Mannheim, 17. Oktober 2017. (red/pro) Aktualisiert. Der Partei- und Fraktionswechsel von Thomas Hornung von den Grünen zur CDU führt zu viel Aufregungen und Forderungen. Welche sind berechtigt, welche nicht? Welche Folgen könnten jetzt konkret werden? Antworten auf diese Fragen sind spannend. Wir prüfen so gut es geht die Fakten und ordnen diese kommentierend ein. Teil I unseres Faktenchecks.
Von Hardy Prothmann
Die Grünen meinen, Herr Hornung habe das Mandat von Herrn Raufelder übernommen. Ist das richtig oder falsch? Es ist auf jeden Fall nicht richtig. Zutreffend ist, dass der verstorbene Stadtrat Wolfgang Raufelder auf Listenplatz 10 kandidierte, aber in Summe der Stimmen mit deutlichem Abstand Platz 1 der Liste (36.089 Stimmen) erreichte. Die erste auf der Liste, Melis Sekmen, erreichte bei der Wahl Platz 2 (27.820 Stimmen).
Thomas Hornung stand auf Platz 8 der Wahlliste, erreichte aber nur Platz 9 bei der Wahl. Nuran Tayanc stand auf Platz 11 der Liste und überrundete Herrn Hornung knapp mit 17.956 zu 17.781, also mit nur 175 Stimmen mehr. Ursprünglich war Herr Hornung für Listenplatz 6 vorgesehen, bei der Listenwahl innerhalb der Partei kam er aber nur auf Platz 8. Auf Platz 6 wäre er durch Listenstimmen vermutlich nicht durch Frau Tayanc überrundet worden.
Durch Kumulieren und Panaschieren können Wähler bei Kommunalwahlen Einfluss auf die Wahllisten nehmen. Deshalb setzt man häufig “sichere” Kandidaten weiter nach hinten, weil diese über die direkte Stimmvergabe vermutlich ein Mandat erreichen. Andere, die eher Listenstimmen erhalten, setzt man weiter nach vorne, damit diese davon profitieren. Herr Raufelder hatte als stadtweit beliebtester Kandidat die meisten Stimmen geholt. Herr Hornung ist nach der Liste als nächstbester, aber nicht auf Anhieb gewählter Kandidat im Dezember 2016 nachgerückt. Aber nicht auf das Mandat von Herrn Raufelder – wäre jemand anderes ausgeschieden, wäre Herr Hornung auch nachgerückt. Auf einen freien Mandatsplatz.
Ein Mandat ist frei und kein Erbhof
Ein Mandat ist kein Erbhof mit Pflichten. Insofern hat Herr Hornung auch kein “Erbe” von Herrn Raufelder übernommen. Nach der Gemeindeordnung sind Gemeinderäte frei in ihrem Verhalten. Es gibt also keinerlei zulässige Forderung an einen Gemeinderat, dass er der Partei oder Wählervereinigung, über deren Liste er gewählt worden ist, zu irgendetwas verpflichtet ist. Wer das behauptet, behauptet falsche Tatsachen.
Es gibt auch keinen “wichtigen Grund” für das Ausscheiden aus dem Gemeinderat, wenn man die Partei oder Fraktion oder beides wechselt. Paragraf 16 der Gemeindeordnung regelt nur, dass man mit dem Ausscheiden aus einer Partei oder Wählerliste eine weitere ehrenamtliche Tätigkeit ablehnen kann – aber nicht muss.
Paragraf 15 regelt sogar die Pflicht, diese ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben:
Die Bürger haben die Pflicht, eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde (eine Wahl in den Gemeinderat oder Ortschaftsrat, ein gemeindliches Ehrenamt und eine Bestellung zu ehrenamtlicher Mitwirkung) anzunehmen und diese Tätigkeit während der bestimmten Dauer auszuüben.
Weitreichende Ahnungslosigkeit in Sachen Gemeindeordnung
Wer also argumentiert, Herr Hornung habe die Pflicht, sein Amt zurückzugeben, weil er für die Grünen gewählt worden sei, der bekennt nur, sich nicht mit der Gemeindeordnung auszukennen, was reichlich peinlich ist. Nicht die Partei steht im Vordergrund, sondern das Amt.
