Mannheim, 28. Juni 2017. (red/pro) Kenner der politischen Szene reiben sich die Augen. Da geben die noch Bundestagsmitglieder Stefan Rebmann (SPD) und Prof. Dr. Egon Jüttner eine gemeinsame Presseerklärung heraus, in der sie sich gegenseitig und ihre gute Zusammenarbeit loben. Öffentlich hatte man das in der Vergangenheit eher nicht bemerken können. Darum geht es auch nicht – es geht um einen möglichst großen Schaden für den neuen CDU-Kandidaten Nikolas Löbel.
Von Hardy Prothmann
Dass Prof. Dr. Egon Jüttner (75) nicht freiwillig auf eine erneute Kandidatur verzichtet hat, weiß jeder, der sich mit dem politischen Mannheim beschäftigt. Die Partei machte ihm aber deutlich, dass er bei einer Kampfabstimmung unterliegen würde. Dieser Schmach entzog er sich, in dem er ankündigte, den Platz frei zu machen. Neuer Kandidat ist der Stadtrat Nikolas Löbel, der zudem Kreisvorsitzender in Mannheim und Chef der Jungen Union in Baden-Württemberg ist. Jüttner und Löbel konnten noch nie miteinander.
Der ehrgeizige Jungpolitiker (31) geht aufs Ganze – er muss den Wahlkreis 275 und damit das Direktmandat gewinnen. Gelingt das nicht, wird er kein Abgeordneter, da er keinen Platz auf der Landesliste hat, im Gegensatz zum SPD-Kandidaten Stefan Rebmann (55), der auf Platz 20 der Landesliste steht sowie Dr. Gerhard Schick (45), der Listenplatz 4 inne hat.
Sollten die Grünen nicht an der 5-Prozent-Hürde scheitern, was bei den aktuellen Umfragewerten möglich ist, dürfte Dr. Gerhard Schick also wieder über die Landesliste einziehen, selbst, wenn die Grünen deutlich Prozentanteile verlieren sollten. Aktuell gibt es zehn Abgeordnete der Südwest-Grünen im Bundestag. Herr Schick erreichte bei der vergangenen Wahl 2013 nur 12,2 Prozent in Mannheim.
Bei Stefan Rebmann ist die Gefahr schon größer. Aktuell gibt es 20 Bundestagsabgeordnete der SPD in Baden-Württemberg. Die Partei dürfte also keine Anteile verlieren, damit es für Herrn Rebmann über die Landesliste reichen soll. Und dieser Platz war noch nicht einmal sicher – Herr Rebmann setzte sich nur äußerst knapp mit 51,74 Prozent gegen den Gegenkandidaten Leon Hahn auf diesem Platz durch.
2005 scheiterte im Wahlkreis Bruschal-Schwetzingen, in Mannheim scheiterte er 2009 bei der Bundestagswahl und rückte 2011 für den ausgeschiedenen Abgeordneten Peter Friedrich nach. Bei der Wahl 2013 erreichte er 32,4 Prozent und damit 7,4 Prozent weniger als der CDU-Kandidat Jüttner. Dieser gewann drei Mal das Direktmandat, 1994, 2009 und 2013 im „roten“ Mannheim.
Herr Rebmann ist also kein heißer Kandidat für den Gewinn des Direktmandats – außer, es gelingt Nikolas Löbel nicht, sich ausreichend bekannt zu machen. Oder eben, indem man dafür sorgt, dass man den Konkurrenten beschädigt.
Herr Rebmann darf auf die Unterstützung des willfährigen Helfers Jüttner hoffen, wie die aktuelle gemeinsame Pressemitteilung zeigt, denn Herr Jüttner hat zwar zurückgezogen, fertig hat er aber noch nicht. Seit Monaten ist erkennbar, dass er alles in seiner Macht stehende unternimmt, um dem Parteikollegen Löbel direkt zu schaden.
Der ist zum Aushalten verdonnert, weil er bislang nicht in die direkte Konfrontation mit dem langjährigen Abgeordneten gehen will. Verständlich – innerparteilicher Streit ist Gift bei Wahlen und irritiert die Wählerschaft. Er und die CDU haben zudem überhaupt keine Möglichkeit, auf Herrn Jüttner Druck auszuüben. Der Mann hat seine berufliche und politische Karriere hinter sich und zeigt schon jetzt, dass er rachsüchtig ist. Reizt man ihn noch mehr, wird ihn das vermutlich noch zusätzlich anspornen, den Maximalschaden zu erreichen. Dass er dabei vor schäbigem Verhalten nicht zurückschreckt, zeigt die aktuelle Aktion.
Möglicherweise profitiert Herr Rebmann davon und reibt sich heimlich die Hände. Doch der hat bislang mit seinen Wahlergebnissen nicht als Anwärter auf das Direktmandat überzeugt – die erhoffte „Schulz-Welle“ war ein kurzfristiges Aufblitzen in den Umfragen und ist dann verpufft. Von zwischen knapp 49 und 46 Prozent des früheren SPD-Abgeordneten Lothar Mark ist er meilenweit entfernt.
