
Er selbst lässt sich gerne „Der Macher“ nennen – für andere ist er der große Chaotisator. Nikolas Löbel, Chef der Jungen Union Baden-Württemberg, Stadtrat und Kreisverbandsvorsitzender der CDU Mannheim (hier bei seiner Wahl im Oktober 2014).
Mannheim, 20. Dezember 2014. (red/pro) Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Alles, was zur Zeit in und durch die CDU Mannheim passiert, habe nur ein Ziel: Nikolas Löbel (28) will als Gegenkandidat zum Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (52, SPD) zur Oberbürgermeisterwahl antreten. Niemand, der bei Verstand ist, räumt dem neuen CDU-Kreisverbandsvorsitzenden eine Chance ein. Das eigentliche Ziel sei die „Bekanntmachung“ Löbels – als Kandidat für die Landtagswahl 2016 im Wahlkreis Mannheim II, einem Wahlkreis, der mal fest in der Hand der CDU war, aber 2011 mit sensationellem Erfolg vom Grünen Wolfgang Raufelder gewonnen worden war.
Von Hardy Prothmann
Es ist der 20. Oktober 2014. Sitzung des Aufsichtsrats der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG. Sitzungsbeginn: 08:30 Uhr. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz eröffnet die Sitzung pünktlich. Alle Aufsichtsratsmitglieder sind anwesend, bis auf Stadtrat Nikolas Löbel und FDP-Stadträtin Dr. Birgit Reinemund. Die kommen kurz vor 9 Uhr verspätet dazu.
9 Tagesordnungspunkte stehen auf der Liste. Während der Beratung zu TOP 3 verlässt Nikolas Löbel die Sitzung wieder.
Der kommt gar nicht oder zu spät oder geht früher – das Sitzungsgeld nimmt er gerne mit,
sagen uns übereinstimmend Personen, die in diesem und anderen Gremien sitzen. Inhaltliche Mitarbeit von Nikolas Löbel gäbe es kaum bis gar nicht. Auch innerhalb der CDU Mannheim fällt Löbel auf: Terminen, bei denen er die Fraktion vertreten soll, bleibt er ohne Ankündigung fern. Beispiel Kindergipfel am 13. November 2014 von 15:00-18:00 Uhr. Kein Löbel in Sicht. An diesem Tag war die Regionalkonferenz der CDU in Sinsheim wichtiger – hier organisierte er mit der Jungen Union die Unterstützung für Thomas Strobl gegen Guido Wolf. Beginn: 19 Uhr. Als Teilnehmer hätte ihm die Zeit von Mannheim nach Sinsheim gereicht – als Agitator nicht.

Hoher Besuch: Thomas Strobl (rechts) kommt extra zur Wahl von Löbel als neuem CDU-Chef in Mannheim.
„Er lässt sich gerne „Der Macher“ nennen“
Einen Monat zuvor hatte sich Herr Löbel zum neuen Kreisverbandsvorsitzenden wählen lassen. O-Ton nach seiner Wahl:
Es muss uns in einer Großstadt wie Mannheim schon zu denken geben, wenn über 50 % unserer Kinder in sozial schwachen Stadtteilen aufwachsen.
Herr Strobl ließ es sich damals nicht nehmen, dem neuen Mannheimer CDU-Chef persönlich zu gratulieren. „Der Macher“, wie sich Nikolas Löbel intern gerne nennen lässt, verfehlte zusammen mit der Jungen Union sein Ziel: Guido Wolf machte das Rennen gegen Strobl.
Im Gemeinderat fällt der schneidig auftretende Jung-CDUler höchstens dadurch auf, dass er ständig sein Handy bearbeitet. Wortmeldungen gibt es so gut wie nie. Warum auch? Er zieht im Vorfeld die Fäden und überlässt dann Claudius Kranz oder Carsten Südmersen die Bühne, die er nur als Durchgangsstation begreift.
