Mannheim, 22. Oktober 2018. (red/pro) Die SPD hat am Samstag ihr Liste für die Kommunalwahl am 26. Mai 2019 aufgestellt. Es lohnt sich ein genauer Blick auf die Liste und ein Vergleich mit vorhergegangenen Kommunalwahlen. Insbesondere CDU und SPD müssen sich angesichts der Trends in vergangenen Wahlen erhebliche Sorgen machen – aber auch ein Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, denn stabile Mehrheitsverhältnisse sind nicht zu erwarten. RNB analysiert die Lage exklusiv.
Von Hardy Prothmann
Eins vorab: Medien, die Bundes- und Landtagswahlen mit Kommunalwahlen vergleichen oder die „Sonntagsfrage“-Ergebnisse heranziehen, berichten nicht seriös. Denn die unterschiedlichen Wahlen lassen sich nur sehr bedingt vergleichen.
Schwierige Mehrheitsverhältnisse
In Mannheim haben die beiden großen Fraktionen SPD und CDU derzeit mit je 13 Sitzen (48 Sitze hat der Gemeinderat) je rund 27 Prozent. Wenn sich die großen Parteien einig sind, hat man inklusive der OB-Stimme also eine Mehrheit von 27 Stimmen (24+1=25 ist die Mehrheit). Doch tatsächlich wird häufig nach Lagern abgestimmt – auf der einen Seite das „linke“ auf der anderen Seite das „konservative“ Lager.
Hier errechnen sich andere Verhältnisse: SPD (13), Grüne (7), Die Linke (2) haben zusammen 22 Stimmen und damit keine Mehrheit. CDU (13), Mannheimer Liste (4), MfM (2) und FDP (2) kommen auf 21 Stimmen und haben ebenfalls keine Mehrheit. Außer, man rechnet die frühere AfD, die sich jetzt Bürgerfraktion nennt, mit 3 Sitzen hinzu, dann sind es 24 Sitze plus die Stimme des Oberbürgermeisters sind 25 Stimmen. Doch das ist nur Theorie.
In der Praxis braucht es schon heute immer überfraktionelle Mehrheiten aus beiden Lagern, um mindestens die Mehrheit zu erreichen. Drei Stimmen sind wenig berechenbar – NPD, und Mannheimer Volkspartei. Insbesondere die großen Fraktionen von SPD und CDU haben Angst vor zwei anderen Parteien – den Grünen und der AfD. Dabei muss man nicht auf einen Bundes- oder Landestrend schauen, sondern auf die vergangenen Kommunalwahlen.
Abwärtstrend bei CDU und SPD
2004 kam die CDU noch auf 19 Sitze, 2009 auf 15 und 2014 nur noch auf 12 Sitze (aktuell sind es 13, weil der Stadtrat Thomas Hornung von den Grünen zur CDU gewechselt ist). 2004 und 2009 hat die AfD keinerlei Rolle gespielt, diese wurde erst 2013 gegründet und erreichte 2014 nur vier Sitze.
Bei der SPD waren die Verluste nicht so eklatant. 2004 und 2009 erreichte sie jeweils 16 Sitze, 2014 nur noch 13. Die Grünen hingegen legten zu – von 5 Sitzen 20o4 auf 8 Sitze 2009. 2014 erhielten sie ebenfalls 8 Sitze.
Um zu verstehen, welcher Trend sich abzeichnet, muss man auf die prozentualen Ergebnisse und die Wählerstimmen schauen: Die CDU hat massiv verloren. 2004 erhielt sich 1.441.261 Stimmen (37,4 Prozent) , 2009 nur noch 1.022.533 (28,7 Prozent), 2014 sackte sie mit 975.768 auf unter eine Million Stimmen (26,1 Prozent). Auch bei der SPD ist der langfristige Trend negativ. 2004 erhielt sie 1.234.838 Stimmen (32 Prozent), 2009 noch 1.089.079 (30,6 Prozent), 2014 1.021.529 (27,3 Prozent).
