Mannheim/Berlin/Stuttgart, 28. Juni 2018. (red/pro) Der Bund wird die Sanierung des Nationaltheaters Mannheim mit insgesamt 80 Millionen Euro bezuschussen. „Das ist der höchste Zuschuss, denn die Stadt jemals vom Bund erhalten hat“, stellte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) fest. Gemeinsam mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel gab er diese Förderzusage bei einer Pressekonferenz bekannt.
Von Hardy Prothmann
Ein Vorwahlauftakt könnte nicht besser gelingen: Die frohe Botschaft, dass der Bund den höchsten Zuschuss aller Zeiten an die Stadt in Höhe von 80 Millionen Euro für die Sanierung des maroden Nationaltheaters gibt, ist eindeutig eine sehr gute Nachricht. Wenn es nicht noch viele Abers gäbe.
Denn alle Beteiligten und Unbeteiligten schauen jetzt nach Stuttgart und erwarten von dort ebenfalls einen Zuschuss, möglichst in gleicher Höhe. Dann wäre die Sanierung gedrittelt: Bund, Land und Stadt zahlen je 80 Millionen.
Gemeinsame Bemühungen
In intensiven Bemühungen durch Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), des Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel, aber auch dessen Kollegen Dr. Lars Castellucci (SPD, Rhein-Neckar) sowie des haushaltspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs (Hamburg) und auf der anderen Seite Patricia Lips (CDU), erreichte man in der Koalition eine Einigung auf den Sonderzuschuss für das älteste kommunale Theater Deutschlands, das zugleich das größte Vier-Sparten-Haus ist. 2018/19 zahlt der Bund 3,14 Millionen Euro aus, dann 2,933 Millionen Euro, 2021 12,322 Millionen Euro und von 2021-2026 je 12,321 Millionen Euro.
Wir haben immer gesagt, dass die Generalsanierung des Nationaltheaters mit reinen Sanierungskosten von 200 Mio. Euro und erheblichen zusätzlichen Kosten für die Interimsphase von Mannheim allein nicht zu stemmen ist. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat mit dieser Entscheidung die nationale Bedeutung und besondere Stellung des ältesten kommunalen Theaters in Deutschland anerkannt und eine großartige und entscheidende finanzielle Unterstützung gewährt,
teilte Oberbürgermeister Dr. Kurz mit.
Das Büro der zuständigen Ministerin Theresia Bauer (Grüne), teilte auf Anfrage von RNB mit:
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte in den vergangenen Monaten mehrfach bei Staatsministerin Monika Grütters dafür geworben, dass der Bund die Sonderstellung des Mannheimer Nationaltheaters anerkennt und sich an den hohen Sanierungskosten beteiligt. Dass dies nun gelungen ist und der Bund mit einem hohen Betrag in die Sanierung einsteigen will, ist ein Erfolg! Die Zusage des Bundes wird nun auch Anlass für das Land sein, einen finanziellen Beitrag zu leisten, um die national hervorgehobene Stellung und damit die künstlerische Qualität des Mannheimer Theaters sicherzustellen. Wir lassen die Stadt Mannheim bei der Sanierung nicht allein.
Wer aufpasst, stellt fest, dass von „einem finanziellen Beitrag“ gesprochen wird, nicht von einer konkreten Höhe. Nach unseren Informationen gab es zwar einen Informationsaustausch zu den Verhandlungen in Berlin, aber Bezuschussung war bis vor wenigen Tagen noch sehr unsicher und erst mit dem Beschluss von Mittwoch im Haushaltsausschuss unter Dach und Fach. Doch diese Zusage ist der Anknüpfungspunkt, dass sich auch das Land beteiligt – bislang hat man deshalb noch nichts Konkretes geplant.
Das Land hatte eine Unterstützung des Bundes eingefordert, diese liegt nun vor. Wir freuen uns, dass das Land so schnell positiv reagiert hat. Wir werden nun zeitnah das konkrete Gespräch mit dem Land suchen, um die nächsten Schritte vorzubereiten,
äußert sich Dr. Kurz nach der Mitteilung der Ministerin.
Das aktuelle Nationaltheater wurde 1957 nach Plänen des Architekten Gerhard Weber, eines Schülers von Mies van der Rohe fertiggestellt. Seit vielen Jahren kann es nur durch einen besonderen Brandschutz bespielt werden und ist dringend sanierungsbedürftig. Sollten die Sanierungen nicht vor dem 1. Januar 2023 beginnen, drohte dem denkmalgeschützten Bau die amtliche Schließung.
80 Millionen Euro sind zugesagt, der Rest ist noch offen
Vor einem Jahr kam die erste Zahl auf den Tisch: 185 Millionen Euro Sanierungskosten. Doch das war noch nicht alles, einer weiteren Berechnung zufolge erhöhten sich die Kosten auf 200 Millionen Euro und durch weitere Kosten während der Sanierung geht man aktuell von 240 Millionen Euro aus. Eine Summe, die die Stadt niemals allein schultern kann.
Spätestens seitdem der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Eröffnung des Mannheimer Maimarktes 2018 gesagt hat, der Bund sei gefordert, schließlich heiße das Nationaltheater nicht umsonst Nationaltheater, war allen klar: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in Berlin. Doch die Wenigsten haben daran geglaubt, dass der Bund das Nationaltheater tatsächlich unterstützen könnte. Aber gemeinsam haben wir in Berlin für Mannheim gekämpft und das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Das ist ein großer Mannheimer Erfolg und darüber freue ich mich sehr,
teilte Nikolas Löbel den Medien mit.
