Mannheim, 14. Januar 2015. (red) Der „Kurdenkrawall“ am 08. September 2012 war der gewalttätigste Angriff gegen Polizisten seit vielen Jahren (hier ein Video dazu, Fragen Hardy Prothmann, Kamera René Priebe). Nur wenige der Angreifer konnten ausfindig gemacht und verurteilt werden. Nach Art und Ablauf muss man davon ausgehen, dass eine koordinierte Handlung vorlag. Das Innenministerium hat uns Fragen zu Erkenntnissen beantwortet.
Von Hardy Prothmann

Innenminister Reinhold Gall (SPD) kurz nach dem Kurdenkrawall am 08. September 2012 in Mannheim.
Wer sind die Hintermänner, die für den konzentrierten Angriff von rund 1.000 Gewalttätern auf die Polizei verantwortlich sind? Der Angriff lief in mehreren Wellen ab und wurde wie in einer asymetrischen Kriegsführung gestaltet. Die Angreifer mischten sich unter das friedliche Publikum, zwischen Frauen und Kinder und verhinderte so ein konzentriertes Vorgehen der Polizei. Der Innenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte damals „Konsequenzen“ an – die allerdings gab es bis auf Strafverfolgung nicht.
Antifa-Gruppen unterstützten die Kurden 2012
Die Polizei tappt weiterhin im Dunkeln:
Sowohl während des Marsches der kurdischen Jugend vom 1. bis 7. September 2012 von Straßburg nach Mannheim als auch beim Kurdischen Kulturfestival am 8. September 2012 in Mannheim wurden vereinzelt Fahnen mit der Aufschrift „Antifa“ und getragene T-Shirts mit der Aufschrift einer kurdischen Jugendgruppierung aus Stuttgart festgestellt. Die durch die Polizei im Rahmen der Veranstaltung (vorläufig) festgenommenen Personen, darunter auch sogenannte „Gewalttäter“, ließen sich jedoch keiner bestimmten Gruppierung zuordnen. Darüber hinausgehend liegen hierzu der baden-württembergischen Polizei keine Erkenntnisse vor.
Wir hatten über mutmaßlich gewaltbereite linksradikale Gruppen berichtet – ob diese bei den damaligen Vorgängen beteiligt waren, steht nicht zweifelsfrei fest – Hinweise gibt es:
Dem Landesamt für Verfassungsschutz liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich linksextremistische Gruppierungen organisatorisch am kurdischen Kulturfestival 2012 beteiligt haben. Allerdings haben im Rahmen der „Kurdistansolidarität“ linksextremistische Gruppierungen aus dem Raum Mannheim wie die „Rote Aktion Mannheim“ (RAM) im Vorfeld der Veranstaltung zur Festivalteilnahme aufgerufen. Nach hiesiger Einschätzung kann davon ausgegangen werden, dass einzelne linksextremistische Aktivisten an der Veranstaltung teilgenommen haben, da dort unter anderem ein Transparent mit Bezug zur RAM gezeigt wurde. Hinweise auf eine Beteiligung an den gewaltsamen Auseinandersetzungen liegen nicht vor.

Blick vom Gelände – nur wenige Journalisten gelang damals der Zutritt auf das Gelände.
Wenig Identifizierungen
Das Beweissicherungsmaterial der Polizei lies in vielen Fällen keine Identifizierung der Gewalttäter zu – insgesamt wurden nur 170 Ermittlungen aufgenommen – obwohl die Zahl der Steine- und Flaschenwerfer bedeutend höher war. Ob weitere Gruppen beteiligt waren, ist unbekannt.
Es liegen keine Erkenntnisse zur Beteiligung anarchistischer Gruppen aus Mannheim und der Region (Zuständigkeitsbereich des PP Mannheim) vor. Bislang wurden keine Gewalttäter im Zusammenhang mit den während des Kurdischen Kulturfestivals begangenen Straftaten ermittelt, die der so genannten „Interventionistischen Linken“ oder der antifaschistischen Szene insgesamt zugerechnet werden können.