Die Grünen hingegen steigerten sich kontinuierlich: 2004 waren es 449.003 Stimmen (11,7 Prozent), 2009 dann 565.814 (15,9 Prozent) und 2014 610.758 (16,3 Prozent). Ebenso Die Linke: 2014 erreichten sie 87.906 Stimmen (2,3 Prozent), 2009 verdoppelten sich die Stimmen fast auf 175.540 (4,9 Prozent) und 2014 gab es mit 232.285 erneut ein deutliches Plus (6,2 Prozent). Beide Parteien profitieren allerdings nur bedingt bei den Sitzen, die Grünen steigerten sich von 5 auf 8, verloren durch den Parteiwechsel einen Sitz. Die Linke legte von einem auf zwei und dann drei Sitze zu, verlor aber auch einen durch einen Parteiwechsel. In beiden Fällen ist der Trend trotzdem positiv.
Die Mannheimer Liste (Freie Wähler) (9,1, 7,4, 9,3 Prozent) und FDP (4,2, 8,0, 4,5 Prozent) hingegen sind volatil.
Weiter ist ein Blick auf die Wahlbeteiligung interessant: 2004 lag sie bei 41,4 Prozent, 2009 bei 37,9 Prozent, 20014 bei 38,7 Prozent. Die beiden großen Parteien SPD und CDU konnten von der wieder leicht gestiegenen Wahlbeteiligung 2014 nicht profitieren.
SPD-Liste ist der Versuch einer Abwehr
Die nun von der SPD aufgestellte Liste ist als Abwehrversuch zu verstehen, um wenigstens die 13 Plätze im Gemeinderat zu halten. Unter den ersten 13 Kandidaten sind ganze 5, die (noch) nicht im Gemeinderat sind. Diese profitieren dann, wenn ein Wähler den SPD-Wahlzettel abgibt, ohne zu kumulieren (häufen) oder zu panaschieren (verteilen), dann fällt auf jeden Kandidat eine Stimme.
Auch die Platzierung weit vorne steigert die Chancen bis zu 3 Stimmen zu erhalten. Doch die Wähler kumulieren gerne nach eigenen Vorstellungen. So schafften Malin Melbeck (Listenplatz 12, gewählt auf Platz 20) und Thomas Weichert (Listenplatz 13, gewählt auf Platz 29) den Einzug nicht und waren gemäß des Ergebnisses von der Platzierung im Ergebnis weit entfernt. Anders Helen Heberer, die von 14 auf Platz 3 und Dr. Claudia Schöning-Kalender von 20 auf Platz 9 gewählt wurden. Diese beiden stehen nun wieder weiter hinten auf Platz 16 und 18 und dürften somit 2 der 5 neuen Kandidaten rauskegeln.
2009, als die SPD 16 Sitze erreichte, waren allein 5 gewählte Stadträte nicht vorne gelistet, sondern ab Platz 21, Helen Heberer schaffte es gar von Platz 48 auf Platz 10. Das ist wichtig zu wissen, denn aktuell steht auch der SPD-Kreisvorsitzende Dr. Stefan Fulst-Blei auf Platz 47 der SPD-Liste. Das ist aus mehreren Gründen erstaunlich und vor allem risikoreich.
Erstaunliche Aussagen und risikoreiche Aufstellung
Erstaunlich ist, dass Dr. Boris Weirauch angekündigt hat, nicht mehr anzutreten. Seine Begründung: Er wolle sich auf sein Landtagsmandat konzentrieren und beide Aufgaben seien zu viel. Das könnte man als Seitenhieb auf den Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und die grüne Landtagsabgeordnete Elke Zimmer werten – tatsächlich beschädigt das aber auch die Glaubwürdigkeit der SPD, weil Stadträtin Heberer als Landtagsabgeordnete ebenfalls im Gemeinderat saß und der Landtagsabgeordnete Dr. Fulst-Blei nun ebenfalls für den Gemeinderat wählbar ist.