2011 hat er es schon einmal versucht, im Wahlkreis Mannheim I. Er unterlag im Mannheimer Norden Stefan Fulst-Blei (SPD), der 34,2 Prozent holt, während Herr Löbel nur 27,1 Prozent erreicht. Jetzt wird kolportiert, dass er es im Süden mit Mannheim II versuchen will – gegen Wolfgang Raufelder. Dem gelang damals ein sensationeller Erfolg: 15 Prozentpunkte plus. Er gewinnt mit 29,6 Prozent das Direktmandat. 2001 erreichten die Grünen hier nur 9 Prozent, die CDU hingegen 40,7. 2011 heißt der Kandidat Claudius Kranz, der nur noch 28,4 Prozent erreicht. Raufelder profitiert vom Trend, dass die Grünen in Großstädten deutlich zulegen, aber auch, dass die CDU heillos zerstritten ist und es große Querelen um den Landtagsabgeordneten Klaus Dieter Reichart gibt, der Kranz unterstellte, ihn persönlich zu „diskreditieren“. Wenige Wochen vor der Wahl tritt Herr Reichert zurück, die Zweitkandidatin und CDU-Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert rückt nach, Kandidat ist zu diesem Zeitpunkt schon Claudius Kranz, der als Wahlkämpfer eher nicht auffällt und offenbar sicher davon ausging, gewählt zu werden. Was eine Fehleinschätzung war. Vor allem auch wegen des Engagements von Wolfgang Raufelder – der sich das Mandat erarbeitet hat.

Nikolas Löbel mit JU-Landesgeschäftsführer Hannes Griepentrog bei der Regionalkonferenz in Sinsheim – gepusht wurde Thomas Strobl. Doch Guido Wolf entschied die Gunst der CDU-Mitglieder für sich.
Landtagsmandat im Mannheimer Süden als Ziel?
Immerhin – trotz der Verluste lagen zwischen Herrn Raufelder und Herrn Kranz nur 1,2 Prozentpunkte. Bislang war der Wahlkreis traditionell „schwarz“. Was, wenn ein „Macher“ käme, mit guten Kontakten nach Stuttgart und Berlin, mit neuen Ideen, ein „Erneuerer“, einer, der sich für die große Bühne empfiehlt und als erstes den SPD-Oberbürgermeister herausfordert? Könnte das die 1,2 Prozentpunkte überbrücken helfen? Und ist Herr Löbel nicht ein „Seckennerer Bu“?
Er ist vor allem ein Schaumschläger und richtet enorm viel Schaden an,
sagt ein älteres CDU-Semester im vertraulichen Gespräch. Und weiter:
Selbstdarstellung kann er. Und sonst? Mit dieser Mitgliederbefragung gibt er uns der Lächerlichkeit preis. Die CDU nimmt schweren Schaden, was ihm egal ist, er will Karriere machen.
Als Landeschef der Jungen Union nutzt Nikolas Löbel jede Gelegenheit, sich zu präsentieren. Die Ergebnisse der Mitgliederbefragung wird nicht etwa beim CDU-Kreisverband Mannheim veröffentlicht, sondern auf seiner persönlichen Homepage. Ersteller laut Dokument ist Hannes Griepentrog, Landesgeschäftsführer der Jungen Union. Falls Griepentrog nicht involviert war, nutzte der Ersteller jedenfalls eine auf Griepentrog zugelassene Powerpoint-Präsentation.
Zur Zeit läuft es nicht gut für den „Macher“ – durch die Mitgliederbefragung und vor allem den Druck, der auf die CDU-Fraktion ausgeübt wird, gibt es CDU-intern enormen Ärger. Auch die mangelnde Sitzungsdisziplin bei gleichzeitig hoher Medienpräsenz stößt vielen übel auf:
Das ist zu viel Löbel und zu wenig CDU,
sagt einer, der besonders unter dem neu angefachten BUGA-Streik leidet. Intern diskutiert die Partei bereits den angerichteten Schaden – doch weiß keiner, wie man aus der „verlöbelten“ Situation wieder herauskommen kann. Vor allem, weil das Trio Löbel-Kranz-Südmersen und ein willfähriger Fraktionsgeschäftsführer Matthias Sandel die Außendarstellung der Partei nach Belieben bestimmen. Und durch ihr Verhalten, wie die Nutzung städtischer Räume für Parteiveranstaltungen, unter Umständen für noch mehr Ärger sorgen.