Paragraf 24 der Gemeindeordnung regelt:
Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde.
Gemeint ist der Gemeinderat als gesamtes Gremium – hier wird nicht zwischen den Parteien und Wahllisten unterschieden. Im Prinzip ist jeder gewählte Gemeinderat für das Wohl aller Bürger verpflichtet, egal, ob er von diesen gewählt worden ist oder nicht. In der politischen Praxis ist es geradezu auch so, dass Gemeinderäte auch von Wählern Stimmen erhalten, die ansonsten aber eine andere Liste wählen – ob aus Sympathie oder weil sie von der Leistung des Bewerbers, nicht aber dessen Partei überzeugt sind. Wer meint, über eine bestimmte Liste gewählte Gemeinderäte dürften nur die Überzeugung der Partei vertreten, konterkariert die Verfasstheit durch die Gemeindeordnung.
Für den einzelnen Gemeinderat ist die Rechtsstellung in Paragraf 32 definiert:
Die Gemeinderäte entscheiden im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. An Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, sind sie nicht gebunden.
Die Verantwortlichkeit eines Gemeinderats ergibt sich also gerade nicht über die Parteizugehörigkeit, sondern durch die eigene Überzeugung, was für das öffentlichen Wohl die beste Entscheidung ist. Dementsprechend sollte man von Gemeinderäten auch erwarten, dass sie manchmal Entscheidungen treffen, die zwar nicht ihrer persönlichen Überzeugung entsprechen, aber für das öffentliche Wohl von Bedeutung sind.
Anders als behauptet, fördert ein solches Verhalten eher das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Gemeinderäten, als wenn alles nach Parteiräson abgenickt wird.
Überzeugung vor Partei
Wenn Herr Hornung also argumentiert, es habe eine für ihn nicht mehr zu tragende Entfremdung zur grünen Partei gegeben, ist es seine Pflicht und sein Recht, nach seiner Überzeugung sich einer anderen Gruppe anzuschließen. Dass das der früheren Partei und Fraktion nicht gefällt – insbesondere, wenn daraus finanziell und personell negative Folgen resultieren, ist nachvollziehbar, aber kein Grund, falsche Tatsachen zu behaupten und Stimmung zu machen.
Im übrigen hatte 2015 niemand im Gemeinderat von der früheren AfD-Stadträten verlangt, ihre Ämter aufzugeben, nachdem sie die AfD verlassen haben und zunächst zu Alfa gewechselt sind, die dann zu LKR umbenannt wurde. Tatsache ist: Sollte einer dieser Gemeinderäte ausscheiden, würde der nächste Kandidat der AfD-Wahlliste nachfolgen. Warum damals niemand die Niederlegung der Ämter forderte, liegt auf der Hand. Damit war die AfD im Gemeinderat nicht mehr vertreten, was vielen in diesem Fall gefallen hat.
Ebenfalls interessant: Der Stadtrat Helmut Lambert hatte noch als AfD-Fraktionsmitglied Aufsichtsratsmandate erhalten und übt diese nach seinem Ausscheiden aus der AfD und der Fraktion weiterhin aus. Eigentlich hat er keinen Anspruch mehr darauf. Damals wollte man aber nicht erneut die Besetzungen aushandeln. Das gilt somit auch für die Gruppe “Bürgerfraktion” (eigentlich LKR), auch diese müssten andere Posten vermutlich abgeben.
Herr Hornung hat seine zusätzlichen Ämter zur Verfügung gestellt – jetzt muss es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Neuordnung geben, die unter dem Strich vermutlich ebenfalls zu Lasten der Grünen und zu Gunsten der CDU geht. Ob und wie es sich damit verhält, muss neu berechnet werden und wird im Rathaus nach unserer Kenntnis auch geprüft.
Aktualisierung, 21:33 Uhr: Auf Hinweis eines Lesers haben wir ergänzt, dass auch die Gruppe nach der ehemaligen AfD-Fraktion vermutlich Posten abgeben müsste.