Wir wollten vom Innenministerium auch wissen, ob es nach dem Krawall mit 73 verletzten Polizisten eine Entschuldigung von kurdischen Gruppen gab. Die Antwort ist negativ. Ganz im Gegenteil beschuldigt die „Förderation der kurdischen Vereine“ nach wie vor die Polizei und unterstellt Medien eine einseitige Berichterstattung. Wir waren damals dabei und wurden selbst mit Steinen angegriffen:
Ein Beispiel für die Reaktion kurdischer Institutionen ist die von der „Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V.“ (damals „YEK-KOM“, heute „NAV-DEM“) am 15. September 2012 veröffentlichte mehrseitige Pressemitteilung.Darin wird von der kurdischen Seite angeprangert, dass die deutsche Presse die Geschehnisse auf dem Veranstaltungsgelände in Mannheim einseitig, verzerrt und aufhetzend dargestellt habe; die eingesetzten Polizeikräfte werden als diskriminierend und rassistisch bezeichnet. Zudem wird vorgebracht, dass eine besonders ausgeprägte Kriminalisierung der Kurden in Deutschland insgesamt erfolgen würde. Schließlich wird eine Aufhebung des PKK-Verbots gefordert.
Weitere Drohungen von kurdischer Seite
Das Innenministerium bestätigt die Gespräch mit dem Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Weiter fanden mehrere Gespräche im Polizeipräsidium Mannheim statt, an denen auch die Berufsfeuerwehr und Rettungsdienste teilnahmen. Am 15. September 2012 wurde im Internet ein Schreiben veröffentlicht, das mit „Kurdische Jugend Stuttgart“ unterzeichnet ist und in dem es wie folgt heißt (Originalschreibweise):
„An die deutsche Polizei:
Sie fragen sich warum Sie von kurdischen Jugendlichen angegriffen werden? Sie fragen sich Warum es in Mannheim eskaliert ist? Sie fragen sich warum kurdische Jugendliche es nicht mehr hinnehmen, dass Sie sich von Ihnen alles verbieten lassen müssen?
Die Antwort ist einfach:
(…) Mannheim? Ja, das ist die Rache der kurdischen Jugend für dass was Ihr uns angetan habt. Und immer noch antut. Ihr sperrt uns jeden Tag ein. Ihr verbietet unsere Fahnen unsere Worte nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Ihr verbietet unseren Vorsitzenden Abdullah Öcalan welcher durch eure Hilfe verhaftet wurde. Ihr verbietet uns Alles was man überhaupt verbieten kann? Und dann wundert Ihr euch warum Wir mit Widerstand antworten?
Aber merkt euch eins. Wir werden solange in der BRD und sonst wo in Europa und der Welt keine Ruhe geben bis die Wahrheit rauskommt. Bis der Gerechtigkeit genüge getan wird.
Die Eskalation in Mannheim war noch nicht einmal ein Bruchteil von dem was auf euch zu kommt wenn Ihr das Betätigungsverbot gegen die PKK nicht aufhebt. Mit euch Abrechnen? Es geht erst los …“
Der kurdische Dachverband „Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V.“ (YEK-KOM; heute NAV-DEM, s. u. ), Veranstalter des Festivals, veröffentlichte seinerseits zwei Presseerklärungen, in denen er auf die Ausschreitungen und die Berichterstattung darüber wie folgt einging:
„Die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt trägt in erster Linie die Polizei, die in den vergangenen Tagen vor allem die kurdischen Jugendlichen drangsalierte und zu provozieren versuchte. (…) Für Millionen Kurdinnen und Kurden ist die ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ PKK eine legitime Vertretung ihrer demokratischen Rechte, die einen gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung führt. Deswegen lässt sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen.“
„Es ist nicht leicht, den infamen Behauptungen der Polizei journalistische, der Realität entsprechende Fakten entgegenzustellen, da diese nicht gehört werden wollen. (…) Auch die undifferenzierten und negativen Einschätzungen des Verfassungsschutzes spielen dabei eine Rolle. “
Des Weiteren wurde am 15. September 2012 in der PKK-nahen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ von einer Erklärung der YEK-KOM berichtet, in welcher diese die „Opfer der Polizeigewalt“ zu rechtlichen Schritten aufforderte, so das Innenministerium. Juristische Hilfe könne unter einer im Artikel genannten Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse angefordert werden. Tatsächlich gab es diese Opfer nicht.

