Mannheim, 18. Oktober 2017. (red/pro) Der Partei- und Fraktionswechsel von Thomas Hornung von den Grünen zur CDU führt zu viel Aufregungen und Forderungen. Welche sind berechtigt, welche nicht? Welche Folgen könnten jetzt konkret werden? Antworten auf diese Fragen sind spannend. Ebenso die teils hanebüchenen Bewertungen. Einzig der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bringt eine inhaltlich nachvollziehbare Kritik. Wir prüfen so gut es geht die Fakten und ordnen diese kommentierend ein. Teil III unseres Faktenchecks.
Kommentar: Hardy Prothmann
SPD und Die Linke wettern nach dem Wechsel von Thomas Hornung von den Grünen zur CDU, die „linke Mehrheit“ sei dadurch zerstört worden. Die Linke-Stadtrat Thomas Trüper meint sogar, die CDU habe die Stimmen für Herrn Hornung durch den neuen Job beim MdB Nikolas Löbel „gekauft“. Belege kann er dafür nicht anbieten.
Mit seinem Wechsel von Bündnis 90/Die Grünen zur CDU sorgt Thomas Hornung für neue Mehrheitsverhältnisse im Mannheimer Gemeinderat,
erklärt SPD-Kreisverbandsvorsitzender Wolfgang Katzmarek via Pressemitteilung. Die bislang bestehende knappe Mehrheit für eine soziale, fortschrittliche und moderne Stadtpolitik sei nicht mehr vorhanden. Ist das so?
„Linke“ Mehrheit?
Was Herr Katzmarek behauptet, hält bei näherer Betrachtung nicht stand. Bislang waren die Machtverhältnisse „links von rechts“ 13 Sitze für die SPD, 8 für die Grünen und 3 für Die Linke, aus denen aber zwei wurden, weil Julian Ferrat nicht mehr für Die Linke, sondern als Einzelstadtrat für die Familienpartei im Gemeinderat ist. Zusammen ergab das 24 Stimmen – plus die Stimme des Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz macht das 25 Stimmen und damit die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Hier ist nun definitiv eine „sichere“ Stimme weg.
Doch was wollen SPD und Die Linke hier öffentlich suggerieren? Dass diese „Koalition“ fest zusammensteht? Das ist Humbug. Denn erstens agiert Herr Ferrat alleine und nicht immer mit dem „linken“ Lager, womit die Einstimmenmehrheit sowieso nicht garantiert ist. Und auch SPD und Die Linke sind sich nicht grün – oder doch? Dann sollten sich beide in anderen Fragen nicht weiter wie oft üblich gegeneinander profilieren.
Auch das „rechte“ Lager hat keine Mehrheit
Wer genau hinschaut, weiß, dass auch das „rechte“ Lager keine Mehrheit hat. Bislang waren es 12 CDU-Sitze, 4 Mannheimer Liste/Freie Wähler, 4 AfD, die zu 3 LKR (Bürgerfraktion) und 1 Einzelstadtrat auseinander fiel, 2 Sitze FDP, 1 Sitz MIT (in Fraktionsgemeinschaft mit ML) und 1 Sitz NPD. Wollen SPD und Die Linke der Öffentlichkeit tatsächlich übermitteln, das sei ein geschlossenes rechtes Lager? Also unterstellen, dass alle mit dem NPD-Stadtrat Christian Hehl gemeinsame Sache machen? Oder CDU, ML, FDP mit den früheren AfD-Stadträten Friede, Freude, Eierkuchen spielen? Und was hält wohl die FDP davon, als rechte Partei hingestellt zu werden?
Es darf als ausgemacht gelten, dass niemand mit dem NPD-Stadtrat spricht und versucht, dessen Stimme zu bekommen. Also fehlt diese „sichere“ Stimme im „rechten“ Lager schon mal, was in Summe trotz Stimmgewinn für die CDU durch den Wechsel von Herrn Hornung 24 Stimmen ergibt. Das ist keine Mehrheit – außer, man will es so darstellen, dass der SPD-Oberbürgermeister diesem „rechten“ Lager sicher seine Stimme gibt. Wollen SPD und Die Linke der Bevölkerung das tatsächlich weismachen?
Und überhaupt – was soll an der neuen Situation nicht der „Wählerwille“ sein? Der Wähler hat so gewählt, wie gewählt wurde. „Der Wähler“ hat keine „linke Mehrheit“ gewählt, sondern drei unterschiedliche Parteien, die als links eingestuft werden, aber durchaus mit teils sehr unterschiedlichen Positionen. Und jeder Mandatsträger ist frei in seiner Willensbildung und Entscheidung.
Mehrheitsfindung bleibt fragil
Richtig ist, dass sich grundsätzlich nichts geändert hat. Die Mehrheitsfindung im Gemeinderat bleibt fragil und die unterschiedlichen Akteure, insbesondere der Oberbürgermeister müssen weiter über Kompromisse um Mehrheiten ringen.
Wenn man schon von „Machtverhältnissen“ schwadroniert, gibt es eine Rechnung, die auch nicht neu ist. Eine „große Koalition“ (Koalitionen gibt es nicht im Gemeinderat) aus SPD (13) und CDU (früher 12) hatte schon vor dem Wechsel eine Mehrheit von 25 Stimmen – ganz ohne Oberbürgermeister. Mit dieser Stimme 26 und jetzt eben 27 Stimmen, wenn sich diese Akteure einigen.