Risikoreich ist es deshalb, weil eine Nichtwahl von Dr. Fulst-Blei eine enorme Beschädigung darstellen würde. Der gewann zwar mit gut 48.000 Stimmen deutlich vor Marianne Bade die SPD-Liste 2009 – aber damals war er auf Platz 1 gesetzt. Und die SPD hatte noch 16 Sitze und es gab noch keine AfD. Er muss sich zudem mit Helen Heberer messen, die es von ganz hinten nach vorne schaffte. Das Ergebnis wird verglichen werden und davon hängt ab, wie stark seine Stellung als Kreisvorsitzender künftig ist. Zudem, so hört man, will er auf Frau Dr. Freundlieb als Bildungsbürgermeister folgen, wenn diese im Herbst 2019 in Ruhestand geht. Dann könnte man ihm „Wählertäuschung“ vorwerfen, weil er sowohl das Landtagsmandat als auch den Gemeinderatssitz abgeben müsste. Und man könnte den Eindruck erhalten, dass er nur deshalb wieder in den Gemeinderat wollte, um sich den Posten zu sichern.
Das Ergebnis der Kommunalwahl könnte auch hier ein politisches Beben auslösen. Aktuell gibt es zwei CDU- und zwei SPD-Dezernenten und mit Frau Kubala eine Grüne. Was, wenn die AfD deutlich zulegt, während SPD und CDU deutlich verlieren? Sicher gibt es keine Mehrheit für einen AfD-Bürgermeister, aber die Forderung würde gestellt werden, ebenso wie der Vorwurf, die „Altparteien“ würden sich nicht demokratisch verhalten.
Überzeugendes Spitzenduo – Probleme auf der Liste
Mit Ralf Eisenhauer und Lena Kamrad (verheiratet mit Dr. Weirauch) hat man zwar auf Platz 1 und 2 ein gutes Spitzenduo. Beide sind engagierte Stadträte, sympathisch und sicherlich für die Außendarstellung sehr gute Kandidaten. Herr Eisenhauer hat zudem im Sommer hart rangeklotzt und viele Haushalte besucht, um für seine Partei zu werben. Der Wahlkampf hat also bereits ein knappes Jahr vor der Wahl begonnen.
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Doch es gibt zwei Probleme auf der Liste im vorderen Bereich, die heißen Isabel Cadematori und Naciye Baklan. Frau Cadematori wurde auf Platz 4 nominiert, hat aber mit nur 63,6 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis erhalten. Und niemand kennt die 26-jährige Nichte des Unternehmers Mustafa Baklan, die auf Platz 8 gesetzt ist und auch nur 79,8 Prozent erhielt, während alle anderen Kandidaten deutlich über 80 oder 90 Prozent erreichten.
Der Grund für die sehr guten Listenplätze ist: Der SPD-Innenstadt-Vorsitzenden Cadematori sagt man schon länger nach, dass sie politisch Karriere machen will und sie soll vermutlich bei den Jusos ziehen. Bei Naciye Baklan hofft man wohl auf die große Bekanntheit ihres Onkels bei den türkisch-deutschen Wählern – dabei gibt es in Mannheim viele Erdogan-Anhänger, die eher keine SPD-Wähler sind. Doch bei so wenig innerparteilicher Zustimmung ist fraglich, wie viele Stimmen die beiden von den Wählern erhalten können.
Obwohl, wie oben genannt, Bundes- und Landtagswahlen nicht mit Kommunalwahlen vergleichbar sind, spielen Trends dennoch eine Rolle. Stefan Rebmann gelang der Einzug in den Bundestag nicht und Dr. Fulst-Blei hat bei der Landtagswahl das letzte Direktmandat an den AfD-Kandidaten Rüdiger Kloß verloren. Das waren derbe Verluste für die SPD. Auch ohne AfD hat man deutlich Wähler verloren und die schlechten Ergebnisse bei der Bundestagswahl und in Bayern zeigen, dass die SPD in schwerem Fahrwasser ist.