73 Polizeibeamte waren beim Kurdenkrawall verletzt worden – die Sachbeschädigungen waren erheblich.
1.100 aktive PKK-Anhänger in Baden-Württemberg
Generell fänden landesweit regelmäßig Versammlungen oder Veranstaltungen mit „PKK-Anhängern“ statt, bei denen aktuell auch gegen das PKK-Verbot oder gegen die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ demonstriert werde, so das Ministerium:
Das Landesamt für Verfassungsschutz geht derzeit von etwa 1.100 Personen aus, die in Baden-Württemberg für die PKK oder ihr nahestehende Organisationen aktiv sind. Für besondere Anlässe können im Land jedoch kurzfristig mehrere tausend Sympathisanten aktiviert werden.
Rückgrat der PKK-Struktur in Deutschland sei die „Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft“ („Koordinasyona Civata Demokratik a Kurd“, CDK), die als politischer Arm der PKK in Europa deren Aktivitäten anleitet.
Das CDK-Gebiet Deutschland sei in mehrere „Sahas“ („Zonen“) gegliedert, auch „Serits“ genannt. Diese seien wiederum in insgesamt rund 25 „Bölge“ („Gebiete“) unterteilt; insgesamt sieben davon entfallen auf Baden-Württemberg, darunter die besonders bedeutsamen Gebiete Mannheim und Stuttgart, teilt das Innenministerium mit. Das „Bölge“ Stuttgart liege komplett innerhalb der Landesgrenzen, während das Gebiet Mannheim Teile von Rheinland-Pfalz und Hessen umfasst:
In allen sieben „Bölge“ existieren PKK-nahe Vereine. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung für sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Die Aktionsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen in Stuttgart, Mannheim und Freiburg. Viele der örtlichen Vereine sind in dem 1994 gegründeten Dachverband „Navenda Civaka Kurd a Demokratik li Almanyaye“ („Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Deutschland“, NAV-DEM; früher YEK-KOM, s. o.) mit Sitz in Düsseldorf zusammengeschlossen. Nach eigenen Angaben hat das NAV-DEM neun Mitgliedsvereine in Baden-Württemberg.
Aktivitäten 2014 laut Innenministerium:
- Neben den jährlichen Großveranstaltungen und überregionalen Ereignissen (z. B. Kundgebungen zum Jahrestag der Verhaftung von PKK-Gründer Abdullah ÖCALAN, Neujahrsfeiern/“Newroz“, „Internationales Kurdisches Kulturfestival), an denen sich abermals PKK-Anhänger aus Baden-Württemberg beteiligten, führten PKK-nahe Organisationen bzw. PKK-Anhänger auch in diesem Jahr zahlreiche regionale Aktionen im Land durch. Anlässe waren der Jahrestag der Ermordung von drei PKK-Aktivistinnen in Paris, „Märtyrer“-Gedenkfeiern und Solidaritätskundgebungen für Kurden in den Kampfgebieten der Organisation „Islamischer Staat“ (IS).
- Im Zuge der Demonstrationen gegen den IS kam es am 7. Oktober 2014 zur Besetzung des Stuttgarter Flughafens durch etwa 60 Anhänger der PKK.
- Am 8. Oktober 2014 entstant aus einer Mahnwache heraus ein Spontanaufzug von ca. 550 Personen in Stuttgart.
- Hervorzuheben ist ferner die Demonstration „Gegen den IS“ am 1. November 2014 in Stuttgart mit etwa 10.000 Teilnehmern. Zu ihnen gehörten neben PKK-Anhängern auch türkische und deutsche Linksextremisten sowie politische und soziale Gruppierungen, die sonst nicht auf Veranstaltungen mit PKK-Bezug anzutreffen sind.
Das ARD-Magazin „Monitor“ wird in seiner heutigen Sendung über schwere Menschenrechtsverletzungen durch kurdische Peschmerga berichten. Unter anderem soll ein General einen Auftragsmord an einem kritischen Journalisten befohlen haben.
Verschiedene kurdische Gruppen werden von den Initiatoren der für Samstag geplanten Kundgebung „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“ als „Unterstützer“ akzeptiert.