Euro in der neuen Wahlperiode (Anm. d. Red.: Es gibt Medien, die das „Legislaturperiode“ nennen, was Blödsinn ist. Gemeinderäte beschließen keine Gesetze. Auch ist es kein Kommunal“parlament“ mit unabhängigen Abgeordneten, sondern der Gemeinderat ist Teil der Verwaltung. Auch falsch ist, dass Fraktionen aus Mitgliedern einer Partei bestehen müssen, es können sich auch Einzelstadträte oder Gruppierungen mit Fraktionen zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließen) monatlich angepasst wird, dann ist das nicht zu viel Geld, sondern eher zu wenig für die Arbeitsleistung. Nach Abzug der Steuern kommt man noch nicht einmal auf Mindestlohnniveau. Selbst die Fraktionsvorsitzenden, die eine 2,6-fache Entschädigung erhalten, kommen damit nur auf 2.535 Euro brutto und haben einen erheblich höheren Aufwand als einfache Stadträte.
Viel Bürokratie
Unabhängig davon braucht finanziell es vernünftig ausgestattete Fraktionen, damit Themen vorbereitet werden können. Hier ist viel Bürokratie zu erledigen, die die Stadträte nicht auch noch in der Freizeit leisten können. Einzelstadträte und Gruppierungen haben nämlich genau dieses Problem: Sie können die Aufgaben eigentlich nicht sinnvoll erledigen, weil die Arbeitslast viel zu hoch ist.
Genau das lässt sich auch im Mannheimer Gemeinderat erkennen. Von den vier Einzelstadträten (NPD, MfM, MVP, parteilos) sind überhaupt keine wesentlichen und konstruktiven Impulse ausgegangen. Diese vier hätten zusammen eine Fraktion bilden können – durch die unterschiedliche politische Ausrichtung war dies nicht möglich.
Von der neuen Regelung profitieren also im Fall von Sitzverlusten SPD und CDU, weil sie vermutlich große Fraktionen bleiben können, eventuell auch die Grünen, falls ihnen der Sprung von aktuell 7 auf 10 Sitze gelingen sollte.
Für die Freien Wähler, Die Linke oder die FDP ändert sich nichts. 2-3 Mitglieder bilden eine Gruppierung, 4-6 eine kleine Fraktion, 7-9 eine mittlere Fraktion.
Wie schneidet die AfD ab?
Spannend wird sein, welchen Wahlerfolg die AfD erzielen wird. 2014 gewann sie vier Sitze. Durch den Austritt der Stadträte aus der Partei nach der Spaltung der AfD 2015 waren die AfD-Sitze weg. Zunächst wechselten die Stadträte zu „Alfa“, die sich in LKR umbenennen musste und aktuell nennt man sich „Bürgerfraktion“, obwohl man nur drei Mitglieder hat und damit Gruppe ist. Ein früherer AfD-Stadtrat ist parteilos geblieben und hatte sich später mit dem MfM-Stadtrat zu einer Gruppierung zusammengeschlossen.
Auf den Fluren wird analysiert, geschätzt und letztlich geraten: Viele rechnen wieder mit mindestens vier Sitzen für die AfD, möglicherweise auch 6-7 oder sogar mehr, was von Faktoren vor der Wahl abhängt. Sollte es schwere Verbrechen geben, die mit Zugewanderten zusammenhängen, wäre das sicher „förderlich“ für das Ergebnis der AfD. Geschwächt ist die Partei durch den Kreisverband, der sich im Dauerstreit mit dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos befindet und keine prägnanten Persönlichkeiten aufweisen kann. Die braucht es zwar nicht, um einige Sitze zu erreichen, aber um 15 Prozent (7 Sitze) und mehr zu erreichen, muss man mehr bieten, als einfach nur eine Wahlliste.
Neuregelung geht in Ordnung
Die Neuregelung der Finanzierung geht aus RNB-Sicht vollständig in Ordnung, wenn man das Ziel vor Augen hat, die Gemeinderatsarbeit effektiv zu organisieren. Das viel größere Problem, das erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen wird, wenn CDU und SPD Sitze verlieren: Es wird viel schwieriger werden, klare Mehrheiten zu organisieren. 48 Sitze gibt es im Gemeinderat, der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz ist ebenfalls stimmberechtigt, es gibt also 49 Stimmen, 25 Stimmen sind die Mehrheit.
Schon aktuell sind klare Mehrheiten meist nur durch mehrere Fraktionen erreichbar. Sind sich SPD und CDU einig, reicht es für 26 Stimmen, sind sie es nicht, wird es spannend, denn weder links wie rechts sind klare Mehrheiten möglich. SPD (13), Grüne (7) und Die Linke (2) erreichen nur 22 Stimmen, CDU (13) und FDP (2) nur 15, zählt man die Mannheimer Liste (4) hinzu ist man bei 19 Stimmen. Doch die Mannheimer Liste ist eher CDU-kritisch, ebenso die „Bürgerfraktion“ (3) und selbst alle diese zusammen kommen nur auf 22 Stimmen.
So betrachtet, hätten die vier Einzelstadträte erhebliche Macht als „Zünglein an der Waage“ ausüben können, denn die vier Stimmen würden den konservativen Parteien die Mehrheit verschaffen. Doch wer will schon mit einem NPD-Stadtrat verhandeln? Und Stadtrat Wolfgang Taubert (MfM), früher CDU, ist auf die Christdemokraten überhaupt nicht gut zu sprechen.
Große Herausforderung
Mit der kommenden Wahl wird es also noch schwieriger, Mehrheiten zu finden, was dringend notwendige Entscheidungen verzögern oder sogar verhindern kann. Hinzu kommt eine Teils bei allen erkennbare immer intensivere „Streitlustigkeit“, die längst nichts mehr mit „Streitkultur“ zu tun hat. Insbesondere deshalb ist eine vernünftig ausgestattete Geschäftsstelle für die zahlenstärksten Fraktionen dringend notwendig, damit hier im tagesaktuellen Geschäft komplexe Zusammenhänge vorbereitet werden.
Ein weiteres Argument, dass gegen eine „Selbstbedienung“ spricht: Insbesondere bei CDU und SPD treten eine ganze Reihe von Stadträten nicht mehr an. Sie profitieren also definitiv nicht von einer Erhöhung der Entschädigung und auch nicht von einer Anpassung der Fraktionsgröße für große Fraktionen. Ganz im Gegenteil werden auch hier die Geschäftsstellen besonders gefordert sein, um die unerfahrenen Stadträte zu unterstützen. Denn bis man die Komplexität der gemeinderatlichen Arbeit bei einer Großstadt wie Mannheim überblickt, dauert es einige Jahre.