Ausgangslage vor der Kommunalwahl
Sicher wird die SPD in Mannheim nicht vergleichbar abstürzen und über 20 Prozent bleiben – ob aber die aktuell 13 Sitze (27,3) gehalten werden können, ist nicht ausgemacht. Insbesondere die SPD wird dabei von Grünen und AfD gleichermaßen in die Zange genommen. Bei den Grünen fehlt allerdings das „Zugpferd“ Wolfgang Raufelder, der Ende 2016 verstorben ist. Herr Raufelder hatte im Frühjahr 2016 im Wahlkreis Süd das Direktmandat gewonnen und war für viele Stimmen aus dem bürgerlichen Lager gut. Dazu gibt Dr. Gerhard Schick zum Jahresende sein Bundestagsmandat auf. Damit fehlen den Grünen „Prominente“
Die fehlen der AfD sowieso. Es gibt keine markante Namen und hinzu kommt das Problem, dass die früheren vier AfD-Stadträte allesamt aus der Partei ausgetreten sind. Man hat also auch im Gemeinderat keine Wahlkampfbasis und zudem stört der Kampf zwischen Rüdiger Kloß und seinem eigenen Kreisverband. Dies erlaubt aus Sicht von SPD und CDU einen kleinen Hoffnungsschimmer, zudem auch nicht klar ist, ob die drei in der „Bürgerfraktion“ verbliebenen Stadträte als eigene Liste antreten und man sich so gegenseitig Konkurrenz mit der AfD macht.
Je nachdem kann die AfD nach RNB-Analyse mindestens wieder mit einem ähnlichen Ergebnis wie 2014 rechnen – das wären 7,8 Prozent und vier Sitze. Es könnten aber auch deutlich mehr werden, denn niemand weiß, wie sich die politische Stimmung weiter verändert. Wer des es 6, 8 oder sogar mehr Sitze? Und wer muss dann welche abgeben?
Grüne und Die Linke sind die einzigen Parteien, die kontinuierlich zugewinnen konnten und es ist damit zu rechnen, dass man mindestens den Stand hält, auch, weil Die Linke mit Gökay Akbulut nun eine Bundestagsabgeordnete hat. Die FDP repräsentiert mit 2 Sitzen wohl den unteren Rand des Erreichbaren. Die Mannheimer Liste hat sich auf 3-4 Sitze eingependelt. Und durch das geänderte Wahlrecht haben auch Kleinstparteien oder Wählervereinigungen eine Chance. Die NPD vermutlich nicht mehr, wohl aber „Mittelstand für Mannheim“ (MfM) und vielleicht auch „Mannheimer Volkspartei“ mit je einem Sitz. Sollte die „Bürgerfraktion“ antreten, ist ein Sitz für Eberhard Will vermutlich sicher, eventuell reicht es für einen zweiten.
Hier sind also drei bis vier Sitze „offen“, die ziemlich garantiert von der AfD übernommen werden. Bleiben Grüne und Die Linke mindestens stabil, geht es also zu Lasten von SPD und CDU – die Frage ist nur: Wie viele Sitze gehen verloren? Eine Sensation wäre, wenn eine der Parteien oder gar beide zulegen könnten – dagegen spricht aber eindeutig die Entwicklung der vergangenen drei Kommunalwahlen. Und wenn man nicht auf 13 Sitze kommt, ist man keine große Fraktion mehr – außer, die Geschäftsordnung wird geändert, was der Fall sein muss, um eine entsprechende Personalausstattung zu behalten.
Es könnte also 2019 zu einer weiteren Zersplitterung des Mannheimer Gemeinderats kommen. SPD und CDU bleiben vermutlich die größten Fraktionen, gefolgt von Grünen und AfD. Dazu Mannheimer Liste, Die Linke, FDP, MfM, möglicherweise „Bürgerfraktion“, „Mannheimer Volkspartei“ und eine weitere linke Liste. Wie oben beschrieben: Klare Mehrheitsverhältnisse sind damit nicht mehr möglich. Sollten SPD und CDU sogar weniger als je 12 Sitze erhalten, wäre auch die Möglichkeit einer „großen Koalition“ weg.
Die CDU wird Ihre Liste Ende Januar aufstellen, wann das bei den anderen Parteien und Wählervereinigungen der Fall ist, ist noch offen.