Geht es nach den Vorstellungen der Stadt und den großen Fraktionen SPD und CDU, sei jetzt das Land am Zug, mindestens ein weiteres Drittel zu übernehmen: „Alles andere würde mich enttäuschen“, sagte Löbel. Die CDU-Landtagsabgeordnete Julia Philippi, die den Wahlkreis Mannheim mit betreut, sagte auf Anfrage von RNB:
Wir werden das umgehend in der Fraktion besprechen – Mannheim hat meine volle Unterstützung. Künstlerisch bewegt sich das Nationaltheater mit seinen vier Sparten auf einem sehr hohen Niveau, was auch die zahlreichen Auszeichnungen der vergangenen Jahre belegen,“ betont die Abgeordnete. „Die Stadt Mannheim unterhält hier einen kulturellen Leuchtturm, dessen Strahlkraft weit über Mannheim hinausgeht, und muss deshalb nicht nur vom Bund sondern auch vom Land eine besondere Unterstützung erfahren.
Doch selbst wenn auch das Land sich in gleicher Höhe wie der Bund beteiligen würde, muss die Stadt ebenfalls 80 Millionen Euro stemmen, die eigentlich nicht vorhanden sind. Am 24. Juli soll der Gemeinderat aber einen Grundsatzbeschluss für die Sanierungsplanungen fassen – allerdings ohne bislang detaillierte Kenntnisse der Kosten zu haben. Das erzeugte bisher deutliche Kritik und fraktionsübergreifend war die Stimmung eher gegen einen Sanierungsbeschluss auf unklarer Kostenbasis.
Die neue Lage ändert dies nun grundlegend. Denn angesichts dieser erheblichen Beteiligung des Bundes kommen Land und Stadt in unmittelbaren Zugzwang. Dass das Land sogar mehr als 80 Millionen gibt, ist eher unwahrscheinlich. Wenn der Gemeinderat aber in der Sitzung vom 24. Juli entscheiden soll, wäre es wichtig zu wissen, über welchen Betrag man entscheidet, denn jede Million aus städtischen Mitteln schmerzt. Gleichzeitig wäre aber auch eine geringe Unterstützung, sagen wir zwischen 40-80 Millionen, ein Zugzwang, aus dem man sich nur schwer lösen könnte.
Reihe von Großprojekten – alle auf ein Mal
Selbst die 80 Millionen Euro wird die Stadt nach unserer Einschätzung nicht leisten können – sie muss also weiteres Geld auftreiben, durch Sponsoring, Spenden und eventuell einen Mäzen wie bei der Kunsthalle. Mal angenommen, es kommt zur Drittellösung – welchen Betrag beschließt dann der Gemeinderat? Vermutlich einen „bis zu 80 Millionen“.
Und man darf nicht außer acht lassen, was sonst noch erledigt werden will: Ab spätestens 2022 würde die Sanierung voll beginnen, 2023 kommt die Buga und gleichzeitig ist Franklin weiter in der Entwicklung, es komme Käfertal-Süd und Feudenheim-Nord dazu und der Rheindamm will auch saniert werden. Alles Großprojekte, die man stemmen kann – in Summe eine riesige Herausforderung.
Immerhin: Nikolas Löbel, Stadtrat und Bundestagsabgeordneter, kann seinen ersten großen Erfolg feiern – und zwar gemeinsam mit dem Oberbürgermeister. So viel vertraute Harmonie war selten in der Vergangenheit. Und beide bestätigten sich gegenseitig mit viel Lob. Auch das könnte ein Hinweis auf eine Änderung der Strategien sein, als Signal an die Bevölkerung, dass die großen Parteien CDU und SPD gemeinsam „was schaffen“. Das nimmt der AfD den scharfen Senf vom Brot.
Der Erfolg sei diesen beiden Protagonisten gegönnt. Aber auch Herr Kretschmann mag ein Vater des Erfolgs sein und Herr Dr. Castellucci sowie Herr Kahrs.
Ob die Botschaft eine frohe bleiben wird, hängt von den Mitteln ab, die das Land gibt und der Finanzierung durch die Stadt – es könnte sein, dass man woanders Mittel streichen muss, denn das Nationaltheater wird künftig weiter für erhebliche Kosten sorgen. So bezuschusst die Stadt aktuell den Betrieb mit 33,9 Millionen Euro, vom Land gibt es einen Betriebskostenzuschuss von 16,75 Millionen Euro und die Kosten steigen jährlich an. Dagegen nimmt das Nationaltheater in der Spielzeit 2017/2018 nur prognostizierte 6,83 Millionen Euro ein.
Bei Sanierungs- und Umbaukosten von berechnet 200 Millionen Euro und Interimskosten, zum Beispiel für Ersatzspielstätten, von geschätzt 40 bis 50 Millionen Euro, würde bei einem Landeszuschuss in Höhe des Bundeszuschusses ein Anteil bei der Stadt Mannheim verbleiben, „den wir im städtischen Haushalt der kommenden acht Jahre darstellen können,
gibt sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz optimistisch.
Der Zuschuss hat die Sonne aufgehen lassen – doch wo Licht ist, ist auch Schatten.