Rhein-Neckar, 26. Mai 2019. (red/pro) Es wird spannend – wie hoch wird die Wahlbeteiligung bei den Kommunal- und Europawahlen? Welche Parteien oder Wahllisten erreichen welche Ergebnisse und wie verteilen sich die Stimmen auf Sitze? Die Antworten auf diese und andere Fragen wissen wir erst nach der Wahl. RNB-Redaktionsleiter macht seine Stimmabgabe transparent und fordert: „Gehen Sie wählen, aber gehen Sie sorgfältig mit Ihren Stimmen um.“
Von Hardy Prothmann
Alle Parteien wollen unsere Stimmen und versprechen uns teils das Blaue vom Himmel herunter. Teils wird das reichlich populistisch bis krass blöd. Wer seine Entscheidung anhand von Wahlplakaten treffen will, der tut mir leid. Da verstehe ich jeden, der zuhause bleibt, statt ins Wahllokal zu gehen und seine Stimmen abzugeben.
Eigentlich haben fast alle wegen schon penetranter Nötigung durch inflationäre Wahlplakate eigentlich Stimmenabzüge verdient, aber, seufz, das bringt uns alle nicht weiter. Im Gegenteil: Alle Gemeinderäte werden genau auf ihr Ergebnis schauen und die Öffentlichkeit natürlich auch. Übrigens: Valide Analysen finden Sie beim RNB und vielleicht auch bei anderen Medien. In den asozialen Medien und auf Propagandaseiten nicht.
Wer denkt, er könne mit seinen Stimmen keinen Einfluss ausüben, liegt falsch. Es ist nicht egal, ob man wählt oder nicht wählt. Wer nicht wählt, verschenkt seinen Einfluss und begünstigt im Zweifel extreme Parteien. Insbesondere die Kommunalwahlen ermöglichen durch Panaschieren (Stimmverteilung) und Kumulieren (Stimmenhäufung) einen erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis, weil man eben nicht nur eine Stimme hat, sondern viele (so viele, wie es Sitze in den Gemeinderäten gibt).
Da ich in Mannheim lebe, habe ich 48 Stimmen. Ich kumuliere und panaschiere schon immer und in diesem Jahr sehr konsequent. Warum ich welchem Kandidat je drei Stimmen gebe, erläutere ich Ihnen. Das ist meine Auswahl – Sie sollten Ihre treffen und überlegen, warum Sie wen wählen. (Meine Auswahl betrifft Mannheim – Sie können Ihre Überlegungen für Ihren Ort anstellen.)
Sie können je eine Liste unverändert abgeben, dann erhält jede Bewerberin, jeder Bewerber eine Stimme. Sie können auf einer Liste aber auch Stimmen anhäufen und bis zu drei Stimmen an eine Person geben – in der Summe darf die Höchstzahl nicht überschritten werden, sonst sind alle Stimmen ungültig.
Wenn Sie, wie ich kumulieren und panaschieren, ist es am einfachsten, den Stimmzettel auszuwählen, auf dem die meisten Kandidatinnen und Kandidaten schon draufstehen, die Sie wählen wollen. In meinem Fall ist das der Stimmzettel der CDU. Achtung: Ich wähle nicht die CDU, sondern ich wähle im Verhältnis gesehen auf dieser Liste die meisten Personen. Ich wähle auch Kandidatinnen und Kandidaten von SPD, FDP, Grüne und Linke.
Warum tue ich das? Weil ich nicht nur als politischer Journalist am politischen Leben teilnehme, sondern auch als Bürger und eine Haltung gegenüber meinen Kandidaten habe. Welche das ist, erläutere ich Ihnen anhand der Kandidaten, die meine Stimmen erhalten. Ich könnte das ausweiten, warum ich gewisse Leute nicht wähle, das mache ich auch hier und da als Anmerkung. Auf alle Kandidaten bezogen ist das unmöglich – auch, weil ich viele gar nicht kenne.
Meine Auswahl führe ich überwiegend anhand der Nennung auf den Listen auf, nicht wegen besonderer Präferenzen, alle 18 von mir gewählten Kandidaten erhalten drei Stimmen. Viele meiner Kandidaten sind nicht „gesetzt“, es ist also nicht klar, dass sie einen Sitz erhalten.
