Weinheim/Rhein-Neckar, 16. April 2015. (red/pro) Die NPD in der Metropolregion bleibt weiter aktiv. Aktuell hat sich der Kreisverbandsvorsitzende Jan Jaeschke zum Landtagskandidaten nominieren lassen. Die NPD will auch in den anderen Wahlkreise im Rhein-Neckar-Kreis antreten. Die NPD freut sich über „Erfolge“ und sieht eine „positive Entwicklung“ in Nordbaden – es gibt jede Menge Aktivitäten gegen die Rechtsradikalen, doch die meisten spielen diesen geradezu in die Hände. Die politisch verantwortlichen Menschen müssen sich entschiedener positionieren, damit die Stimmung im Land nicht kippt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Bislang wurden mit der Nominierung des Weinheimers Jan Jaeschke insgesamt drei Landtagskandidaten gekürt, die beiden anderen in Mannheim und Sinsheim. Die drei Städte sind die „Hochburgen“ der NPD, in Mannheim hat der Neonazi Christian Hehl einen Gemeinderatssitz.
Der führende Kopf hinter den Aktivitäten der Rechtsradikalen ist Jan Jaeschke, der vermutlich für Hehl auch zahlreiche Anfragen an die Mannheimer Stadtverwaltung verfasst. Herr Hehl selbst hat sich bislang noch nicht im Gemeinderat hervorgetan, nimmt aber an den Sitzungen regelmäßig teil.
NPD-Basis Weinheim
Herr Jaeschke hat auch den Bundesparteitag der NPD nach Weinheim geholt, 2013 im Ortsteil Sulzbach, 2014 in der Stadthalle Weinheim, wo auch 2015 die Veranstaltung wieder stattfinden soll. Die NPD konnte hier sogar einen „Triumph“ einfahren, da die Weinheimer Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) zunächst mit fadenscheinigen Argumente und vermutlich manipulierten Daten eine Belegung verhindern wollte. Der NPD-Anwalt Peter Richter, der die Partei auch im Verbotsverfahren vertritt, hatte gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sowie des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim erfolgreich Verfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof Baden-Württemberg eingelegt. Die Stadt Weinheim musste daraufhin der NPD die Stadthalle zur Verfügung stellen.
Mit Nazi-Methoden gegen Nazis?
Gegen die NPD laufen vielfältige Aktivitäten. Nach der Wahl von Christian Hehl marschierten über 1.000 Demonstranten vor das Haus des NPD-Stadtrats und hielten eine Kundgebung ab – allen voran der grüne Stadtrat Gerhard Fontagnier, der sich in der Pose des Kämpfers gefällt. Dies wird von NPD-Gegnern als zulässig und sogar notwendig erachtet, während ein geplanter Aufmarsch von Rechten vor dem Haus des Tröglitzer Bürgermeisters bei NPD-Gegnern als verurteilenswert gilt.
In Weinheim haben sich neue Gruppen gebildet, die gegen die NPD vorgehen wollen. Beispielsweise mit der Aktion „Kein Bier für Nazis“ – Gastwirte sollen sich bereit erklären, mutmaßliche Rechtsradikale nicht zu bedienen. Wenn man sich umgekehrt vorstellte, ein Gastwirt würde einen Aufkleber an der Tür anbringen: „Hier keine Bewirtung von Asylbewerbern“ – wie groß wäre die Empörung? Was wären die Vokabeln? „Menschenverachtung“, „Ausgrenzung“, „Hetze“? Wenn sich also eine SPD-Stadträtin Stella Kirgiane-Efremidis öffentlich rühmt, dass sie dem Weinheimer Rechtsradikalen Günter Deckert Hausverbot erteilt hat, ist das was? Propaganda. Wenn ein Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier Wirte bedrängt und ihnen „Probleme“ ankündigt, ist das was? Eine Art Nötigung, zumindest versuchte.
Das Problem viele „Anti-Nazis“ ist: Sie scheuen sich nicht, selbst Nazi-Methoden anzuwenden. In Mannheim wurden in großer Zahl Häuser mit „Nazis-raus-Parolen“ besprüht, es soll zu körperlichen Übergriffen auf Rechtsradikale gekommen sein und insbesondere bei Demonstrationen fallen „Antifa“-Gruppen durch Gewaltbereitschaft auf.