Umgekehrt wird also ein Schuh draus. Die großen Fraktionen hatten schon in der Vergangenheit eine Mehrheit und diese ist um eine Stimme gewachsen. Tatsache ist allerdings auch, dass es diese „großkoalitionäre“ Macht in der Vergangenheit nicht verlässlich gegeben hat und auch in Zukunft nicht geben wird. Dafür sind in einzelnen Politikfeldern die Positionen zu unterschiedlich.
Wer sich moralisch gibt, sollte moralisch vorbildlich sein
SPD und Die Linke tun sich keinen Gefallen, wenn sie durch verdrehte Darstellungen das tun, was sie der CDU vorwerfen: Täuschung des Wählers. Insbesondere im „linken“ Lager wird zudem behauptet, Herr Hornung habe das „Erbe“ von Wolfgang Raufelder verraten. Das ist übelste, unterste Schublade. Erstens gibt es ein solches Erbe nicht und zweitens hat Herr Hornung nicht „den“ Sitz von Herrn Raufelder übernommen, sondern ist über die Liste auf einen freien (1) Sitz nachgerückt.
Man kann sich darüber moralisch empören, dass Herr Hornung mit dem Parteiwechsel diesen Sitz behalten und mit zur CDU genommen hat. Das kann man. Aber dann sollte man sich „moralisch“ selbst einwandfrei verhalten und keine üblen Darstellungen und verdrehte Tatsachen behaupten. Denn dann hat man kein Recht mehr auf moralische Empörung.
Herr Hornung hat eine rechtlich einwandfreie Entscheidung getroffen, die man politisch durchaus kritisch einordnen kann. Das aber sollte mit Anstand passieren und nicht mit Schaum vorm Maul von vielen gegen einen – denn auch der Vorwurf, dass dieser Wechsel „Politikverdrossenheit“ erzeugt, ist umgekehrt richtig. Wer sich als interessierter Wähler die teils wutentbrannten Reaktionen in Facebook-Kommentaren anschaut, kann sich eigentlich nur noch angewidert abwenden – von SPD, Die Linke und den Grünen. Vielleicht hilft dieser Kommentar dort zu einem Prozess des Umdenkens und einer kritischen Bewertung des eigenen Verhaltens. Eine vorbildliche Reaktion haben wir dort jedenfalls nicht feststellen können.
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Appell des OB ohne Erfolg
Anders beim Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD). Der teilte uns auf Anfrage folgende Antwort mit, die den rechtlichen Rahmen beachtet und trotzdem politisch einordnet:
Bekanntermaßen treiben mich Fragen der politischen Kultur um, dies sind keine taktischen Themen für mich. Auch wenn ich es mir durch „Wegschauen“ leichter machen würde, sehe ich mich als Oberbürgermeister und Vorsitzender des Gemeinderats in der Pflicht, auf den gleichzeitigen Fraktions- und Jobwechsel von Thomas Hornung zur CDU zu reagieren.
Einen Fraktionswechsel halte ich für politisch unglücklich, aber im Rahmen der baden-württembergischen Gemeindeordnung für legitim. Ebenso halte ich es für legitim, dass jemand beruflich andere Wege geht und aus der Konsequenz daraus seine Partei verlässt. Die Kombination beider Vorgänge ist meines Erachtens aber in hohem Maße problematisch. Der Mandatswechsel steht hier mit dem beruflichen Wechsel in untrennbarem zeitlichem Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wurden mit der Pressekonferenz am Dienstag mit der gemeinsamen Präsentation und Veröffentlichung sowie dem gleichzeitigen Vollzug von hauptamtlicher Tätigkeit bei Herrn Löbel als Bundestagsabgeordneter und dem Fraktionswechsel zur CDU im Gemeinderat selbst hergestellt. Dieser Wechsel beschädigt nicht nur das Ansehen der Beteiligten, sondern das des Gemeinderats insgesamt.
Das ist die tatsächlich einzige vernünftige und inhaltlich eindeutige Kritik von Format, die wir bislang zur „Causa Hornung“ feststellen konnten. Der Oberbürgermeister trifft dabei den Punkt, der ein „Geschmäckle“ hat und nicht von der Hand zu weisen ist.
Weiter teilte uns Pressesprecher Ralf Walther mit: In einem Schreiben an den CDU-Fraktionsvorsitzenden Claudius Kranz, an Stadtrat und Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel und an das ehemalige Fraktionsmitglied der Grünen, Thomas Hornung hatte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz am Dienstag appelliert, entweder auf das Mandat oder auf die Tätigkeit als Büroleiter von Löbel zu verzichten. Der Appell hatte keinen Erfolg.
Die SPD Mannheim wäre besser beraten, sich ab und an mit ihrem prominentesten Parteimitglied ins Benehmen zu setzen und sich dort Rat für politische Einordnungen zu holen. Dann wäre auch die „moralische“ Haltung deutlich nachvollziehbarer.
Anm. d. Red.: Eine tatsächliche Änderung der „Machtverhältnisse“ könnte sich in der Besetzung verschiedener Gremien ergeben. Hier sind unsere Recherchen noch nicht abgeschlossen. Wir berichten, wenn wir die Fakten haben.