Mannheim, 06. Dezember 2018. (red/pro) Der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) hat gegen den Stadtrat Julien Ferrat (Mannheimer Volkspartei) Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede gestellt. Grund ist ein Youtube-Video: „Stadtrat Ferrat feat. Haram68 – Disstrack gegen Peter Kurz (prod. by Hellbeatz)“. Die Inhalte dieses Videos sind despektierlich – ob es für einen Strafbefehl reicht, ist unklar. Nach unseren Informationen sind die meisten Medien in der Region über das Video und die Anzeige informiert – doch außer RNB berichtet inhaltlich niemand. Ist das nicht ein Beleg für Lücken- oder Lügenpresse? Nein, meint Hardy Prothmann, es ist ein Beleg für falsche Haltungen und Inkompetenz. Und damit sind nicht nur „die Medien“ gemeint.
Von Hardy Prothmann
Julien Ferrat ist ein über die Liste von Die Linke gewählter Stadtrat (die Liste hat er verlassen), war dann in der Familienpartei und ist nun Vertreter einer ominösen „Mannheimer Volkspartei“. Er ist ein notorischer Quertreiber und trotz seiner 27 Jahre irgendwo in der Pubertät steckengeblieben, möglicherweise ist er als Kleinkind auch nicht unfallfrei durch die anale Phase gekommen.
In einem aktuellen Rap-Video (32.000 Aufrufe auf Youtube, veröffentlicht 16.07.2018) bezeichnet er die Politik des Oberbürgermeisters seit 2007 als „beschissen“ und zeigt dazu jemandem, der auf der Toilette sitzt. Dazu ist lautmalerisches ein Pups zu hören: „Das ist der Disstrack gegen Peter Kurz, auf seine Meinung geb ich einen feuchten Furz“, heißt es im Text. Daraufhin kommt es zum „politischen Schwanzvergleich“ – zwei skizzierte Penisse werden eingeblendet, Ferrat hat einen „langen“ und der OB einen „kurzen“. Er fordert den OB auf, ihn „am Arsch zu lecken, ich glaube, es wird Dir sogar schmecken“.
Lokalpolitische Themen wie die Buga23 oder die finanzielle Schieflage der Universitätsmedizin werden angerissen. Als Refrain rapt Ferrat: „Peter Kurz, Du willst mich scheitern sehen, ich werd in Dir immer nur den Sheytan sehen.“
Muss man sich redaktionell damit auseinandersetzen? Leider ja, denn derartige Angriffe eines Stadtrats in der Öffentlichkeit auf den Verwaltungschef, der gleichzeitig Vorsitzender des ehrenamtlichen Gremiums Gemeinderat ist, sind zwar unappetitlich. Aber dennoch relevant, weil die Grenzüberschreitungen der politischen Auseinandersetzung massiv sind.
Der „gedisste“ Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz „hat im Oktober aus grundsätzlichen Erwägungen bezüglich des Umgangs mit so genannter „Hate-speach“ gegen Stadtrat Ferrat Strafanzeige wegen Beleidigung ( § 185 StGB) und übler Nachrede (§ 186 StGB) gestellt“, wie eine Stadtsprecherin auf RNB-Nachfrage mitteilt.
Damit spitzt sich die Lage zu und es wird zu einer strafrechtlichen Bewertung kommen müssen – Ausgang unbekannt. Julien Ferrat wird sich auf die Kunst- und Meinungsfreiheit stützen – zwei hohe grundgesetzliche Rechtsgüter. Aussagen wie „beschissene Politik“ oder die Stilisierung des OB als „Sheytan“, also Teufel, auf dessen Politik einen „feuchten Furz geben“ sind mit Sicherheit von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch eine Textzeile „Peter Kurz, Du bist wie Malu Dreyer, denn ihr habt beide keine Eier“ und „Du machst Politik für Analfetischisten, alles für den Arsch, das müsstet Du doch wissen“ dürften strafrechtlich nicht relevant sein.
Der „politische Schwanzvergleich“ hingegen, in dem Ferrat behauptet, der OB hätte einen kurzen Penis und eine weitere Textzeile: „Ich weiß es geht mich nichts an, aber ich hoffe, im Bett ist Dein Name nicht Programm“, sind nach RNB-Auffassung keine Meinungen mehr, die im Kontext einer politischen Auseinandersetzung gesehen werden könnten, sondern greifen losgelöst von einer inhaltlichen Auseinandersetzung tief in die Persönlichkeitsrechte des OB ein. Hier wird die Staatsanwaltschaft Mannheim prüfen müssen, ob solche Aussagen im Rahmen der politischen Auseinandersetzung noch zulässige Meinungsäußerungen sind oder nur noch der persönlichen Herabsetzung dienen. Sollte dies so bewertet werden, wird die Strafanzeige Erfolg haben.
Doch Stadtrat Ferrat ist nicht der einzige, den anale Topoi umtreiben. Der grüne Stadtrat Gerhard Fontagnier akzeptierte 2017 eine Geldauflage, nachdem der AfD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Klos Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt hatte. Herr Fontagnier hatte 2016 den Abgeordneten öffentlich bei einer Demo, eine Klobürste schwingend, als „Arschloch, den keiner kennt“ bezeichnet. Die grüne Fraktion im Mannheimer Gemeindetat hatte zur Sache beharrlich geschwiegen – Anfragen des RNB wurden nicht beantwortet. Unsere Schlussfolgerung: Die Grünen stützen solche Beleidigungen und sehen sie als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Auch von anderen Fraktionen gab es dazu keine Stellungnahmen – es geht ja schließlich gegen die AfD und dann scheint jedes Mittel recht zu sein.
Provokationen gehören seit jeher zum politischen Geschäft. Markige Sprüche ebenso. Die Motivation ist klar: Man will Aufmerksamkeit erzielen. Soweit geht das auch in Ordnung. Dabei geht es aber immer auch um die Frage der eigenen Verantwortlichkeit, des gewählten Stils und der eigenen Vorbildlichkeit. Auch Verachtung und Verächtlichmachung sind politische Haltungen, die aber meist mehr über die Verachter mitteilen, als über die, die verächtlich gemacht werden sollen.
Die Wählerinnen und Wähler haben es bei der kommenden Kommunalwahl 2019 in der Hand, wem sie ihre Stimme geben und wer sie damit im Gemeinderat vertreten soll und ob „Hate-Speech“ als legitimes Mittel politischer Meinungsbildung gewünscht wird.
Medien haben die Aufgabe, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Leider gehört auch dazu, sich mit vulgären Abgründen zu beschäftigen. Typen wie Herr Fontagnier und Herr Ferrat sehen sich beide als „Kulturschaffende“, tatsächlich säen sie Hass und Hetze und beschädigen damit den Respekt vor dem wichtigen Ehrenamt als Stadträte. Insofern besteht eine negative Relevanz und die Notwendigkeit, sich mit diesen Abgründen zu befassen.
Immerhin hat sich ein bundesweites Medium bereits für das Thema interessiert: Die Neon-Redaktion des stern berichtet ausführlich.