Ich komme zur CDU, weil das die Liste mit den meisten von mir gewählten Kandidaten ist – hier wähle ich sechs Kandidaten mit je drei Stimmen, also 18 Stimmen insgesamt. Das sind: Chris Rihm, den wähle ich, weil er als Einsatzleiter Rettungsdienst und langjähriger Vorsitzender des CDA innerhalb der CDU ist. Ich gehe davon aus, dass er frischen Wind in die Fraktion bringt. Thomas Hornung erhält von mir auch drei Stimmen, obwohl ich ihm gegenüber wegen seiner Äußerungen zu Turley sehr kritisch war. Er steht für mich für Öko-Themen in der CDU und hat schlicht und einfach rhetorisch wie im Umgang Stil. Das finde ich positiv. Bernd Kupfer erhält meine Stimmen, weil der für mich für Sport und Vereine in Mannheim steht. Das unterstütze ich gerne. Nikolas Löbel erhält von mir drei Stimmen, weil ich möchte, dass der CDU-Bundestagsabgeordnete nah dran ist an Mannheimer Themen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Nationaltheater hat er sich für Mannheim in Berlin bereits erfolgreich eingesetzt. Marianne Seitz erhält aus vollständig egoistischen Motiven drei Stimmen – im Dezember bin ich nach Seckenheim gezogen und wenn ich als Seckenheimer etwas will, ob anregen oder Kritik üben, gehe ich zu „meiner“ Stadträtin. Zudem erhält Prof. Dr. Andreas Pitz – der ist Experte für Rettungsdienste und Medizinrecht, ein sehr kluger und umgänglicher Mann – er steht auf der Liste sehr weit hinten, ich würde ihn gerne im Gemeinderat sehen. Außerdem wähle ich Reza Shari – den „Paradiesvogel“ unter den Kandidaten. Warum? Der Mann hat so viel Energie in den Wahlkampf gesteckt, dass er meinen Respekt hat. Ich fand ihn zu schrill und zu „bunt“ und teils war ich genervt, aber es gibt Gründe, warum ich ihn im Gemeinderat sehen will: Er ist ein integrierter Mannheimer mit Migrationshintergrund, ein Unternehmer, der Verantwortung trägt, er steht für eine konservative Flüchtlingspolitik und beruflich für das Schöne – da bin ich mal gespannt, wie das mit den Grünen so läuft in den kommenden fünf Jahren.
Bei der SPD habe ich auch klare Kandidaten – insgesamt fünf. Ralf Eisenhauer bekommt drei Stimmen, weil das ein fleißiger Mann ist, der sich sehr glaubwürdig für Lokalpolitik einsetzt, auch wenn ich manches kritisch sehe. Lena Kamrad erhält drei Stimmen, weil sie das Themenfeld Schule und Erziehung besetzt und das, soweit ich das erkenne, gut macht. Andrea Safferling erhält meine Stimmen, weil sie sich wie Bernd Kupfer für Sport und Vereine stark macht, das ist wichtig für die Gesellschaft. Frau Prof. Dr. Heidrun Kämper erhält drei Stimmen, weil sie eine nüchterne, wissenschaftliche Art hat und im Gemeinderat immer durch klare Redebeiträge auffällt – ich teile zwar nicht immer ihre Meinung, aber mir gefällt, dass sie eine hat und diese mit hervorragendem Deutsch auch vortragen kann. Und ganz klar Thorsten Riehle – der Mann ist für den Kulturbetrieb in Mannheim eine verlässliche und sehr wichtige Größe.
Bei der FDP erhalten zwei Kandidaten meine Stimme: Volker Beisel, weil dessen Redebeiträge oft – nicht immer – ein Gewinn in den Debatten sind. Auch hier habe ich häufig andere Sichtweisen, teils ärgere ich mich sogar über den Mann, aber insgesamt ist er häufig überraschend und erfrischend. Auch Frau Dr. Birgit Reinemund hat meine Stimmen – die Erklärung ist ganz einfach. Es gab vor einigen Jahren Mal einen nicht unerheblichen Konflikt zwischen der Redaktion und ihr. Man war gegenseitig verschnupft, das hat sich aber gelegt und seither ist der Kontakt sehr respektvoll, für diesen Respekt erhält sie die Stimmen und auch, weil gerade kleinere Parteien echt viel mehr arbeiten müssen.
Bei den zwei nächsten Kandidaten werden einige denken: „Echt jetzt?“ Ja, echt jetzt. Je drei Stimmen gebe ich an Elke Zimmer (Grüne) und Thomas Trüper (Die Linke). Auch hier bringe ich verkürzt meine Argumente. Die Grünen sind als ideologische Propagandapartei des Weltuntergangs, der Technologiefeindlichkeit und der totalen Grenzöffnung (Melis Sekmen im Hauptausschuss: „Das Mittelmeer hat die meisten Flüchtlinge aufgenommen.“ Solche schwachsinnigen Aussagen einer Spitzenkandidatin sind ein No-go.) für mich nicht wählbar – ähnlich wie die AfD auf der anderen Seite. Aber Frau Zimmer ist gegenüber mir als Journalist immer höflich und ansprechbar, im Gegensatz zum Rest der Grünen. Schon allein deshalb geben ich ihr gerne drei Stimmen. Und Herr Trüper? Der gefällt mir, weil er sich authentisch für sein Klientel, die „kleine Leute“ einsetzt. Das finde ich wichtig und deswegen gebe ich ihm auch drei Stimmen – aber auch, weil er sich häufig pragmatisch äußert und auch mal „kapitalistischen“ Vorlagen zustimmen kann, wenn er sie für gesellschaftlich sinnvoll hält.
