Rhein-Neckar/Weinheim, 02. April 2022. (red/pro) Günter Deckert ist im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus in Weinheim verstorben. Nach RNB-Informationen “mit oder an Corona” lag er bis zu seinem Tod im Koma. Günter Deckert war einer der bekanntesten Rechtsextremisten Deutschlands. Bis auf kurze Meldungen in Lokalzeitungen gibt es kein bundesweites mediales Echo zu seinem Tod. Das ist mehr als erstaunlich und der Personalie nicht angemessen. Man muss die Menschen darüber informieren, wer Günter Deckert war.
Von Hardy Prothmann
De mortuis nil nisi bonum dicendum est, ist eine Redewendung, ein Sprichwort. Man kann es auch Phrase nennen: Von den Toten ist nichts als Gutes zu reden.
Das Zitat wird Chilon von Sparta zugeschrieben, der als einer der “sieben Weisen” des antiken Griechenlands gilt. Nicht nur dieses Gnome (Sinnspruch) wird ihm zugeschrieben, auch: Erkenne dich selbst.
Als ich gestern auf Facebook angekündigt hatte, dass ich erst heute einen “Nachruf” zu Günter Deckert (Deutsche Liste, früher NPD) schreiben würde, kommentierte eine Nutzerin: “Einer weniger”. Ich wies die Dame darauf hin, was wohl los wäre, wenn jemand zum Tod von Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) genau diese zwei Worte geschrieben hätte, verstand sie meinen Hinweis nicht oder wollte ihn nicht verstehen. Dann bekräftigte sie nach einem weiteren Kommentar von mir, dass sie solche Menschen wie Herrn Deckert “verachte”. Mit Ausrufezeichen.
Die Gnome des Chilon findet man übrigens auch im deutschen Strafgesetzbuch, § 189: “Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Nur so als Info.
Es gibt Menschen, die sich für “bessere” Menschen halten, weil sie “schlechtere” Menschen verachten. Dass solche “Gutmenschen” mutmaßlich einem narzistisch-aggressivem Affekt folgen, interessiert sie nicht. Auch nicht, dass sie ähnlich “denken”, wie die, die sie “bewusst” herabsetzen.
Wut, Hass, Verachtung sind Affekte, die man als aufgeklärter Mensch zu beherrschen versuchen sollte – alles andere halte ich für primitiv. Ich schreibe das vorab, um meine innere Haltung zu verdeutlichen. Ich hasse niemanden. Wut ist mir fremd. Ebenso Verachtung. Ich setze vielmehr auf Achtung, also acht zu haben, achtsam zu sein und nichts außer acht zu lassen.
Wie verhält sich das mit der Achtung nun in Bezug auf die Person Günter Deckert?
Ganz einfach. Günter Deckert war zunächst mal ein Mensch, der nun tot ist. Ich wünsche seiner Seele Frieden. Damit genug der guten Worte zur Person.
In seinem Leben hatte Herr Deckert keinen Frieden. Er war ein bösartiger, hasserfüllter Menschenfeind. Ein Holocaust-Leugner, Volksverhetzer, Rassist, Juden-Hasser. Ein geistiger Brandstifter. Günter Deckert war eine der Symbolfiguren des deutschen Rechtsextremismus. Ich hatte persönlich verschiedentlich beruflichen Kontakt zu ihm. Auch seine “Aura” versprühte seine völlig vergiftete Seele. Er war ein widerwärtiger Mensch.
Wie immer, wenn sich die Aufmerksamkeit nur auf eine Person konzentriert, verliert man allerdings andere Aspekte und Perspektiven aus dem Blick, die man kennen sollte, um sich ein “Urteil” zu bilden und dies “vernünftig”.
Man kann Herrn Deckert nämlich auch “dankbar” sein. Dieser Satz wird viele “überraschen”, ist aber völlig ernst gemeint. Denn Herrn Deckert ist es zu “verdanken”, dass der Gesetzgeber 1994 die Holocaust-Leugnung explizit unter Strafe stellt.
1994 wurde der Paragraf 130 Strafgesetzbuch (StGB), um Absatz 3 ergänzt: “Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.”
Dieser Paragraf ist unter Juristen bis heute umstritten, weil es sich um ein “Meinungsdelikt” handelt und damit erheblich in das Recht der freien Meinung nach Artikel 5 Grundgesetz eingreift. Die Holocaust-Leugnung, so die Argumentation, seit durch Paragraf 185 StGB (Beleidigung) oder Paragraf 189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) ausreichend verfolg- und strafbar.
Der Gesetzgeber wurde tätig, nachdem es zu weltweit beachteten und als skandalös empfundenen Urteilen im Zusammenhang mit Herrn Deckert kam.
1992 wurde Herr Deckert vom Landgericht Mannheim wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 DM verurteilt. Herr Deckert legte Revision ein und hatte Erfolg. Das Urteil wurde im März 1994 vom Bundesgerichtshof aufgehoben, weil der Tatbestand der Volksverhetzung in diesem Fall durch Holocaustleugnung noch nicht erfüllt sei, urteilten die Richter.
Zum 1. Dezember 1994 erweiterte der deutsche Bundestag den Straftatbestand der Volksverhetzung um den der Holocaustleugnung. Herr Deckert wurde 1995 wegen Volksverhetzung, Beleidigung und anderer Delikte verurteilt und aufgrund weiterer Verurteilungen bis Oktober 2000 inhaftiert.
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Weinheim. Günter Deckert ist tot. Der Stadtrat der von der rechtsextremen NPD unterstützten Deutschen Liste (DL) verstarb am Donnerstag im Alter von 82 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit. Deckert war bundesweit bekannt, unter anderem, weil der ehemalige Gymnasiallehrer von 1995 bis 2000 eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung verbüßte.
Deckert war 1966 in die NPD eingetreten und stieg in der Partei schnell auf. Er war unter anderem Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender und kandidierte 1975 gegen den amtierenden Weinheimer Oberbürgermeister Theo Gießelmann. 1982 trat er zunächst aus der NPD aus, um eine Entlassung aus dem Schuldienst zu verhindern, und gründete die „Deutsche Liste“, für die er auch in den Weinheimer Gemeinderat einzog. Insgesamt gehörte Deckert dem Weinheimer Gemeinderat von 1975 bis 1999 und von 2019 bis zu seinem Tod an.
Im Jahr 1988 wurde er aufgrund seiner politischen Aktivitäten schließlich aus dem Schuldienst entlassen. Bereits im Jahr darauf, 1989, war er Spitzenkandidat für die NPD für den Kreistag und wurde in das Gremium gewählt. 1991 folgte sein Wiedereintritt in die NPD, im selben Jahr wurde er Bundesvorsitzender der NPD und blieb bis 1996 im Amt.