Nikolas Löbel hingegen hat in den vergangenen Jahren deutlich gelernt und zugelegt. Bei uns bekam er mal den Titel „Chaotisator“ verliehen – durch seinen vehementen Kampf gegen Buga und Grünzug. Hier konnte er zum Schluss Erfolg vermelden – die Projekte sind nach Forderungen der CDU mit den Stimmen der CDU auf den Weg gebracht. Im Kreisverband ist er zwar nicht unumstritten, hält aber klar alle Fäden in der Hand. Als Chef der Jungen Union verfügt er über eine agile Wahlkampftruppe, die sich für ihn ins Zeug legen wird.
Die AfD muss er in Mannheim nicht mehr so sehr fürchten wie noch vor einem Jahr – die aktuelle Entwicklung der AfD wird diese sehr viele Prozentpunkte kosten und ein ähnlicher Wahlerfolg wie der Gewinn des Direktmandats im Mannheimer Norden für die AfD wird es nicht geben. Aber die AfD hätte ihm viele Stimmen wegnehmen können – natürlich auch der SPD, die ja ihr letztes Direktmandat im Südwesten an die AfD verloren hatte.
Herr Löbel setzt auf das Thema Sicherheit und kann damit auch indirekt die Flüchtlingskrise zum Thema machen. Auch Wirtschaft steht vorne auf seiner Liste. Sein größtes Problem ist die noch mangelnde Bekanntheit in der Wählerschaft und sein Vorgänger, der ihm einen Erfolg nicht nur nicht gönnt, sondern diesen verhindern will.
Herr Rebmann ist ausweislich der Pressemitteilung hoch erfreut über die überraschende Freundschaft zwischen ihm und Herrn Jüttner. Kein Wunder – wer selbst nicht stark genug ist, holt sich halt Verbündete. Und selbst wenn diese aus dem gegnerischen Lager kommen.
Von außen betrachtet könnte man aber auch meinen, dass sich Herr Rebmann zum Komplizen des schäbigen Verhaltens des Herrn Jüttner macht und eben alle Mittel nötig hat, um das Direktmandat für Mannheim zurückzugewinnen.
Der Wahlkampf beginnt also schmutzig. Man darf gespannt sein, welche Störmanöver Herrn Jüttner zum Schaden von Herrn Löbel in den kommenden drei Monate noch einfallen werden.
Dokumentation der Pressemitteilung (inklusive Fehlern)
„Rebmann und Jütner ziehen gemeinsam Bilanz
Wenige Monate vor Ende der laufenden Legislaturperiode haben die Mannheimer Bun-destagsabgeordneten Prof. Egon Jüttner, CDU, und Stefan Rebmann, SPD, eine positive Bilanz ihrer gemeinsamen Arbeit für Mannheim in Berlin gezogen. „Über die Parteigrenzen hinaus konnten wir uns, wenn es um die Mannheimer Interessen ging, immer auf ein gemeinsames Vorgehen verlassen“, so Stefan Rebmann, der das Ausscheiden Egon Jüttners aus dem Bundestag nach eigenem Bekunden bedauert und dem Kollegen für den anschließenden Ruhestand alles Gute wünscht.
Um Mannheim nach vorne zu bringen und der Stadt, den Bürgerinnen und Bürgern, Betrieben und Organisationen Mannheims von Berlin aus bestmöglich nützen zu können, habe man gerne an einem Strang gezogen, betonen beide Politiker. Als Beispiele ihrer Zusammenarbeit nannten sie u.a. ihren Einsatz gegen den Arbeitsplatzabbau bei verschiedenen Mannheimer Unternehmen, ihr gemeinsames Engagement um den Erhalt der Arbeitsplätze z.B. bei XXXLutz und GE, ihr vehementes Eintreten für einen verbesserten und wirksamen Lärmschutz auf den Bahnstrecken der Stadt und für eine sinnvolle Nutzung der Mannheimer Konversions-Areale. Aber auch die verschiedensten Anliegen aus der Bürgerschaft habe man oft gemeinsam über die jeweiligen Kontakte vertreten. „Bei aller politischen Unterschiedlichkeit – mir werden auch weiterhin die Interessen unserer Stadt mehr am Herzen liegen als parteipolitisches Geplänkel“, verspricht Rebmann, der auch in diesem Jahr für den Bundestag kandidiert. „Einen kompetenten und warmherzigen Partner wie Prof. Jüttner werde ich dann leider nicht mehr an meiner Seite haben.“
Egon Jüttner sieht in Stefan Rebmann „einen verlässlichen und für Mannheim stets engagierten Kollegen“. Rebmann stehe damit in Nachfolge zu Lothar Mark, mit dem Jüttner dank einer koordinierten Zusammenarbeit die Abkoppelung Mannheims vom ICE-Fernverkehr verhindern konnte. Jüttner: „Ich habe Stefan Rebmann als Kollegen kennen- und schätzen gelernt, für den die Interessen Mannheims und die seiner Bürgerinnen und Bürger oberste Priorität haben. Parteipolitische Unterschiede haben uns nie davon abgehalten, gemeinsam die „Mannheimer Sache“ zu vertreten.“ Stefan Rebmanns „offene und engagierte Politik zugunsten von Mannheim sei ein „Glücksfall für unsere Stadt“.“