Vorbildliches Verhalten und Inhalte statt Lärm, Gewalt und Anschuldigungen
Was fehlt, ist die einzig legitime Methode, sich mit politischen Gegnern auseinanderzusetzen: Mit inhaltlicher Arbeit. Doch das ist zunächst eine leise und anstrengende Arbeit, für die man Wissen und intellektuelles Vermögen braucht. Wie viel einfacher ist es da, Aufkleber anzubringen, in Trillerpfeifen zu blasen und sich gegenseitig das wohlige Gefühl zu geben, man sei auf der guten Seite. Gewalt lehne man natürlich ab, aber wenn die passiert, könne man das zumindest verstehen, wenn auch nicht gut heißen.
Diese Anti-Nazis befördern mit ihrem Alarmismus die Rechtsradikalen bewusst oder unbewusst. Wenn Amtsträger Rechtsbruch begehen oder zumindest das Recht beugen, wie es ihnen passt, liefern sie den rechtsradikalen starke Argumente an die Hand. Ebenso, wenn die Gewalt von links kommt. Diffamierungen in großer Zahl und Vehemenz zeigen kein vorbildliches Verhalten, sondern wirken wie ein wütender Mob – aber eben von links.
In Karlsruhe provozieren Grüne die Festsetzung durch die Polizei und hinterher zu heulen: „Das war unverhältnismäßig.“ Wenn dem so war, sollen sie klagen. Sie haben das Geld, beste Verbindungen und sind wie der Karlsruher Landtagsabgeordnete Alexander Salomon (Grüne) als abgebrochener Jura-Student, mindestens ein wenig über ihre Rechte informiert. Die Haltung – weil man gegen die „Kargida“-Demonstranten ist, ist man auf der guten Seite und die Polizei zu provozieren und zu diskreditieren, ist ein Fehler, weil sich gute Demokraten durch Respekt vor Beamten auszeichnen sollten.
Neue Rechte trägt Anzug
Klar, es gibt sie noch, die Schlägertrupps. Heute heißen sie Hogesa. Auf Seiten der Rechtsradikalen hat man aber gelernt. Es gibt noch die klassischen Glatzen – aber eher in NRW oder im Osten. Neonazis wie Jan Jaeschke tragen Anzug und Krawatte – selbst der mehrfach vorbestrafte Christian Hehl kommt brav im Jacket in den Gemeinderat. Der neue NPD-Chef Frank Franz ist zwar bislang nicht präsent, aber auch er zeigt das Saubermann-Image und könnte auch als lieber Schwiegersohn durchgehen.
Zudem sind die neuen Rechtsradikalen juristisch erstens äußerst erfahren – unzählige Prozesse haben Erfahrungswerte geschaffen und werden zweiteins, wie im Fall von Peter Richter, von exzellenten Anwälten vertreten. Der sagte mir in einem Telefonat: „Wir haben viele Unterstützer, die mit Geld und Verbindungen für unsere Sache stehen – auch wenn sie kein NPD-Mitglied sind, denn noch fühlen sich viele stigmatisiert, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis man ohne Sorgen NPD-Mitglied sein kann.“
Das klingt angesichts von bundesweit rund 5.000 Mitgliedern euphemistisch. Aber die Partei hält sich, obwohl schon oft „totgesagt“, obwohl man sie verbieten lassen will, allen voran der Weinheimer Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Grüne).
Klein, aber organisiert
Obwohl die Zahl gering ist – bei der Nominierungsveranstaltung in Weinheim waren gerade mal 11 NPD-Mitglieder anwesend, trotz Teilnahme des Landesvorsitzenden Alexander Neidlein – die NPD ist auch als kleine Truppe aktiv, veranstaltet regelmäßig Demonstrationen, hält „Nachtwachen“ ab (Sinsheim), trifft sich bei Stammtischen und bedient mit Verve die sozialen Netzwerke. Der Ersatzkandidat Arthur Sitarz kommt aus Laudenbach.
Und wie ein böser Geist aus der Flasche ist der Altnazi Günter Deckert wieder aufgetaucht – er unterstützt nach Angaben von Herrn Jaeschke die NPD mit seiner „politischen Erfahrung“. Der Rechtsradikale Deckert war Kreis- und Stadtrat und wurde unter anderem wegen Holocaustleugnung zu Haftstrafen verurteilt. Aktuell nutzt er die gestiegene Anzahl von Flüchtlingen, um sich mit seinem menschenfeindlichen Gedankendreck wieder zu positionieren und über die Schiene der Fremdenfeindlichkeit Menschen für die Sache von „rechtsaußen“ zu gewinnen.
Mehrere wissenschaftlichen Studien haben belegt, dass rund 25 Prozent der Menschen in Deutschland ausländerfeindliche Einstellungen haben. Das sind 20 Millionen Menschen – sicher, nicht alle sind Nazis, aber es gibt Schnittmengen. Auch die heillose Debatte über Pegida und die pauschale Verunglimpfung, dass seien alles „Rechte“ führt eher zu einer Abkehr von liberalen Haltungen, als zu einer Einsicht.