Wer genau aufgepasst hat, wird feststellen, ich wähle „Altparteien“ bevorzugt und überhaut nicht nach meinen „prinzipiellen“ Vorstellungen, denn dann würde ich niemanden wählen, weil ich mich von keiner Partei prinzipiell vertreten fühle. Ich wähle Kandidaten, die ich kenne und habe lange überlegt, ob ich 48 Einzelstimmen vergebe oder Schwerpunkte setze. Letzeres hat überwiegt. Ich setzte mit der Höchstzahl auf die von mir ausgewählten Kandidaten. Sie können das auch so machen – oder anders. Ihre Entscheidung.
Meine Leserinnen und Leser passen überwiegend gut auf und fragen sich: „Was ist mit den anderen acht Wahllisten, denn Prothmann wählt nur Kandidaten von fünf der insgesamt 13?“
Auch auf diese Frage erhalten Sie eine Antwort. Ich habe überhaupt nicht überlegen müssen, ob Julien Ferrat eine Stimme von mir bekommt, obwohl er im Verhältnis gesehen, sehr oft Teil der Berichterstattung auf RNB war. Er hat provoziert, teils zu Recht, meist aber ohne Stil und ganz ehrlich? Ich kann auf ihn verzichten. Kritik ist wichtig, sollte aber möglichst inhaltlich getragen werden.
Zur NPD muss ich nicht viele Worte verlieren. Aus meiner Sicht vollständig unwählbar und der noch amtierende Stadtrat Christian Hehl war das, was man erwarten konnte, ein Totalausfall. Ich würde – Achtung, Skandal, die Grünen dürfen schnauben – nicht ausschließen, auch einen AfD-Kandidaten zu wählen. Ich hätte beispielsweise Rüdiger Klos drei Stimmen gegeben, aber der stand nicht auf der Liste. Damit hätte ich, siehe oben, nicht AfD gewählt, sondern einen Kandidaten, von dem ich mir etwas erwarte. Von der aktuellen AfD-Liste erwarte ich mir keinerlei politische Gestaltungskraft, sondern wenn, dann nur unnötigen Stress von einem Haufen Chaoten. Die MfM-Liste von Herrn Wolfgang Taubert respektiere ich – er hat durchaus viele geeignete Kandidaten rekrutieren können, aber der Erfolg wird überschaubar sein und wichtige Entscheidungen brauchen vielen Stimmen für die Mehrheit.
Damit erklärt sich auch, warum ich auf die restlichen Listen nicht eingehe, sie sind bedeutungslos. Bis auf die Freien Wähler. Hier habe ich zu einem Stadtrat einen guten, persönlichen Kontakt. Warum es trotzdem keine Stimmen von mir gibt? Weil mir diese Wählerliste zu sehr auf Krawall gebürstet ist – das hat nichts mit konstruktiver Arbeit für die Stadtgesellschaft zu tun. Vielleicht regt meine Einschätzung die Freien Wähler, die ich ansonsten gerne wegen ihrer Parteiunabhängigkeit unterstützen würde, ja mal zum Nachdenken an.
Zum Schluss: Ich trage Ihnen hier meine Stimmentscheidung vor, um Ihnen ein Beispiel zu geben, wie man wählen kann. Sie machen das so, wie Sie das wollen.
Mein Ansatz ist: Ich wähle Persönlichkeiten aus Gründen und weil ich hoffe, dass von diesen gute gemeinderätliche Arbeit zum Wohl der Stadtgesellschaft geleistet wird und auch zur Abwehr von Schäden. Sie haben sicher andere Präferenzen – nutzen Sie diese. Sie können natürlich Kandidaten wählen, die Sie kennen, mit denen Sie befreundet sind – aber das sollte nicht die erste Präferenz sein.
Ich wähle überwiegend Kandidaten, bei denen ich Chancen für eine Wahl sehe und deshalb aus unterschiedlichsten Gründen unterstütze. Einige Stimmen habe ich vielleicht vergeblich abgegeben – stimmt auch nicht, jeder Bewerber kann sein Ergebnis sehen und selbst wenn einer es nicht schafft (gilt für die meisten), kann man doch sehen, welche Unterstützung man hatte. Denn Demokratie lebt von der Vielfalt, aber letztlich entscheidet die Mehrheit.
Bei der Europawahl wähle ich übrigens „ALDE“ – also die Liberalen, weil diese die europäische Idee am Intensivsten unterstützen.