Mit Jura gescheitert, mit 28 Jahren wenigstens einen Bachelor geschafft
Im Studium ist der „Macher“ Löbel zunächst gescheitert – sein Jura-Studium in Mannheim konnte er mangels Leistung nicht zu Ende bringen. Seit diesem Jahr hat er nun mit 28 Jahren wenigstens einen Bachelor in „Business Administration“ absolviert. Und er ist Mitglied in insgesamt sechs Fasnachtsvereinen.
Vor seiner Wahl zum Kreisvorsitzenden versprach Herr Löbel mehr Mitsprache für Mitglieder – sogar für Nicht-Mitglieder. Unsere Redaktion hat ihn mehrfach wegen Terminen angefragt. Wie mit journalistischen Anfragen umgegangen wird, haben wir hier dokumentiert.
Vielleicht hat Herr Löbel aber auch einfach zu wenig Zeit für den kommunalpolitischen Kram und höhere Ziel im Blick. Bei der Pressekonferenz zur Mitgliederumfrage sagte er:
Wir laden alle anderen Parteien, insbesondere Bündnis 90/ Die Grünen ein, gemeinsam mit uns daran (einem Ende des BUGA-Streits, d. Red.) mitzuwirken.
Bei den Grünen wundert man sich sehr über diesen Vorstoß:
Herr Löbel ist bei uns als Gesprächspartner nicht bekannt. Und was den Umgang mit direkter Demokratie und Mitsprache angeht, muss er doch noch viel üben,
heißt es dort auf Nachfrage. Denn schaue man genau auf die Zahlen, hätten sich mit 270 Mitgliedern genau 25 Prozent gegen jede der fünf bislang erwogenen Lösungen zur Straßenführung ausgesprochen. 75 Prozent aber hätten Lösungen akzeptiert oder sich nicht geäußert – wer da von „Repräsentativität“ spreche, scheine es mit der Wirklichkeit nicht so genau zu nehmen. Aus Sicht von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz „chaotisiert“ die CDU zur Zeit den Entwicklungsprozess des geplanten Grünzugs.
Am 19. Februar 2013 klang das bei Nikolas Löbel noch ganz anders, da postete er auf Facebook:
Heute durfte ich Teil einer wegweisenden Entscheidung für Mannheim sein. Der Gemeinderat beschließt die Bewerbung zur Bundesgartenschau im Jahr 2023. Eine städtebaulich großartige Chance!
Das mit den Zahlen ist so eine Sache. Zwar wurde Herr Löbel im Oktober 2014 mit rund 85,2 Prozent der abgegebenen Stimmen als Kreisverbandsvorsitzender gewählt. Der Gegenkandidat Carl-Heinz Wawrzik war ohne Chance und letztlich haben 168 von 1.050 Parteimitgliedern für den „Macher“ gestimmt – das sind 16 Prozent der Parteimitglieder.
Zu guter Letzt schwenkt nun auch noch der Mannheimer Morgen vollständig um und berichtet tatsächlich kritisch über Herrn Löbel und seine Mitgliederbefragung. Sogar ein Leserbrief eines Linken schafft es mit „Totalversagen der CDU“ in die Zeitung und Lokalchef Dirk Lübke attestiert „Puren Populismus“.
Jemand bei der SPD sagt:
Eigentlich bin ich zufrieden, wenn Herr Löbel sich selbst demontiert. Er richtet aber einen gigantischen Flurschaden an – für die CDU und vor allem für Mannheim. Und das gefällt mir gar nicht. Mich wundert, dass die altgedienten CDUler sich das gefallen lassen.