Demokratische Auseinandersetzung statt Radau
Der „Anti-Rechts“-Bewegung muss man unterstellen, dass sie entweder ahnungslos provoziert oder planvoll vorgeht – in beiden Fällen ist sie mitverantwortlich, wenn das Ziel die offene Konfrontation auf der Straße ist. Denn dann kann man die eigene Gewaltbereitschaft rechtfertigen. Dass dieser Radau bis hin zu Randalen aber bei vielen Bürgern nicht zu mehr Ausländerfreundlichkeit sorgt, interessiert nicht. Die Bürger lehnen den Radau ab, viele werden aber auch Ausländer ablehnen, „denn wegen denen ist es ja so“.
Nach einer Analyse der Kommunalwahl durch unsere Redaktion konnten wir herausfinden, dass tendenziell überall dort, wo Asylbewerber in größerer Zahl aufgenommen werden, die NPD bessere Ergebnisse erzielte, als in anderen Orten.
Dementsprechend ist die NPD jetzt auch in Hemsbach aktiver – allerdings dürfte die rechtsradikale Partei es hier schwer haben. Der Hemsbacher Bürgermeister Jürgen Kirchner hat zusammen mit anderen die Aufnahme von Flüchtlingen sehr geräuschlos über die Bühne gebracht. Anders als in Weinheim, wo sich zwar alle möglichen Bündnisse gegründet haben, aber die Stimmung schwankt – es gibt eine Willkommenskultur, aber es gibt auch eine klare und geäußerte Ablehnung von Asylbewerbern.
Tatsache ist, dass die teils ordinär, wütend und gewalttätig auftretende linke Szene den Nazis in die Hände spielt. Der „normale“ Bürger will eine rechtsstaatliche, demokratische Auseinandersetzung und keinen Radau. Aktuell warnen viele Politiker vor einem „Stimmungswandel“ in der Bevölkerung durch „Belastungen“ durch die Asylbewerber – und heizen genau damit den angeblich befürchteten Stimmungswandel an.
Haltung statt Fähnchen
Wenn die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) aktuell ihr Fähnchen in den Wind hängt und sich für schnellere Abschiebungen ausspricht, dann muss man fragen dürfen: Ja warum ist das nicht längst beschleunigt worden? Schließlich hat der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Drittstaaten-Regelung mit seiner Stimme erst möglich gemacht, der Innenminister Reinhold Gall ist Parteifreund von Frau Öney und vertritt gerne auch die härtere Linie.
Die neue Haltung bei Teilen der Landesregierung freut Abgeordnete wie den integrationspolitischen Sprecher der CDU, Dr. Bernhard Lasotta – aber eigentlich müsste man jetzt mehr machen und klare Linien entwickeln, damit die Menschen wissen, dass sich der deutsche Staat verantwortlich zeigt und das Asylrecht ernst nimmt – es ist ein hohes Recht für politisch verfolgte Menschen. Und Deutschland ist ein Vorbildstaat, wenn dieses Recht gewährt und damit ordentlich umgegangen wird.
Man muss für das Asylrecht sprechen und gegen den Missbrauch – aber auch genau erklären, was ein Missbrauch ist und diesen nicht in Zusammenhang mit gestiegenen Flüchtlingszahlen bringen. Man muss den Menschen erklären, wieso kleine Renten nichts mit dem Recht auf Asyl zu tun haben und wieso Sanierungen von Schulen ebenfalls nichts mit gestiegenen Ausgaben für Flüchtlinge zu tun haben. Sonst überlässt man der NPD und anderen Rechten das Feld, die mit einfachen, aber falschen Parolen weiter gegen Menschen hetzen können.
Die, die gegen Nazis sind, können und sollen auch auf die Straße gehen – aber friedlich und gesittet. Eine gute Gelegenheit wird im Herbst sein, wenn die NPD wieder ihren Bundesparteitag in der Stadthalle Weinheim abhalten wollen – was wäre das für ein schönes Bild, wenn in den drei Zufahrtsstraßen jeweils 1.000 und mehr Menschen als anständige Demokraten verhindern, dass die Rechten durchkommen. Dabei sollten aber keine Parolen fallen wie die des Ersten Bürgermeisters Dr. Thorsten Fetzner, der sich Staatsgerichtshof enttäuscht zeigte, weil der einwandfrei rechtsstaatlich geurteilt hat. Ein wenig mehr Respekt vor dem Rechtsstaat stände diesen Leuten gut an.